Während der Lektüre von Rolf Hochhuths Stellvertreter begegnete mir Papst Pius XII. zum ersten Mal. Ergänzende Recherchen zu der historischen Person des Papstes, der mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli hieß, offenbarten mir dann schnell eine in der Geschichtswissenschaft höchst umstrittene Figur. Das Schauspiel selbst hat einen beträchtlichen Teil zur Entstehung einer Debatte beigetragen, die bis in die heutige Zeit hineinreicht. Hochhuth erhebt in seinem Bühnenstück die Anschuldigung, dass der Papst angesichts des Holocausts aus eigenen wirtschaftlichen Interessen und aus Angst vor der Ausbreitung des Kommunismus „geschwiegen“ habe.
Obwohl es auch vor der Uraufführung des Stellvertreters 1963 bereits kritische Stimmen gegen das Verhalten Pius’ XII. während des Zweiten Weltkrieges, insbesondere zur Judenverfolgung und -vernichtung gegeben hatte, begann sich zu diesem Zeitpunkt auch das öffentliche Bild des Pacelli-Papstes zu wandeln. Waren sich noch unmittelbar nach dessen Tod 1958 nicht nur die Gläubigen „einig in ihrem Lob für die Lebensleistung Eugenio Pacellis“ , so waren die Anschuldigungen gegen Pius XII., auch von Seiten der Historiker, seit Hochhuths Stellvertreter doch gravierend. Diese Vorwürfe gegen den Papst richten sich auch schon gegen Pacellis Aktivitäten vor Beginn seines Pontifikates 1939. So habe Pacelli bereits als Kardinalstaatssekretär mit dem von ihm ausgehandelten Reichskonkordat 1933 für eine offizielle Anerkennung Adolf Hitlers und des nationalsozialistischen Regimes vor den Augen der Welt gesorgt. Um das Konkordat nicht zu gefährden, habe er sogar die Selbstauflösung der katholischen Zentrumspartei gefordert. Grundsätzlich soll der Papst totalitäre Regime eher befürwortet haben als liberal-demokratische Rechtsstaatensysteme.
Der immer wieder vorgebrachte Hauptvorwurf gegen Pius XII. ist der des „Schweigens“ zum Holocaust: Er habe trotz früher Kenntnis und zahlreicher Bitten aus aller Welt um einen öffentlichen Protest sich nicht gegen die nationalsozialistischen Verbrechen an den europäischen Juden ausgesprochen. Als Gründe hierfür werden entweder seine Deutschlandfreundlichkeit – aufgrund seiner langjährigen Amtszeit als Nuntius in Deutschland –, eigene antisemitische Ansichten, oder seine große Angst vor dem Kommunismus genannt, vor dem nur ein Pakt mit dem Nationalsozialismus die westliche Welt hätte schützen können. Die Vorwürfe sind somit politischer und moralischer Natur.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die ideologische Einstellung des Papstes
- 2.1. Die Haltung Pius' XII. gegenüber dem Kommunismus
- 2.2. Die Haltung Pius' XII. gegenüber dem Nationalsozialismus und dem Faschismus
- 2.2.1. Pius XII. und der italienische Faschismus
- 2.2.2. Pius XII. und der Nationalsozialismus
- 2.2.3. Pius XII. und der Antisemitismus
- 2.3. Die Haltung Pius' XII. gegenüber den liberal-demokratischen Rechtsstaatensystemen
- 3. Zwischenfazit
- 4. Das politische Verhalten des Papstes: Die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich
- 4.1. Das Reichskonkordat
- 4.2. Pius XII. und die Judenverfolgung
- 4.3. Politische Neutralität
- 4.4. Die Deportation in Rom
- 4.5. Hilfeleistungen für Juden in anderen europäischen Ländern
- 4.6. Das Verhalten des Papstes im Angesicht des Holocausts
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit untersucht die Kirchenpolitik und das ethisch-moralische Handeln von Papst Pius XII. (Eugenio Pacelli) im Kontext der weltanschaulichen Konflikte des 20. Jahrhunderts. Sie analysiert seine Haltung gegenüber dem Kommunismus, dem Nationalsozialismus und dem Faschismus sowie liberal-demokratischen Systemen. Ein zentraler Punkt ist die Bewertung von Pius' XII. Handeln während des Holocausts und die Kontroverse um sein "Schweigen".
- Pius XII.'s ideologische Positionen gegenüber verschiedenen politischen Systemen
- Die Rolle des Vatikans im Verhältnis zum nationalsozialistischen Deutschland
- Die Bewertung von Pius XII.'s Reaktion auf die Judenverfolgung
- Analyse der Kritik an Pius XII. im Kontext von Rolf Hochhuths "Stellvertreter"
- Die unterschiedlichen historischen Interpretationen des Papstes Handeln
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die kontroverse Figur Papst Pius XII. vor. Sie beschreibt die Entstehung der Debatte um sein Handeln während des Holocausts, insbesondere im Lichte von Rolf Hochhuths Schauspiel "Der Stellvertreter", welches den Papst des Schweigens im Angesicht der Verbrechen der Nazis beschuldigt. Die Einleitung skizziert die gegensätzlichen Standpunkte zur Bewertung von Pius XII.'s Entscheidungen und Aktionen während des Zweiten Weltkriegs und kündigt die Forschungsfragen der Arbeit an.
2. Die ideologische Einstellung des Papstes: Dieses Kapitel analysiert die ideologischen Einstellungen Pius XII. gegenüber verschiedenen politischen Ideologien. Es untersucht seine Haltung zum Kommunismus, seine Beziehung zum italienischen Faschismus und Nationalsozialismus, mit detaillierter Betrachtung seiner Rolle beim Reichskonkordat von 1933, und schließlich seine Sicht auf liberal-demokratische Systeme. Die Kapitel beleuchtet die komplexen Beziehungen und das Spannungsfeld, in dem sich Pius XII. bewegte und die verschiedenen politischen und ideologischen Einflüsse auf seine Entscheidungen.
4. Das politische Verhalten des Papstes: Die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die politischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich während des Pontifikats von Pius XII. Es untersucht das Reichskonkordat von 1933 und seine Folgen, die Reaktion des Papstes auf die Judenverfolgung, seine politische Neutralität und die Maßnahmen des Vatikans zur Unterstützung von Juden in verschiedenen europäischen Ländern. Das Kapitel analysiert insbesondere das Verhalten des Papstes im Angesicht des Holocausts, wobei verschiedene Interpretationen und Kontroversen berücksichtigt werden. Es beleuchtet die schwierige Situation des Papstes zwischen dem Wunsch nach Hilfe für die Opfer und der Notwendigkeit, die politische Situation einzuschätzen. Die Diskussion der unterschiedlichen Perspektiven auf Pius XII. Handeln bietet einen umfassenden Überblick über die Kontroverse.
Schlüsselwörter
Pius XII., Eugenio Pacelli, Holocaust, Reichskonkordat, Nationalsozialismus, Faschismus, Kommunismus, Antisemitismus, Kirchenpolitik, Politische Neutralität, Zweiter Weltkrieg, Historische Debatte, "Der Stellvertreter", Schweigend, Judenverfolgung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Masterarbeit über Papst Pius XII.
Was ist der Gegenstand dieser Masterarbeit?
Die Masterarbeit untersucht die Kirchenpolitik und das ethisch-moralische Handeln von Papst Pius XII. (Eugenio Pacelli) während des 20. Jahrhunderts, insbesondere im Kontext des Holocausts und seiner Beziehungen zu verschiedenen politischen Systemen (Kommunismus, Nationalsozialismus, Faschismus und liberal-demokratische Systeme).
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit analysiert Pius XII.'s ideologische Positionen, die Rolle des Vatikans im Verhältnis zum nationalsozialistischen Deutschland, seine Reaktion auf die Judenverfolgung, die Kritik an ihm im Kontext von Rolf Hochhuths "Stellvertreter" und die unterschiedlichen historischen Interpretationen seines Handelns. Schwerpunkte sind das Reichskonkordat, die Judenverfolgung in Rom und die Hilfsmassnahmen für Juden in anderen europäischen Ländern.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur ideologischen Einstellung Pius XII. gegenüber verschiedenen politischen Systemen (Kommunismus, Nationalsozialismus, Faschismus und liberal-demokratische Systeme), ein Zwischenfazit, ein Kapitel zum politischen Verhalten des Papstes und seinen Beziehungen zum Deutschen Reich (einschließlich Reichskonkordat, Judenverfolgung und dem Verhalten des Papstes während des Holocausts), und ein Fazit.
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, Pius XII.'s Handeln während des Holocausts und die Kontroverse um sein vermeintliches "Schweigen" zu bewerten und die komplexen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich zu analysieren. Sie untersucht die ideologischen Grundlagen seiner Entscheidungen und die unterschiedlichen historischen Interpretationen seines Verhaltens.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Frage nach den genauen Quellen wird im Dokument nicht explizit beantwortet. Es wird jedoch auf Rolf Hochhuths Schauspiel "Der Stellvertreter" und die damit verbundene Debatte Bezug genommen, was auf die Nutzung historischer Dokumente und Literatur zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs und des Papsttums hindeutet.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Pius XII., Eugenio Pacelli, Holocaust, Reichskonkordat, Nationalsozialismus, Faschismus, Kommunismus, Antisemitismus, Kirchenpolitik, Politische Neutralität, Zweiter Weltkrieg, Historische Debatte, "Der Stellvertreter", Schweigen, Judenverfolgung.
Wie wird die Kontroverse um Pius XII. behandelt?
Die Arbeit beleuchtet die gegensätzlichen Standpunkte zur Bewertung von Pius XII.'s Handeln während des Zweiten Weltkriegs und die damit verbundene historische Debatte. Sie berücksichtigt die Kritik an ihm, insbesondere im Kontext von Rolf Hochhuths "Stellvertreter", und analysiert die unterschiedlichen Interpretationen seines Verhaltens im Angesicht des Holocausts.
Welche Rolle spielte das Reichskonkordat?
Das Reichskonkordat von 1933 und seine Folgen werden als zentraler Aspekt der Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich analysiert und im Kontext der Judenverfolgung und des politischen Verhaltens Pius XII. bewertet.
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- Anna Lena Krumme (Author), 2011, Pius XII. - Kirchenpolitik und ethisch-moralisches Handeln des Pacelli-Papstes im Spannungsfeld weltanschaulicher Gegensätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172512