Kleopatra VII - Herrscherin zwischen zwei Welten

Herrschaftsethos und Machtpolitik der Ptolemäerkönigin


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2003

81 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Dynastie der Ptolemäer
1.1 PtolemaiosXII: Ägypten im Würgegriff Roms
1.2 Kult und Religion der Ptolemäer
1.3 Kult und Religion Ptolemaios XII

2. Kleopatra: Herrscherin zwischen zwei Welten
2.1 Äußere Erscheinung und Kleidung
2.2 Herkunft und Erlangung der Macht
2.3 Caesar in Ägypten
2.4 Caesar und Kleopatra in Rom

3. Kleopatras Regiment am Nil
3.1 Verwaltung und Administration
3.2 Neue Macht in Rom
3.3 Kleopatra und Antonius
3.4 Kleopatras Reichsausdehnung
3.5 Der Partherkrieg
3.6 Die Einbeziehung des Antonius in Kleopatras’ Herrschaft und Kult S.51
3.6.1 Der Isiskult

4. Kleopatras Rolle im Kampf um die Macht in Rom
4.1 Kleopatra in der Erlöserliteratur
4.2 Die Feindin Roms
4.3 Die Schlacht von Actium

Zusammenfassung

Literatur

Einleitung

Kleopatra ist sicherlich eine der schillernsten und vor allem bekanntesten Persönlichkeiten der antiken Welt. Diese Bekanntheit begründet sich zumeist auf ihre Rolle als Liebhaberin Julius Caesars. Die Relevanz dieser Rolle darf hingegen tatsächlich nicht unterschätzt werden, da, wie wir später sehen werden, sie ein Teil des politischen und religiösen Konzepts der Königin darstellte. Schwerpunkt dieser Arbeit wird hingegen sein festzustellen, wie Kleopatra es 21 Jahre lang schaffte die Geschicke eines Landes als griechischer Fremdherrscher in einer von Rom bedrohten Welt zu leiten. Der Rahmen dieser Arbeit ist zunächst biographisch-chronologisch, da Darstellungsstile, und Handlungen Kleopatras auch bezüglich ihrer pragmatischen Situationskomponente betrachtet werden sollen. In dieses chronologische Gerüst werden dann Kapitel eingeflochten, die sich mit Darstellungen Kleopatras auf Münzen, Büsten, Statuen sowie mit ihren kulturellen und religiösen Zielen und Handlungen beschäftigen. Der erste Teil dieser Arbeit wird sich mit der Dynastie der Ptolelemäer beschäftigen. Fast drei Jahrhunderte lang herrschte dieses Geschlecht als nicht autochthone, griechische Dynastie über Ägypten. Ihr Regiment zielte jedoch nicht auf die Aufoktroyierung einer für Ägypter fremden Kultur und eines fremden Glaubens. Sie nahmen selbst den Herrschafts- und religiösen Kult der Könige Ägyptens an und stellten sich somit in deren Tradition. Auch hinsichtlich der Anhäufung von Reichtümern für die eigene Dynastie waren sie nicht nur den ägyptischen Königen ähnlich, sie nutzten die Jahrtausende alten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationsstrukturen des Landes und perfektionierten sie in technischer und bürokratischer Hinsicht. Auf dieser Basis erbte Kleopatra ein Reich, welches den Zenith seiner Macht und Ausdehnung jedoch bereits überschritten hatte. In den Darstellungen zum einen über die Ereignisse während des Regiments der Ptolemäer, zum anderen über deren religiöse Handlungen und Konzepte wird der Vater Kleopatras, Ptolemaios XII ‚Auletes’ jeweils gesondert behandelt. Diese Vorgehensweise soll sowohl den zeitlich engeren als auch weiteren Sozialisationsrahmen Kleopatras verdeutlichen. Das Hauptkapitel über die Königin selbst ist nach einer kurzen Einleitung, die uns mit ihrer Erscheinung bekannt machen soll, biographisch nach Lebensabschnitten unterteilt. Schwerpunkte der Betrachtung werden politische und religiöse Konzepte der Königin sein, die Verflechtung zweier kultureller Traditionen, der Kampf um den Erhalt der eigenen Dynastie. In einem Zwischenkapitel werde ich das für Kleopatras Konzept entscheidende propagandistische Mittel, den Isiskult näher betrachten. Als Quellen dienten antike Autoren, Münzprägungen, bildhauerische Zeugnisse und Michael Grants Biographie “Kleopatra“, die noch heute die umfassendste Darstellung des Lebens der Königin ist.

1. Die Dynastie der Ptolemäer

Im Jahre 332 v. Chr. unterwarf Alexander der Große ganz Ägypten und gründete die Stadt Alexandria, die nur kurze Zeit später zu einem Zentrum des griechischen Handels und der griechischen Kultur wurde. Nach seinen Eroberungen verstarb Alexander plötzlich im Jahre 323 und einer seiner Feldherren erkannte, dass eine zentralistische Organisation für Alexanders Eroberungen nicht existierte, die deren Erhalt hätte garantieren können. Der Feldherr mit dem Namen Ptolemaios (später I.) erhandelte sich vom Reichsverweser der alexandrinischen Besitzungen das Land Ägypten. Während seiner Feldzüge war Alexander an der Oase von Siwah vorbeigezogen, die das Ammon-Orakel beherbergte. Ein Priester des Orakels hatte Alexander als ‚Sohn des Amun-Re’ begrüßt und somit dem König eine große Ehre erwiesen.[1] Um seine Autorität zu betonen brachte Ptolemaios den Leichnam Alexanders nach Alexandria, wo er bestattet wurde. Unter den ersten drei ptolemäischen Königen fand eine extensive merkantile Nutzung des Landes statt, indem die Könige ihre Macht zur persönlichen Bereicherung des Herrschergeschlechts einsetzten. Die jährliche Nilflut bescherte Ägypten große Fruchtbarkeit, welche die Ptolemäer durch den Neubau von Bewässerungssystemen, die den Schlamm in größere Entfernung vom Ufer leiten sollten, noch erhöhten. Durch neue Agrartechniken wie dem Eisenpflug, der im übrigen für Ägypten den Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit initiierte, konnte die Produktivität ebenfalls gesteigert werden. Das Land der Bauern war Königsland, für das sie Steuern zu entrichten hatten, so erntete der König an jedem Feld mit. Der Handel mit Getreide verlief über Alexandria, Rhodos und Delos und die Ptolemäer konnten es zu konkurrenzlos niedrigen Preisen auf den Weltmarkt bringen.[2] Neben diesem Wirtschaftszweig machten sich das Herrschergeschlecht insbesondere die ägyptische Erfahrung im Kunsthandwerk zu Nutze. Aus dem Süden, über die Handelsniederlassung Ptolemaios Hermiou, wurden Rohstoffe wie Edelmetalle und Edelsteine nach Ägypten importiert, dort verarbeitet und dann in den ägäischen Raum exportiert.[3] Nach eigenen Aussagen bezog Caesar aus Gallien 40.000.000 Sesterzen Steuern, zu Zeiten Ptolemaios’ XII wurden zwischen 12.500 und 14.000 Talente Steuern erwirtschaftet, was dem Wechselkurs entsprechend etwa dem Achtfachen entsprach.[4] Außerdem verfügten die Ptolemäer über ein umfangreiches Handelsmonopol wodurch nahezu jeder Gebrauchsgegenstand in königlichen Werkstätten oder in Lizenz hergestellt wurde. Der von der Krone erwirtschaftete Gewinn belief sich dabei zwischen 70 und 300 %. Die nationale Wirtschaft wurde zur Preiskontrolle von anderen hellenistischen Ländern isoliert indem aus dem Ausland importiertes Geld mit Zöllen belegt und ausländische Münzen umgeprägt wurden.[5] Unter diesen Voraussetzungen entwickelte sich Alexandria als Handelsmetropole in der sich eine multikulturelle Gesellschaft bildete. Die starke Regentschaft der Ptolemäer schützte das Land vor feindlichen Übergriffen und die Religion der Ägypter wurde akzeptiert. Militärisch war Ägypten seit der 21. Dynastie auf Söldnerarmeen angewiesen[6], ein Umstand, der im östlichen politischen Kontext praktikabel war, gegen Rom jedoch verhängnisvoll werden sollte. Eine Beteiligung an der Macht und dem Reichtum des Landes blieb Ägyptern verwehrt. Für Ägypter war es ausgeschlossen für den eigenen Profit zu arbeiten und ihr Steueraufkommen war wesentlich höher als das der griechischen Bevölkerung. Diese politische und wirtschaftliche Dominanz führten zu einer politischen Isolation der herrschenden Klasse. Diese Isolation erkannte Ptolemaios IV Philopator (221-205 v.Chr.), der sich zusätzlich mit Problemen im Außenhandel und einer steigenden Inflation konfrontiert sah. Aus diesem Grunde sah sich der Herrscher veranlasst die Ägypter um Kooperation zu bitten. Nach dem militärischen Sieg über den Seleukidenkönig Antiochus III erwachte das ägyptische Selbstbewusstsein und Thebais (Oberägypten) wurde zur Brutstätte eines pharaonisch-nationalistischen Aufstands, der erst durch grausame Repressalien Ptolemaios V Epiphanes (205-180) beendet werden konnte. Der Verlust einiger königlicher Besitzungen, die für den Außenhandel von großer Bedeutung waren, an die Seleukiden brachte Ägypten in noch größere Schwierigkeiten. In den Jahren 174-173 kam es zu einer katastrophalen Inflation. Viele Arbeiter begannen zu streiken, flohen von den Feldern in die Tempel oder gingen in den Untergrund. Antiochus von Syrien eroberte Ägypten 170 v. Chr., beließ Ptolemaios VI Philometor (180-145) jedoch an der Macht, da dieser die Römer nicht auf den Plan rufen wollte, die bereits 197 die Gebiete Philips V von Makedonien erobert hatten und ihn 190 v. Chr. bei seinem Versuch, seinen Machtbereich nach Griechenland auszudehnen, in der Schlacht von Magnesia vernichtend geschlagen hatten. Als Antiochus 168 nochmals in Ägypten einmarschierte sahen die Römer nicht mehr tatenlos zu und der römische Senat verfügte den sofortigen Abzug der Truppen. Von diesem Zeitpunkt an hatten die Ptolemäer nicht nur ihr Imperium verloren, sondern verdankten das Weiterbestehen ihres Königreiches dem römischen Senat. Den Bruderstreit zwischen Ptolemaios und Physkon nutzten die Römer indem sie die Teilung des Reiches verfügten. In seinem Testament verfügte Ptolemaios, dass die Römer im Falle eines Angriffs das Reich schützen sollten. Nach diversen dynastischen Zwistigkeiten gelang es Ptolemaios VIII Eurgetes (145-116) nochmals das Reich zu einigen, ohne dass der römische Senat Einspruch erhob. Nach seinem Tode wurde das Reich hingegen wieder zerstückelt. Ptolemaios IX (89-80) konnte wiederum alle Gebiete bis auf Cyrenaica, welches an die Römer fiel, unter seine Kontrolle bringen. Er verweigerte, erstarkt an der Macht und wohl in Hoffnung auf Souveränität, den Römern Hilfe bei ihrem Kampf gegen den abtrünnigen General Sulla. Ptolemaios XI Alexander II war von Sulla in seinem Kampf gegen Mithridates, den König von Pontus, gerettet und nach Rom gebracht worden. Auch auf Wunsch der Römer war Ptolemaios nach Ägypten zurückgekehrt um dort das Königsamt anzutreten. Er ermordete die regierende Berenike III und zog sich damit den Unwillen des Volkes zu und wurde selbst vom Pöbel ermordet. Da Ptolemaios XI selbst keine Kinder hinterließ suchten die Römer nach einer Alternative und fanden diese in einem illegitimen Sohn des Ptolemaios IX, Ptolemaios XII der später unter dem Namen Ptolemaios Theos Philopator Neos Dionysos oder Auletes („der Flötenspieler“) genannt wurde.

1.1 Ptolemaios XII: Ägypten im Würgegriff Roms

Seit den römischen Eroberungen im westlichen Mittelmeerraum (3./2. Jh.) rückte auch Ägypten in das Interesse römischer Außenpolitik. Trotz einer Mehrheit im Senat, zu dar auch Cicero zählte, die gegen eine Annektierung Ägyptens war, war ein Teil der Senatoren, die sog. populares, zu denen auch Pompeius zählte, für diese Idee. Während Pompeius die wirtschaftlichen Ressourcen als Segen für Rom empfand steckte für Cicero vielleicht im Segen der Fluch einer völlig unkontrollierten Ausbeutung des Landes und somit mangelnde Kontrolle über die Nutznießer dieser Situation. Nach der Annektierung der Levante durch Pompeius verbesserten sich jedoch die Chancen für dessen Plan. Pompeius wandte sich anschließend Judäa zu und machte dieses zur römischen Provinz. Während des Feldzuges richtete Auletes dem Feldherrn ein opulentes Gastmahl in Alexandria aus und stellte ihm 8000 Reiter an der Grenze zu Judäa zur Verfügung. Auletes erhoffte sich dadurch nicht selbst Opfer römischer Provinzialpolitik zu werden. Im Jahre 59 v. Chr. floh Ptolemaios XII vor Unruhen im eigenen Land nach Rom um sich dort die Anerkennung seiner Herrschaft über Ägypten gegen Zahlung von 6000 Talenten an Caesar und Pompeius zu erkaufen. Rom verzichtete daher formal auf die Annektierung Ägyptens, kam dem Wunsch des Königs nach und bezeichnete ihn als „Freund und Bundesgenossen des römischen Volkes“[7]. Einziger Grund diesem Wunsch zuzustimmen dürfte gewesen sein, die politische Situation in Ägypten stabil zu halten, um wiederum keine Begehrlichkeiten nach den Reichtümern des Landes im römischen Machtapparat zu wecken. Kleopatra, die wahrscheinlich ihren Vater begleitete, wird bei dieser Reise zum einen den Tempel der Fortuna, zum anderen die Isisgemeinde in Rom kennengelernt haben. Fortuna wurde als Isis Navigans verehrt und in ihrem Tempel gab es einen Altar für die ägyptische Göttin.[8] Auf die Geschichte der Isisverehrung in Rom werde ich an späterer Stelle eingehen. Die Demütigung des Ptolemäergeschlechts wurde fortgesetzt. Ptolemaios von Zypern, Bruder des Auletes wurde zu Unrecht angeklagt Piraten, die in seinen Gewässern ihr Unwesen trieben, zu unterstützen. Als Rom ihm als Ersatz für sein Amt das eines Hohepriesters anbot nahm er sich das Leben. Auletes sah sich gezwungen die Bestechungssumme durch erhöhte Steueraufkommen zu refinanzieren, kombiniert mit seiner unterlassenen Hilfeleistung für seinen Bruder ergab dies eine Verschlechterung seines Rufes bei der Bevölkerung und seinen Untergebenen. Wiederum sah sich Auletes mit Unruhen im Land konfrontiert und wiederum ersuchte er 57 v. Chr. in Rom persönlich Hilfe. In Ägypten wähnte man sich des unbeliebten Herrschers befreit und setzte die älteste Tochter des Auletes, Kleopatra VI, als Königin ein. Als Ptolemaios in Rom weilte kam dort eine ägyptische Abordnung an um ihre Klagen über den König dem Senat vorzutragen. Die Klagen über seine Regentschaft wehrte Ptolemaios mit Morden an seinen Widersachern ab. Für seine Hilfe verlangte das Triumvirat nochmals 10.000 Talente, was ungefähr den Steuereinnahmen Ägyptens im Zeitraum eines Jahres entsprach.[9] Auf seiner Rückkehr nach Rom machten Auletes und seine Tochter einen Zwischenstopp in Ephesus um dort der Göttin Artemis zu opfern. In Ägypten galt Artemis Eileithya Lochia, wie Isis, als Beschützerin der Geburt und von einer zunehmenden Verschmelzung der Gottheiten kann ausgegangen werden.[10] Unter dem Kommando des Gabinius, einem Gefolgsmann des Pompeius, drangen die Römer über Pelusium nach Ägypten ein und verhalfen Ptolemaios zur erneuten Erlangung der Macht. Gabinius, vormals syrischer Gouverneur, hatte ein Söldnerheer bestehend aus Galliern und Germanen zusammengestellt, deren Kampfeskraft auch Caesar nicht verachtete. In seinem Werk über den Bürgerkrieg schrieb er in dem für ihn z. B. aus „Der Gallische Krieg“ bekannten Stil:

„Die Männer des Gabinius hatten sich an das lockere Leben in Alexandria gewöhnt. Sie hatten aufgehört, sich als Römer zu betrachten, hatten die Grundsätze der Disziplin vergessen, die beim römischen Volk gelten, hatten geheiratet, und die meisten hatten auch Kinder aus diesen Ehen. Zu ihnen waren Männer gestoßen, die man unter den Räubern und Piraten Syriens, der Provinz Kilikien und den benachbarten Provinzen angeworben hatte. Außerdem hatten sich vorbestrafte Verbrecher und Verbannte angeschlossen. Alle unsere entlaufenen Sklaven fanden sicheren Unterschlupf und ein gutes Auskommen, wenn sie sich als Söldner anwerben ließen. Wenn einer von ihnen von seinem Vorgesetzten festgenommen wurde, rotteten sich seine Kameraden zusammen, um ihn zu befreien, und widersetzten sich der Gewaltanwendung gegenüber einem der Ihren, weil es auch für sie selbst eine Bedrohung bedeutete, denn sie alle befanden sich in einer ähnlichen Lage. Diese Leute waren es gewohnt, die Hinrichtung von Favoriten des Königs zu verlangen, die Reichen auszuplündern, den Palast zu belagern, um höheren Sold zu verlangen, die Herrscher vom Thron zu stoßen, um andere darauf zu setzen, wie das nach alter Tradition von der Armee Alexanders überliefert ist.“[11]

Obgleich römische Truppen schien Caesar ihre Aufgabe und Zusammensetzung abstoßend zu finden. Politische Ränkespiele wie die des Ptolemaios waren dem Feldherrn zuwider und obgleich er selbst den Einsatz von nicht-römischen Hilfstruppen in eigenen Konflikten nutze, fand die Truppe, die diesem Herrscher folgte vor allem Verachtung. Seine Selbstdarstellung im „Gallischen Krieg“ ist geprägt von strenger Loyalität mit dem römischen Staat und ebensolcher Disziplin. Ptolemaios beseitigte nun, nach seiner Rückkehr, nach ptolemäischer Sitte auch seine Tochter Berenike. Dem römischen Kreditgeber des Ptolemaios, Rabirius, gelang es sich in der ägyptischen Verwaltung ein hohes Amt zu verschaffen, welches er natürlich dafür nutzte das von ihm verliehene Geld einzufordern. Rabirius und Gabinius mussten vor dem Zorn der Ägypter fliehen und wurden in Rom wegen finanzieller Verbrechen angeklagt. Gabinius musste ins Exil und Rabirius wurde freigesprochen. Auletes verstarb 51 v.Chr. und die Macht ging an seine Tochter Kleopatra VII und seinen Sohn Ptolemaios XIII über. Die politische Situation des Landes war katastrophal: Ägypten besaß keine überseeischen Provinzen mehr und der Preis den Ptolemaios für die Erhaltung seines Amtes gezahlt hatte war Ägypten selbst und eine römische Truppe von 10.000 Mann im eigenen Land.[12]

1.2. Kult und Religion der Ptolemäer

Ein Verständnis für das religiöse, kultische und künstlerische Leben unter der Herrschaft Kleopatras kann nur durch Kenntnis eben dieser Faktoren in den Zeiten ihrer dynastischen Ahnen erreicht werden. Die Ptolemäer akzeptierten und verehrten die Religion und Weisheit der Ägypter, wie aber definierten sie ihre eigene Identität und wie nutzten sie die Religion zur Legitimation ihrer Fremdherrschaft? Ptolemaios I hatte als Gründer der Dynastie wirtschaftliche Neuerungen eingeführt, religiöse Erneuerung hingegen gehörte nicht zu seinen Zielen. Es ist auch kaum vorstellbar, dass Ptolemaios die Beamten- und Priesterschaft, ohne die ein Funktionieren des Staates undenkbar gewesen wäre, davon hätte überzeugen können ihren Jahrtausende alten Glauben aufzugeben oder zu verändern.

Obgleich Alexandria unter den Ptolemäern zur Hauptstadt Ägyptens wurde, blieb Memphis, die Hauptstadt des Neuen Reiches, also der Dynastien vor den Ptolemäern und der 3. Zwischenzeit, Zentrum des kulturellen und religiösen Lebens des Landes. Aus diesem Grunde ist es interessant die Stadt Memphis unter ptolemäischer Herrschaft zu betrachten, da hier die Kultur der neuen Herrscher und die des Landes aufeinander stießen. Inwieweit eine Vermischung beider Kulturen stattfand und wie die Ptolemäer die traditionellen Verwaltungssysteme der Ägypter nutzen soll im Folgenden aufgezeigt werden.

Bereits die Lage der Stadt, 40 Km. südlich des Nildelta, dem Süden durch den Nil verbunden und auf direkter Karawanenroute zum Fayum und Siwah, zeigt ihre Bedeutung. In religiöser Hinsicht war Memphis dem Gott Ptah, dem Schöpfergott geweiht und die Schatzkammer des Ptah war die Schatzkammer des Landes. Der griechische Landesname Aigyptos geht gar aus einem der ägyptischen Namen für Memphis, nämlich Hekaptah („der Palast des Ka von Ptah“) hervor.[13] Die Einwohnerzahl von Memphis wird auf 140.000 bis 210.000 geschätzt.[14] Zur Versorgung der Bevölkerung verfügte die Stadt über große landwirtschaftliche Flächen und Tempel beherbergten Handwerker die mit der Verarbeitung jeglicher Güter beauftragt waren. Eine autarke Versorgung der Stadt war jedoch nicht möglich, der unter den Ptolemäern eingesetzte Beamte, der für die Versorgung der Stadt verantwortlich war musste den Zukauf von Lebensmitteln organisieren.[15] Auch in ptolemäischer Zeit blieb die große politische Rolle der Priester in Memphis erhalten. Ein Drittel der Stadt bestand aus Tempeln, deren Gemeinschaft nicht nur Priester angehörten, sondern auch viele Handwerker, die den Tempel und die Bevölkerung der Stadt mit Gütern versorgten. Die Aufgaben, die innerhalb des Tempels erledigt wurden waren jedoch nicht nur spiritueller und merkantiler, sondern auch verwaltungstechnischer und offizieller Natur. Ihnen kamen z. B. die Hütung der Maßeinheiten wie den „Steinen des Ptah“ zu und später auch die Überwachung der Reinheit von Silber als Zahlungsmittel. Auch der Verkauf von Souvenirs, medizinischen Dienstleistungen und Prostitution brachten dem Tempel Einnahmen und in Memphis war besonders die Mumifizierung heiliger Tiere und menschlicher Körper ein erheblicher Wirtschaftszweig. Ländereien die zuvor „heiliges Land“ und somit autonomes Gebiet der Tempel waren wurden unter den Ptolemäern zu Königsland und waren damit abgabenpflichtig.[16] Aufgrund seiner Abhängigkeit vom Außenhandel (Holz, Weihrauch, Gold) war Memphis für ausländische Händler ein sehr geeigneter Stützpunkt. Die Phönizier hatten bereits zu Reisezeiten Herodots im 5. Jh. v. Chr. ihr eigenes Quartier und bereits im 6. Jahrhundert hatten sich Ionier und Karier angesiedelt.[17] Die Phönizier verehrten die Göttin Astarte, die sie in Memphis mit dem Abbild der Göttin Isis identifizierten. Des Weiteren verehrten sie den Gott Horus als Schützergott. Durch universelle Götterdarstellungen und Riten, die auch in anderen Kulturkreisen verbreitet waren (Stier, Sonne), gelang es Immigranten sehr schnell die ägyptische Religion nachzuvollziehen oder aber ihre ursprüngliche Religion weiter auszuüben.[18] Als Beispiel dieses Synkretismus (Vermischung unterschiedlicher Lehren; Anm. d. Verf.) gilt ein Basrelief aus Memphis aus der frühptolemäischen Zeit auf dem die Göttin Isis-Hathor dargestellt ist. Während die Göttin mit allen ägyptischen Götterattributen ausgestattet ist, (Sonnenscheibe, Geißel und Krummstab) sind die Priester eindeutig in phönizisch-syrischer Tradition mit Bärten dargestellt. Die Hellenomemphiten, die von ionischen Söldnern abstammten, die seit dem 6. Jh. in Memphis siedelten, wurden bis in das 4. Jh. in die ägyptische Gesellschaft integriert. Sie waren Anhänger des Apis-Kultes und unterhielten außerdem ein Hellenion in dem der Gott Zeus Basileus verehrt wurde. Die semitische Bevölkerung der Stadt verehrte Mithras, Aphrodite/Astarte, den Götterboten Hermes den sie mit dem ägyptischen Gott der Schrift Thot identifizierten und Sachmet.[19]

Alexander besuchte nach seiner Eroberung im Jahre 332 zunächst die religiöse Metropole Heliopolis, Sitz des Sonnengottes, dessen Verehrung auch im vorexilischen Israel bezeugt ist, und brachte dem dortigen Abbild des Apis Opfer dar. Anschließend reiste er nach Memphis um der Inkarnation des Apis zu huldigen. Offenbar kundig von der Macht der Religion in Ägypten suchte er die Aussöhnung zwischen den religiösen Führern des Landes und den neuen politischen Machthabern.[20]

Ptolemaios I regierte zunächst von Memphis aus, verlagerte dann aber seinen Regierungssitz nach Alexandria. Der Herrscher überließ zunächst den Tempeln ihr Land und gab sogar solches zurück, welches der persische König zuvor konfisziert hatte. Kult und Religion blieben ebenfalls ohne Ausnahme in der Macht der Tempel, welche jedoch eine jährliche Steuer zu entrichten hatten. Die Organisation der Priesterschaft blieb bis zu Ptolemaios III traditionell ägyptisch.

In einem Schrein des ptolemäischen Palastes in Memphis ließ Ptolemaios II seine Frau Arsinoe als Göttin verehren. Besonders von den Griechen wurde der neue Kult gut angenommen, was zahlreiche Tempelbauten und Privataltäre vor Häusern belegen. Die eigentliche Bestimmung, und dies stellt eine Neuerung unter den Fremdherrschern dar, war die Schaffung eines Kultes für die ägyptische Bevölkerung. Nach einem Dekret nach ihrem Tod im Jahre 270 v. Chr., welches uns auf der Mendes-Stele überliefert ist, verfügte der König die Errichtung von Arsinoe-Statuen in Tempeln. Sie wurde symaos theos („beiwohnende Göttin“) genannt und in Tempeln neben den Lokalgottheiten aufgestellt. In Memphis wurde sie zur Gefährtin des Ptah und ihr Kult wurde durch eine spezielle Abgabe finanziell gesichert. Der König erhob seinen verstorbenen Vater zum „Rettenden Gott“Theos Soter und seine Eltern als Theoi Sotores. Mit Errichtung des Kultes der „Götter-Geschwister“ forderte er die göttliche Verehrung für sich und seine verstorbene Frau. Das mit diesem Kult im Zusammenhang stehende Fest Ptolemaia wurde jedes Jahr gefeiert und diente unter anderem der Demonstration der Macht und des Reichtums des Herrschers. Athenaios berichtete über das Fest des Jahres 271/70 und beschrieb die Gigantomanie des Ereignisses. Aus aller Welt kamen Zuschauer nach Alexandria. Die Parade wurde gebildet durch 6000 Menschen mit Festwagen und Bildern, 57.600 Fußsoldaten, 23.200 Reiter und 1600 Knaben die wertvolle Gegenstände aus der Schatzkammer des Königs trugen. Aus einem goldenen Mischkrug der 600 Liter fasste wurde Wein ausgeschenkt und es wurden 2000 Stiere geschlachtet.[21] Der Bau des Tempels für den Gott Serapis, dessen Kult wahrscheinlich auf die Initiative Ptolemaios I zurückgeht und dessen Züge sowohl die des Osiris als auch die des Zeus und Dionysos vereint, geht wahrscheinlich auf Ptolemaios II zurück. In diesem Serapeum führte eine sphingengesäumte Prachtstraße auf den Tempelkomplex zu, in dem der Falkengott Horus verehrt wurde. Links der Prachtstraße befand sich der Tempel des Königs Nektanebo II, des letzten autochthonen Königs der 30. Dynastie. Gegenüber dieses Tempels waren halbkreisförmig Statuen griechischer Gelehrter aufgebaut. Die Apisgruften auf der Tempelanlage waren gesäumt von griechischen und ägyptischen Gottheiten und Symbolen. Der synkretisch-chthonische Aspekt des Apis war Dionysos und so finden sich die dionysischen Figuren Pfau, Sirene, Panther und Kerberus an den Apisgruften. Das Serapeum war jedoch nicht nur Kultzentrum, sondern verfügte auch über eine Bibliothek in der neben Theaterstücken Menanders und Euripides demotische Moraltexte und religiöse Handbücher aufbewahrt wurden. Außerdem verfügte die Bibliothek über Übersetzungen ägyptischer Texte und eine Interpretation der Sage des Nektanebo, welche in der Tradition ägyptischer Volksweisen verfasst war. Im Serapeum verrichteten sowohl ägyptische als auch griechische Priester ihren Dienst, wobei sich ihre Arbeitswelten überschnitten. Es ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft des Tempels bilingual war.[22]

Ptolemaios III Euergetes fügte den vier in Memphis vertretenen Priesterklassen eine fünfte hinzu. Diese wurde beauftragt zum einen den Kult zu Ehren seiner Tochter Berenike sicherzustellen, zum anderen hatten sie die Aufgabe als Schreiber die staatlichen Tempelsubventionen (gr. syntaxis) und Steuerangelegenheiten zu kontrollieren.[23] Ptolemaios Euergetes versuchte also den Kult der Arsinoe durch den der Berenike zu ersetzen, die dann vereint wurde mit Tefnut, der Tochter des Ra/Helios. Ein weiterer Schritt war die Ernennung aller Priester zu Priestern der Theoi Euergetai, also zu Priestern des Königsgeschlechts.[24] Auch die Vergabe militärischer Ämter an Priester führte zu einer Verzahnung der ägyptischen Kultur mit der griechischen Verwaltung.[25] Der Bau von Tempeln in Memphis wurde unter der Regierung Ptolemaios III fortgesetzt. Bei seinen Feldzügen gegen Syrien, die 246 v. Chr. mit der Besetzung des Landes erfolgreich abgeschlossen wurden, erbeutete er zahlreiche Gegenstände die zuvor unter persischer Herrschaft aus ägyptischen Tempeln entfernt worden waren. Dieser führte er an ihre Ursprungsorte zurück und demonstrierte damit seine Verbundenheit zu Land und Religion.[26]

Ptolemaios IV fügte dem Ptah-Tempel einen östlichen Zugang hinzu. Die Priesterschaft des Ptah waren die Beschützer des Apis-Stieres und nahmen sich der 70 Tage dauernden Mumifizierung verstorbener Stiere an.[27] Dem thebanischen Aufstand während seiner Regierungszeit schloss sich die memphitische Bevölkerung nicht an. Ihre Priester blieben loyal gegenüber der ptolemäischen Macht und bevorzugten offenbar eine Einflussnahme von Innen.[28] Dass auch dieser König die Tempel in Memphis beschenkte zeigt die sog. Raphia-Stele, benannt nach dem Ort an dem Ptolemaios über den persischen König Antiochos siegte. Auf der dreisprachigen Stele steht der König in makedonischer Kriegskleidung, die Doppelkrone Ägyptens tragend im Angesicht der Götter Horus und Sachmet und vor ihm kniet der syrische König Antiochos. Der Triumphzug dieses Sieges fand ebenfalls in Memphis statt.[29] Unter Ptolemaios IV wurde der Königskult gefestigt und auch in Alexandria als Festtag begangen. Das in vielen Tempeln aufzustellende Bild war der König auf einem Pferd sitzend und die Feinde schlagend, wobei das „Schlagen der Feinde“ ein bekannter künstlerischer Topos ist. Es ist davon auszugehen, dass außer evtl. Berenike und Arsinoe keine weiteren ptolemäischen Herrscher oder Verwandte Einzug in das ägyptische Pantheon genommen haben, da sie meist nicht als opferempfangend sondern opferspendend dargestellt sind.[30]

Im Jahre 197 v. Chr. ließ Ptolemaios V Epiphanes sich im Ptah-Tempel zu Memphis nach ägyptischem Ritus zum König krönen. Verhandlungen zwischen der Priesterschaft von Memphis und den Vertretern des Königs im Zusammenhang mit der Revolte von Thebais (s.o.) endeten am 27.03.196 in einem Dekret. Dieses ist uns bekannt vom Stein von Rosette, der als Basis für die Entschlüsselung der Hieroglyphenschrift diente. Nach diesem Dekret empfängt der König die Götterwürde (Epiphanes Eucharistos) von den Priestern als Dank für die Unterwerfung der Rebellen. Der König drückte wiederum seinen Dank durch Schreindekorationen und dem Erlass der Steuerschuld aus den Jahren der Revolte aus. Der Herrscher erweiterte außerdem den Anubis-Tempel in Memphis und ließ eine Stele anbringen auf der er dem Gott huldigt. Auch in diesem Tempel befanden sich offizielle Institutionen wie z.B. ein Sitz der Polizei sowie der des örtlichen Gouverneurs. Wirtschaftliche Einrichtungen und Werkstätten von Handwerkern versorgten die Tempelgemeinschaft und betrieben Handel innerhalb der Tempelmauern.[31] Auf wessen Initiative die Einrichtung eines Königsschwurs als Garantieleistung zum Vertragsabschluss bei Geschäften eingeführt wurde ist nicht bekannt. Sicher ist, dass dies im 2. Jh. v. Chr. geschah und dass Personen, die gegen den Inhalt des Schwurs verstießen, mit Geldstrafen belegt wurden, die sie sowohl an den Geschädigten als auch an den König zu leisten hatten.[32]

Nach den in Kap. 1 beschriebenen Kronwirren der ptolemäischen Dynastie gegen Ende des 2. Jh. v. Chr. bestieg Ptolemaios X Alexander I den Thron. Er regierte ohne Notiz vom Apis-Kult zu nehmen weshalb die Apis-Stiere nicht mehr bestattet wurden. Erst nach der Rückkehr Ptolemaios IX Soters im Jahre 82 v. Chr. wurde die Bestattung der Tiere wieder vorgenommen. Als erster Ptolemäer beging dieser König auch das Sedfest, welches, belegt seit der I Dynastie, dem König nach dreißigjähriger Amtszeit körperliche Erneuerung verleihen sollte.[33]

1.3 Kult und Religion Ptolemaios XII

Ptolemaios XII ließ sich 76 v. Chr. nach ägyptischem Ritus vom Priester des Ptah in Memphis krönen und unterhielt enge Verbindungen zur Priesterschaft. Forscher sprechen besonders während seiner Amtszeit von einer Pharaonisierung der Ptolemäer. Der Herrscher mit dem Beinamen Auletes integrierte erstmalig den Namen Theos in seinen persönlichen Königstitel, wodurch der ägyptische und der Königskult vereint werden sollten. Die Priester erhofften sich von dieser Lösung garantierte Zahlungen von Syntaxis und der König konnte durch diese Zahlungen die Weiterführung seines Kultes gewährleisten. Auletes hielt besonders enge Beziehungen zu den memphitischen Priestern - der Priester des Ptah, mit Namen Hor wurde gar „persönlicher königlicher Prophet“. Neben diesen Bemühungen zu einer Annäherung zwischen griechischen und ägyptischen Riten und Religionsinhalten vollzog Auletes mit Hingabe den Glauben seiner griechischen Vorgänger. Schon sein Beiname verweist auf die musische Hingabe des Herrschers, er liebte es seine Musiker und TänzerInnen bei Festivitäten auf der Flöte zu begleiten, zumal die Flöte als Lieblingsinstrument der Göttin Isis galt. Für die disziplinverliebten Römer tanzte nur der Trunkene und selbst der griechische Philosoph Demetrios bezeichnete das Tanzen als eine der „abstoßendsten Gewohnheiten im königlichen Palast“.[34] Der Tanz, die Musik und der Wein dienten den Anhängern des dionysischen Kultes jedoch nicht nur der Zerstreuung sondern waren Bestandteil und Voraussetzung für Trance und Ekstase. Den Namen Neos Dionysos hatte sich Auletes 64/63 v. Chr. erwählt und er behauptete die Reinkarnation des römischen Bacchus oder Liber zu sein. Darstellen ließ er sich in seiner „göttlichen Rolle“ mit den Attributen des Kultstabes und einem efeuumrankten Fenchelstengel mit einem Tannenzapfen als Spitze. Neben dem Gott des Weines war Dionysos auch Gott überwältigender religiöser Emotionen, die den Anhängern Erlösung in der Ewigkeit des Todes versprachen. Als weibliche Gefolgschaft des Gottes galt Ariadne. Herrscher die sich innerhalb dieses Kultes verehren ließen, versuchten ihre Herrschaft aufgrund der dionysischen Tugenden wie Nächstenliebe, Großzügigkeit und Förderung der Kunst zu legitimieren. Schon die Ptolemaia Ptolemaios II war Dionysos geweiht. Die allumfassende Macht des Gottes stand im Zeichen der damals aktuellen religiösen Diskussion um einen einzigen Gott oder die Fähigkeit eines Gottes alle anderen in sich zu vereinen. Diese Diskussion wurde auch unter den Juden in Alexandria lebhaft geführt und ihr Ergebnis war die Septuaginta, die griechische Übersetzung hebräischer Bibeltexte mit dem Bekenntnis zu JHWH. Auch zur Unterstützung des politischen Programms einer Verschmelzung der Kulturen und der Schaffung einer neuen Identität wie unter den Ptolemäern konnte diese religiöse Deutung hilfreich sein. Die Ägypter identifizierten Dionysos mit Osiris. Auch Osiris war ein Wesen aus Fleisch und Blut (der inkarnierte Gott im König), der durch seine Gemahlin Isis (Ariadne) den Tod überwinden konnte. Auch diese Entwicklung des Osiris hatte eine lange Geschichte der Einbeziehung anderer Gottheiten in seine Gestalt. Eine Station dieser Verschmelzung war die mit der Gottheit Sokaris, die in Memphis bereits mit Ptah (s.o.) verbunden war. Dem Kult des Gottes gelang es sogar den Sonnengott Re aus den Nekropolen Ägyptens zu verdrängen.[35] Die Unsterblichkeit und Erneuerung des Lebens wurde ebenfalls in jährlich wiederkehrenden Festen gefeiert, deren Höhepunkt die religiöse Ekstase war. Die Wiedergeburt des Gottes war die Nilüberschwemmung, das ultimative Ereignis des Jahres in einem Land dessen Reichtum, Macht und Beständigkeit unzertrennlich mit seiner Lebensader verbunden war. Das Paar Osiris und Isis lieferte den Ptolemäern auch die religiöse Legitimation der Geschwisterehe, denn schließlich waren Osiris und Iris nicht nur Mann und Frau, sondern auch Bruder und Schwester als Erstgeborene des Gottes der Erde (Geb) und der Göttin des Himmels (Nut). Dass Bruder und Schwester vermählt wurden hatte in Ägypten Tradition seit frühester Pharaonenzeit. Politisch bewahrten diese Eheschließungen die Dynastie vor „verunreinigtem Blut“ und minderten die Zahl der Nachfolger. Diese Überlegungen machten sich auch die Ptolemäer zu Eigen, als erster Ptolemaios II der seine Schwester Arsinoe II ehelichte. Aus der Genetik ist bekannt, dass sich durch Inzucht die Chance der Vererbung sowohl von guten, als auch von schlechten Eigenschaften verdoppelt.[36] Ob Kleopatras moralische Bedenkenlosigkeit gegenüber dem Geschwistermord Resultat genetischer Disposition oder Sozialisation war möchte ich an dieser Stelle nicht beurteilen. In überdurchschnittlichen Gaben und Fähigkeiten sahen die Griechen Übermenschlichkeit und göttliches Wesen. Da Herrscher mit der Macht ausgestattet waren, Menschen ins Glück oder Verderben zu befördern, galt ihnen diese Macht als göttlich. Daher nutzten die ptolemäischen Könige Beinamen wie Epiphanes („der im lebenden König manifest gewordene Gott“), Neos Theos („der neue Gotte“), Soter („der Retter“) oder Euergetes („der Wohltäter“). Dieses Gottkönigtum hatte in Ägypten lange Tradition und wurde durch seine Verwendung Vorbild für die ganze griechische Welt.[37] Die schrittweise Entwicklung des Gottkönigtums im Ptolemäerreich haben wir im vergangenen Kapitel beobachtet. Während bei den Vorgängern des Auletes die Anrede „Unser Herr der König“ war, lautete die des Auletes „Unser Gott und Herr, der König“ und seine Töchter und Söhne wurden sogar zu Lebzeiten als Götter verehrt. Ziel dieses Kultes war es die Loyalität und patriotischen Gefühle der Untertanen zu stärken.[38] Dieses Ziel verfolgte er auch als er nach seiner Rückkehr aus dem Exil am 16. Juli 54, dem Tag des Sonnenaufgangs im Sternbild Sirius, dem Ereignis welches die Nilflut ankündigt, den Grundstein zum Hathor Tempel in Dendera legte.[39] Hathor galt, wie Isis, als Mutter des Horus. Gezielt stellte sich Ptolemaios hinter den ägyptischen Glauben und seine Priesterschaft.

2. Kleopatra: Herrscherin zwischen zwei Welten

2.1 Äußere Erscheinung und Kleidung

Kleopatras Herkunft aus dem Geschlecht der Ptolemäer ist eindeutig klar. Ihre Mutter war wahrscheinlich Ägypterin aus einer einflussreichen memphitischen Priesterfamilie. Einen Hinweis auf diese Abstammung bieten die jüdischen Sibyllen-Sprüche, wenn sie im Zusammenhang mit Kleopatras Untergang vom Untergang von Memphis und nicht vom Untergang Alexandrias berichten.[40] Nach Plutarch (Antonius 27.4) sprach Kleopatra als erster ptolemäischer Herrscher die Landessprache und außerdem Äthiopisch, Jüdisch, Arabisch, Medisch, Persisch und Parthisch. In den ersten 2 Jahrhunderten nach ihrem Tod sprach man ihr die Verfassung mehrerer wissenschaftlicher Werke über Maße und Gewichte, Alchemie, Gynäkologie und Philosophie zu. Plutarch (Antonius 27) beschrieb die Königin vom Nil wie folgt:

„Ihre Schönheit, so hören wir, war nicht so unvergleichlich, dass sie den, der die Königin erblickte, sofort in ihren Bann zog. Aber die Anmut, die sie ausstrahlte, war unwiderstehlich. Ihre Persönlichkeit und ihre Worte übten eine besondere Anziehungskraft aus, dazu gesellte sich eine Charakterstärke, die in all ihren Worten und Taten fühlbar wurde und der sich niemand, der ihr begegnete entziehen konnte.“[41]

Die einzigen Informationen bezüglich ihrer äußeren Erscheinung erhalten wir durch Münzportraits. Zu den frühesten Münzportraits Kleopatras gehören die auf einer alexandrinischen Münze aus dem Jahre 47/46 v. Chr. als Kleopatra 27 Jahre alt war. Das Portrait zeigt den Kopf der Königin im griechischen Stil, mit einem lebhaften Gesichtsausdruck und einer starken Hakennase. Sie trägt ein Stirnband aus Metall, welches am Hinterkopf zusammengebunden ist und welches dem Stirnband anderer Abbildungen von ptolemäischen Königinnen gleicht, die es wiederum vom Diadem Alexanders des Großen entlehnten und welches wahrscheinlich aus dem Dionysoskult übernommen wurde. Die Haare sind in drei kunstvollen Wellen gelegt, die dann am Hinterkopf zusammengefasst wurden, eine von damals zahllosen modernen Frisuren der oberen Gesellschaft Alexandrias, die aufgrund ihrer segmentierten Oberfläche von Ägyptologen als „Melonenfrisur“ bezeichnet wird. Ob die Haare echt waren ist hingegen nicht nachzuweisen. Das Tragen von Perücken war in Ägypten nicht nur Mode seit dem Mittleren Reich, sondern bot auch Schutz vor Läusen und anderem Ungeziefer. Doch waren Perücken offenbar auch in der westlichen Welt bekannt, da in einer Schrift des Maecenas ausdrücklich die echten Haare Octavias angesprochen wurden.[42] Eine marmorne Portraitbüste der Kleopatra, wahrscheinlich römischen Ursprungs, zeigt die Königin offenbar ebenfalls in ihrer Jugend, denn der Stil entspricht dem der Münzportraits aus Alexandria. Dieser eher schmeichelhaftere Stil betont weniger die Konturen ihrer Nase, wie dies bei jüngeren Portraits der Fall ist. Die leicht nach unten neigende Nase mit stark gebogenen Nasenlöchern weist Ähnlichkeiten mit den Münzportraits auf. Die Mundwinkel sind leicht hochgezogen, die Unterlippe ein wenig dicker als die Oberlippe. Im Gegensatz zu den Münzportraits ist das Stirnband der Königin breiter und sitzt weiter auf dem Kopf als an der Stirn.[43] Eine andere Portraitbüste zeigt Kleopatra im ägyptischen Stil. Sie trägt eine Perücke bestehend aus zwei Ebenen von Locken und archaisierende Schneckenhauslocken an der Stirn. Auf ihrem Kopf sitzt ein Diadem mit der dreifachen Uräus-Schlange. Ihre Augen sind geschminkt und an ihrem Hals sind sog. Venusringe erkennbar, die Dicklichkeit symbolisierten.[44] Zurückkommen möchte ich an dieser Stelle auf die mehrfache Darstellung der Schlange auf königlichen Diademen. Aus Darstellungen der Kopfbedeckung von Königen ist die einfache Darstellung der Uräus-Schlange bekannt. In der ägyptischen Mythologie war die Schlange, genauer gesagt die ägyptische Kobra, genannt Uräus, bekannt als „die Personifikation der Krone und als Erscheinungsform des feurigen Auges des Sonnengottes Re“, welche den König vor seinen Feinden schützt und Feuer speit.[45] Das früheste Beispiel der Doppelkobra finden wir bei einer Darstellung der Königin Teje (18. Dynastie), der Frau Amenophis III und Mutter Amenophis IV (Echnaton). Ob die Doppelschlange in ihrer Zeit ein Symbol für Ober- und Unterägypten war oder sonstigen symbolischen oder religiösen Gehalt hatte ist leider unbekannt. Ein weiteres Mal begegnet uns die Doppelschlange auf einer Darstellung der Meretamun, Tochter Ramses II (19. Dynastie). Hier ist hingegen klar, dass die doppelte Schlange Ober- und Unterägypten symbolisiert, da die Schlangen je eine der Doppelkrone trägt. Ebenso verhält es sich bei Statuen Arsinoes II und einen deutlichen Hinweis bietet die Inschrift auf dem Pfeiler einer Statue, die sich im Vatikanmuseum befindet:

[...]


[1] Lindsey, S. 6

[2] Clauss, S. 10

[3] Grant (A), S. 40

[4] Clauss, S. 10

[5] Grant (B), S, 58

[6] Walker/Higgs, S. 130

[7] Clauss, S. 19

[8] Walker/Higgs, S. 131

[9] vgl. Grant (A), S. 28

[10] Walker/Higgs, S. 132

[11] Caesar, Bürgerkrieg, S. 10

[12] Walter/Higgs, S. 14f

[13] Thompson, S. 3

[14] ebd., S. 34

[15] ebd., S. 42

[16] ebd., S. 77

[17] Thompson, S. 82ff

[18] ebd., S. 88ff

[19] ebd. S. 95ff

[20] ebd. S. 106

[21] Clauss, S. 11

[22] Thompson, S. 212ff

[23] ebd., S. 109

[24] ebd., S. 131

[25] ebd., S. 113

[26] ebd., S. 116

[27] ebd., S. 16/17

[28] Thompson, S. 108

[29] ebd., S. 117

[30] ebd., S. 135

[31] ebd., S. 25

[32] Thompson, S. 136

[33] UCL

[34] Grant (B), S. 38

[35] Posener, S. 189ff

[36] Grant (B), S. 46ff

[37] ebd., S. 39

[38] ebd., S. 41

[39] Walker/Higgs, S. 130

[40] Clauss, S. 16

[41] Grant (B), S. 96

[42] Grant (B), S. 98

[43] Walter/Higgs, S. 220

[44] ebd., S. 164

[45] Posener, S. 285

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Kleopatra VII - Herrscherin zwischen zwei Welten
Untertitel
Herrschaftsethos und Machtpolitik der Ptolemäerkönigin
Autor
Jahr
2003
Seiten
81
Katalognummer
V172629
ISBN (eBook)
9783640926046
ISBN (Buch)
9783640925919
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kleopatra, Ptolemäer, Ptolemaios, Auletes, Julius Caesar, Caesar, Antonius, Augustus, Octavian, Markus Antonius, Marc Anton, Ägypten, Neues Reich, Rom, Flotte, Schlacht, Actium, Aktium, Horus, Isis, Osiris, Glaube, Religion, ägyptisch, hellenistisch, Hellenen, Griechen, Griechenland, Götter, Ptolemäus, Macht, Antike, Dynastie, Reich, Parther, Ethos, Herrschaft, Herrschaftsethos, Kult
Arbeit zitieren
MA Guido Maiwald (Autor:in), 2003, Kleopatra VII - Herrscherin zwischen zwei Welten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172629

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