Rainer Maria Rilke ist einer der bedeutendsten deutschen Lyriker die im beginnenden 20. Jahrhundert gewirkt hatten. Zu Beginn seiner Arbeit dichtete er im „Stil des dekadenten fin de siècle von stimmungsvoller, konturloser Sehnsucht und Schwermut“1 und beschäftigte sich später vor allem mit den Dingen, die mit völliger Hingabe und Offenlegung des lyrischen Ichs präzise und „objektiv-gestalthaft“2 erfasst werden. Besonders geprägt worden ist er von der
„dämmernden Zwielichtigkeit [seiner] Prager Heimat, dem Erlebnis Rußlands und der melod[ischen] Weichheit der slaw[ischen] Sprachen, vom franz[ösischen] Symbolismus und der Formstrenge der bild[hauerischen] Kunst bes[onders] Rodins“3 (Ergänz.d.d.Verf.).
In der vorliegenden Arbeit soll der Fragmentbegriff in dem Sonett Archaischer Torso Apollos behandelt werden. Dieses Dinggedicht entstand im Frühsommer 1908 und leitet den Anderen Teil der Neuen Gedichte zusammen mit seinem Gegenstück Früher Apollo ein. Das Sonett ist in der Forschungsliteratur äußerst exemplarisch analysiert und interpretiert worden, unter anderem im Bezug auf Ästhetik der Individualität4, Produktions- und Wirkungsästhetik5, Verwirklichung von Bezügen zwischen Bildhauerei und Dichtung innerhalb einer literarischen Produktion6 und auch bezüglich des Fragmentbegriffes und der Vervollkommnung durch Fragmentierung7. Auf diese Thematik möchte ich besonders eingehen und das Fragment in seinem poetischen Dasein bei Rilke beleuchten. Dafür werde ich die Position des Dinggedichtes innerhalb der Forschung festlegen und den Archaischen Torso Apollos als solches beispielhaft betrachten. Mein Anliegen ist es, den Fragmentbegriff zu erweitern und dessen Funktion über die Fragmenthaftigkeit hinaus zu tragen.
Inhaltsverzeichnis
- Neue Bereiche des Sagbaren im Dinggedicht
- Definition des Dinges
- Das Dinggedicht bei Rilke
- Die Fragmentierung in Archaischer Torso Apollos
- Fragmentbegriff und Funktion des Fragments
- Neudefinierung des Begriffes
- Der,post-fragmentierte Torso
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Fragmentbegriff im Sonett „Archaischer Torso Apollos“ von Rainer Maria Rilke, um die Bedeutung und Funktion der Fragmentierung in Rilkes Werk zu beleuchten. Dabei wird besonders auf die Rolle des Fragmentes als poetisches Element und dessen Einfluss auf die ästhetische Gestaltung des Gedichtes eingegangen.
- Die Rolle des Dinggedichtes in Rilkes Werk
- Die Funktion des Fragmentes in der Literatur um 1900
- Die Neudefinierung des Fragmentbegriffs im 20. Jahrhundert
- Die Verbindung von ästhetischer Form und inhaltlicher Aussage
- Die Bedeutung des "Kunst-Dings" in Rilkes Dichtung
Zusammenfassung der Kapitel
Neue Bereiche des Sagbaren im Dinggedicht
Dieses Kapitel erläutert den Begriff des Dinggedichtes bei Rilke und stellt die Bedeutung der Dinge in seiner Dichtung dar. Es wird gezeigt, wie Rilke die Wirklichkeit in seinen Gedichten als "Kunst-Ding" erfasst und wie er den Blick auf die Welt von einer symbolischen Ebene auf die konkrete, dingliche Ebene verlagert.
Die Fragmentierung in Archaischer Torso Apollos
Dieses Kapitel fokussiert auf den Fragmentbegriff im Sonett „Archaischer Torso Apollos“. Der Begriff des Fragmentes wird in seiner Bedeutung und Funktion im Gedicht analysiert. Es wird untersucht, wie der Torso als Fragment des antiken Apoll die Aufmerksamkeit auf den Verlust, die Vergänglichkeit und die neu gewonnene Bedeutung des Restes lenkt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die folgenden Schlüsselbegriffe: Dinggedicht, Fragment, Rilke, Archaischer Torso Apollos, "Kunst-Ding", Ästhetik, Individualität, Verwirklichung, Entwirklichung, Poetologie, Decadénce, Imaginismus.
- Arbeit zitieren
- Jana Spiegelhauer (Autor:in), 2011, Die Neudefinierung des fragmentarischen Dinges in Rilkes "Archaischer Torso Apollos", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172645