Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung..S.
II. Das Rätsel der Bilder - Velázquez und Goya
Die Leinwand
Der Spiegel
Der Betrachter
III. Das Selbstporträt des Künstlers
Velázquez
Goya
IV. Fazit
V. Literaturverzeichnis
Einleitung
Die vorliegende Arbeit wird sich mit zwei Werken der spanischen Kunstbeschäftigen. Grundlage ist Las Meninas aus dem Jahr 1656 von Diego de Silvas y Velázquez (Museo del Prado, Madrid).Dieses als Meisterwerk bezeichnete Gemälde ist zum zentralen Gegenstand in der kunsthistorischen Diskussion geworden und es gibteine große Anzahl von Thesen und Fragestellungen, geometrischen Berechnungen, Lösungsansätzen und Interpretationen, die nicht alle indiese Arbeit einfließen können. Vielmehr werde ich mich auf einige Aspekte konzentrieren wie das Sujet der Leinwand, die Frage nachdem Spiegel und dem Betrachter. Es soll ein weiteres Bild zum Vergleich herangezogen werden, welches zahlreiche Parallelenaufweist. Die Ähnlichkeit von Francisco de Goya y Lucientes’ Die Familie Karls IV. von 1800/01 zu Las Meninas wird schon im Kontextder Entstehung deutlich. 150 Jahre später ist es genau wie Las Meninas als Auftragsarbeit für den König entstanden und hängt heuteebenfalls im Museo del Prado in Madrid.
Der zweite Teil dieser Arbeit soll sich dann mit der Bedeutung der Selbstbildnisse der Künstler in den Gemälden beschäftigen. Dabei werden beide Maler einzeln betrachtet und im Weiteren eventuelle Gemeinsamkeiten oder Differenzen in der Darstellung und Funktion des jeweiligen Bildnisses herausgestellt Biographische Daten und der historische Kontext sollen bei meinen Untersuchungen nur in sofern eine Rolle spielen wie es für die jeweils behandelte Fragestellung von Bedeutung ist.
II. Das Rätsel der Bilder - Velázquez und Goya
Die Leinwand
Las Meninas von Velázquez entstand 1656 unter der Herrschaft von König Phillip IV. Der Künstler war zu dieser Zeit bereits Hofmaler.
Das Portrait1 zeigt im Zentrum die Infantin Margarita, Tochter von Phillip IV und seiner Frau Maria Anna. Sie befindet sich, umgeben von ihren Hoffräulein, den Meninas, und anderem Hofgefolge2 zu dem unteranderem eine Zwergin und ein Hund gehören, in einer Bildergalerie,dem cuarto bajo del pr í ncipe 3, im königlichen Palast. Im Hintergrundsehen wir einen weiteren Hofbediensteten, der in einer Türöffnungsteht, durch die helles Licht in den Saal fällt. An den Wänden hängen Bilder, die nachweislich zum Inventar des cuarto bajo del pr í ncipe gehörten und alles Kopien nach Werken von europäischen Künstlern,vor allem Rubens, sind.4 In der Mitte der hinteren Wand hängt ein Bilddas sich von den anderen unterscheidet, da es heller erscheint und miteinem leichten Glanz belegt ist. Durch diese Erscheinung wird es oft als Spiegel identifiziert in dem sich das Königspaar spiegelt. Es scheinteins der größten Rätsel von Las Meninas zu sein, weshalb es späternoch einmal genauer betrachtet werden soll. In der linken Bildhälfte istder Maler Diego Velázquez selbst zu sehen, vor ihm eine vom Bildrandangeschnittene Leinwand, von welcher nur die Rückseite zu sehen ist.5 Das Sujet der Leinwand bleibt dem Betrachter verborgen, denn was ich sehe, ist ein Maler, der gerade ein Bild malt, das ich nicht sehen kann. Was ich sehen kann, ist das Bild, auf demdieser Maler ein Bild malt, das ich nicht sehen kann, wobei er mich anschaut, den er nicht sehen kann.6
Mit der Frage nach dem Motiv soll sich im Folgenden näher befasstwerden.
Die Forschung ist sich in diesem Punkt bis heute uneinig. John F. Moffitvertritt z.B. die These, dass die Leinwand ein Portrait des Königspaareszeigt, welches sich im Spiegel an der Wand im Hintergrund spiegelt.Andere Kunstwissenschaftler behaupten, das Motiv auf der Leinwandsei die Infantin, die wir im Bildzentrum sehen und wieder anderevertreten den Standpunkt Las Meninas selbst ist auf der Leinwand zusehen. Auch die Behauptung „Velázquez male nichts“ (Carlos de Inza)ist in der Literatur zu lesen.
Carl Justi schreibt zur Entstehung des Bildes:
Auf eine solche Zusammenstellung konnte wohl nur der Zufall bringen. […] Als einst beide Majestäten ihrem Maler eine Sitzungschenkten, wurde die Infantin zur Milderung königlicher Langeweile hereingebeten. Das Licht, für jene arrangiert, ergoßsich auch auf das vor ihnen stehende Töchterchen.Da fällt dem Könige auf, der selbst ein halber Künstler war, daßvor seinen Augen sich etwas wie ein Bild zusammengefundenhabe. Er murmelt: Das ist ein Bild; im folgenden Augenblickentsteht der Wunsch, dies Bild festzuhalten, und im dritten ist der Maler schon mit Zeichnung des ,Recuerdo’ beschäftigt. Aber die Umgebung des Ateliers erschien wenig passend: man sucht einenwürdigeren Raum und entdeckt ihn in einer langen Galerie des Cuarto del príncipe, dahin wird die Staffelei gebracht und die Skizze entworfen. Die Fensterläden werden geschlossen; aber der Maler ersucht den Nieto, die Hintertür zu öffnen, um zu versuchenob auch ein Licht im Hintergrund passend wäre.7
Das heißt, das Bild zeigt eine Szene aus der Sicht des Königs und der Königin, was aber nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass das Paarbeim Malen dieser Szene auch anwesend war, da die Komposition ineinem anderen Raum nachgestellt wurde. Die Anwesenheit der Monarchen wäre weder notwendig noch begründbar. Die These, dass sich auf der uneinsehbaren Leinwand Las Meninas und nicht ein Doppelportrait des Königspaares befindet wird auch dadurch bestärkt,dass „kein einziges Doppelportrait von Phillip IV. und seiner zweiten Frau bekannt ist und solche auch nicht der Tradition entsprachen.“8 Das Bild scheint aus einer Situation heraus gemalt zu sein und weisteine gewisse Momentanität auf. Schauen wir z.B. auf den kleinen Jungen am rechten Bildrand. Er hat ein Bein auf dem Hund abgestellt,der zu schlafen scheint, und seine Stellung der Hände lassen eine Bewegung vermuten. Ebenso wie das Hoffräulein auf der linken Seiteder Infantin, die gerade dabei ist einen leichten Knicks oder eine Verbeugung zu vollführen. Und auch das andere Hoffräulein scheint in Aktion, sie reicht ihrer Herrin ein Getränk und scheint sie anzusprechen.Auch Velázquez selbst ist in einer Bewegung dargestellt: er ist ein Stück von der Leinwand weggetreten um etwas was an der Stelle des Betrachterstandpunktes zugegen ist zu betrachten. Einzig die Infantinscheint erstarrt, ja in einer posierenden Stellung. Dieses lässt sich zumeinen auf die würdevolle Haltung, die einer Infantin angemessen istzurückführen, aber zudem erinnert diese steife, inszenierte Haltungdoch auch stark an Einzelportraits wie z.B. Die Infantin in wei ß em Kleid aus dem gleichen Jahr wie Las Meninas oder auch Infantin Margarita Teresa in blauem Kleid, welches drei Jahre später entstanden ist.
Trifft also die Aussage von Ortega y Gasset „[…] das Thema des Velázquez ist immer das Augenblickshafte einer Szene“9 auf das gesamte Bild zu, so scheint doch die Infantin davon ausgenommen zusein. Man könnte an dieser Stelle die Behauptung aufstellen, der Malerbefinde sich gerade beim Portraitieren der zukünftigen Kaiserin vonÖsterreich, aber auch dies ist nicht zu vertreten, sieht man sich den Künstlerstandpunkt und die Position der Leinwand an. Er würde sie von hinten malen. Auch die Größe der Leinwand10 spricht dagegen, da sie zu groß für ein Einzelportrait wäre.
Auffällig ist aber auch, dass mehrere Personen, wie die Infantin, die Zwergin, der Hofbeamte hinter dieser und vor allem auch der Maler aufetwas blicken, was sich dem Sichtfeld des Betrachters entzieht.Genauer gesagt verweisen sie auf etwas, was sich an der Stellebefindet, an der eigentlich der Betrachter seine Position einnimmt umdas Bild zu betrachten.
Der Spiegel
An dieser Stelle kommen wir noch einmal auf das Bild bzw. den Spiegelan der hinteren Wand zurück. Er hebt sich deutlich von den anderen Bildern der Galerie hervor, erstens durch die Helligkeit und Farbintensität und zweitens dadurch, dass in ihm das Königspaar zuerkennen ist, während alle anderen Bilder Kopien von mythologischen(real existierenden) Darstellungen sind. Zusammen mit der geöffneten Tür rechts, durch die ein Lichtschein fällt und der stark ins Lichtgesetzten Infantin Margarita bildet der Spiegel einen Punkt eines Dreiecks und wird so in den Fokus des Betrachters gerückt.Er muss also von größerer Bedeutung für das Bildganze sein. Gehtman von der zuvor genannten Behauptung aus, dass kein Doppelportrait des Königspaares existierte, kann man also die Vermutung, in dem Spiegel ist das Sujet der Leinwand zu erkennen,verwerfen. Eine andere oft vertretene Annahme ist, dass der Spiegeldas wiedergibt, was Velázquez im Inbegriff ist zu malen und was sichsomit außerhalb des Bildes befindet. In diesem Fall würde das Königspaar an der Stelle des Betrachters stehen. Aber auch dies wirddurch geometrische Fakten widerlegt: „[Moya hat] bewiesen, dass die Quelle des Spiegelreflexes nach den Gesetzen der Optik nicht direktgegenüber, sondern weiter links, also in einem Winkel, der die Leinwand durchschneidet, angenommen werden muss.“11
Laut dieser Aussage kann das Königspaar nicht gespiegelt werden.12 Verfolgt man die Blicke der Figuren so weisen diese doch deutlich aufeinen Punkt der dem Spiegel frontal gegenüber liegt.Man kann sich nun die Frage stellen, ob das Objekt überhaupt ein Spiegel ist. Schließlich könnte man es verwunderlich nennen, dass ineiner Galerie in der Kopien von mythischen Darstellungen großereuropäischer Maler hängen, ein verhältnismäßig kleiner Spiegel aneiner relativ zentralen Stelle angebracht ist. (Zentral ist er vor allem fürdie Bildkomposition: geht man von dem sichtbaren Teil der Wand aus,befindet sich der Spiegel in der Mitte.) Eine These, für die an dieser Stelle kein Beweis erbracht werden kann, ist, dass dieses Bildelementerfunden ist und das Königsportrait nach vorhandenen Skizzenintegriert worden ist. Diese Möglichkeit zieht auch Carlos de Inza in Betracht, der „das Spiegelbild für eine überarbeitete Kopie bestehender Portraits [erklärt].“ 13
Eine Schlussfolgerung daraus wäre, dass das virtuelle Spiegelbild reinen Repräsentationszwecken dient, da das Königspaar als obere Instanz des Hofes allgegenwärtig ist.
Gibt es aber noch einen anderen Spiegel in Las Meninas und wenn ja,wo befindet sich dieser? Und was ist nun auf der Leinwand abgebildet?Zur Beantwortung dieser Fragen soll an dieser Stelle ein weiteres Bildzum Vergleich hinzugezogen werden: Die Familie Karls IV. von Francisco de Goya.
Das Bild ist fast 150 Jahre nach Las Meninas entstanden, Goya war zudieser Zeit, wie Velázquez zu seiner Zeit unter Phillip IV, Hofmaler unter Karl IV. Auch dieses Gruppenportrait ist eine Auftragsarbeit, allerdings
[...]
1 Geht man einmal davon aus, dass es zu dieser Gattung gehört, was nicht unumstritten ist. Thierrey Greub zitiert in seinem Vorwort zu Las Meninas im Spiegelder Deutungen Gian Casper Bott, der die Frage(n) stellt „Sind die Meninas ein Selbstbildnis? Oder Konterfei der zauberhaften Infantin? Ein Gruppenportrait? Ein Hoffamilienbild? Ein ins Monumentale amplifziertes Genrebild? En Stilleben mit Figuren? Ein Capriccio? Ein Bild, das sich selbst betrachtet und dem zufolge kein Publikum braucht? Das Bild der Bilder?“ Vgl.: Greub: Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte, S. 10.
2 Alle Personen wurden von Palomino identifiziert. Vgl.: Greub: Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte, S.36ff.
3 Ebd.: S. 42.
4 Ebd.: S. 49.
5 Dies soll nur eine Übersicht über die Bildkomposition geben, eine genaue Bildbeschreibung wäre an dieser Stelle zu umfangreich.
6 Greub: Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte, S. 84.
7 Ebd.: S. 90.
8 Kessler: Las Meninas von Velazquez. Eine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte, S.150.
9 Ortega y Gasset: Velázquez und Goya. Beiträge zur spanischen Kulturgeschichte, S. 89.
10 Hier divergieren die Angaben. Vgl.: Kessler: Las Meninas von Velázquez. Eine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte, S. 152.
11 Ebd.: S. 151.
12 Hierzu gibt es ausführliche Untersuchungen von verschiedenen Kunsthistorikern wie z.B. Moffit, die den Raum rekonstruiert haben und so durch geometrische Faktenversuchen einen Beweis für oder gegen die Abwesenheit des Königspaaresaufzustellen. Allerdings gehen auch hier die Meinungen stark auseinander. Vgl.:Greub: Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte, S.54.
13 Kessler: Las Meninas von Velazquez. Eine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte, S. 153.