Ein kneht, der lag verborgen
Ein kneht, der lag verborgen,
bî einer dirne er slief,
Unz ûf den liehten morgen.
der hirte lûte rief:
"Wol ûf, lâz ûz die hert!"
des erschrak diu dirne
und ir geselle wert.
Daz strou, daz muost er rûmen
und von der lieben varn.
Er torste sich niht sûmen,
er nam si an den arn.
Daz höi, daz ob im lag,
daz ersach diu reine
ûf fliegen in den dag.
Davon si muoste erlachen,
ir sigen diu ougen zuo.
So suozze kunde er machen
in dem morgen fruo
Mit ir daz bettespil.
wer sach ân geraete
ie fröiden mê so vil!
Ein dreistrophiges Gedicht, mittelhochdeutsch. Zwei Liebende, die bei Tagesanbruch von einem wohlwollenden Vertrauten geweckt werden und daraufhin voneinander scheiden müssen. Ein klassisches mittelalterliches Tagelied – zumindest auf den ersten Blick. Denn das Liebespaar besteht nicht aus rîter guot und minneclîche vrouwe, wie es bei dieser Textgattung erwartet würde, sondern aus kneht und dirne. Die Rolle der Wächterfigur wird von einem Hirten übernommen und die gesamte Handlung findet nicht – wie üblich – in höfischen Gemächern, sondern zwischen Heu und Stroh in der Szenerie eines einfachen Stalls statt.
Wollte der Autor Steinmar die Problematik des außerehelichen Beisammenseins auch unter "einfachen Leuten" veranschaulichen? Oder will er sich gar lustig machen über höfische Bräuche und deren künstlerischer Verarbeitung? Wie ist dieses Gedicht aus dem Mittelalter unserer heutigen Zeit überliefert, und welche Person verbirgt sich hinter dem Namen Steinmar? In welcher Tradition steht dieses Gedicht und welche Publikumsreaktion sollte es hervorrufen?
Diese Fragen sollen im Folgenden durch eine formale und inhaltiche
Gedichtinterpretation sowie eine knappe Darstellung der Forschungsliteratur genauer beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Ein kneht, der lag verborgen
- Überlieferungssituation
- Autoridentität
- Analyse_formal
- Darstellung der Metrik, erzielte Wirkung
- Analyse_inhaltlich
- Ähnlichkeiten und Unterschiede zum traditionellen Tagelied
- Parodie
- Untersuchung der einzelnen Strophen auf parodistische Elemente
- Absicht, intertextuelle Bezüge und Publikumsreaktion
- Vergleich der Forschungsliteratur
- Fazit
- Wirkung der Parodie, Forschungsausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert das mittelhochdeutsche Tagelied "Ein kneht, der lag verborgen" von Steinmar. Ziel ist es, die formale und inhaltliche Struktur des Gedichts zu untersuchen und die Bedeutung der parodistischen Elemente zu beleuchten. Dabei soll die Rolle der Überlieferungssituation, die Autorschaft und die literarische Tradition des Tagelieds im Kontext der Forschung diskutiert werden.
- Analyse der formalen Merkmale des Gedichts
- Untersuchung der inhaltlichen Besonderheiten des Gedichts im Vergleich zum traditionellen Tagelied
- Identifizierung der parodistischen Elemente
- Bedeutung der Überlieferungssituation und des Codex Manesse
- Diskussion der Autorschaft und der Forschung zu Steinmar
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Gedicht "Ein kneht, der lag verborgen" vor, beleuchtet seine Besonderheiten und formuliert die Fragestellungen der Arbeit. Das Kapitel "Überlieferungssituation" widmet sich der Bedeutung des Codex Manesse als Hauptquelle für Steinmars Werk und erläutert den Stellenwert des Gedichts innerhalb des Codex. "Autoridentität" untersucht die umstrittene Person des Steinmar und diskutiert die wichtigsten Thesen zur Autorschaft, wobei die Relieffigur im Straßburger Münster eine zentrale Rolle spielt. Im Kapitel "Analyse_formal" werden die Metrik und ihre Wirkung im Gedicht analysiert. In "Analyse_inhaltlich" werden die Ähnlichkeiten und Unterschiede zum traditionellen Tagelied herausgearbeitet und die parodistischen Elemente beleuchtet. "Vergleich der Forschungsliteratur" präsentiert die wichtigsten Forschungsergebnisse zum Thema.
Schlüsselwörter
Tagelied, Steinmar, Codex Manesse, Parodie, Autorschaft, Überlieferung, Metrik, Tradition, Forschungsliteratur, mittelalterliche Literatur.
- Quote paper
- Katharina Weber (Author), 2010, "Ein kneht, der lag verborgen" - unumstrittene Parodie bei umstrittener Autoridentität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172789