Der Name David Lynch evoziert seit den 1990er Jahren beim Arthouse-Film-Publikum stets ein bekanntes Gefühl des Unwohlseins, der Begeisterung oder des schieren Unverständnisses. Ursache dafür mag sein, dass die Filme des amerikanischen Regisseurs, der in den 50er Jahren in der kleinbürgerlichen Idylle aufwuchs und an der Pennsylvania Academy of Arts in Philadelphia Kunst mit Schwerpunkt Malerei studierte, dem Betrachter etwas zeigen, das mit objektiver Realitätswiedergabe nichts gemein hat. Selbst die weniger als experimentell geltenden Spielfilme (im Gegensatz zu seinen frühen, experimentellen Trick- und Kurzfilmen) bedürfen immer die Bereitschaft des Betrachters, sich auf das filmische Kunstwerk einzulassen und an einer subjektiven Seh-Erfahrung teilzuhaben.
Alle Filme des „Kultregisseurs“ sind bis auf wenige Ausnahmen Sinnbilder des Unheimlichen, sind schwer zugänglich und doch hochgradig eindrucksvoll – manche scheinen, wie Lost Highway (1997), Blue Velvet (1986) oder Mulholland Drive (2001) wie Studien der menschlichen Psyche, andere bieten mehr das Gesamtbild einer grotesken Verstrickung aus Hollywood-Genres wie dem Roadmovie und klassischen Stereotypen der Filmgeschichte, man denke an Wild at Heart (1990) oder The Straight Story (1999). Die filmischen Experimente, die in jedem Werk des Regisseurs zu finden sind, haben die unterschiedlichsten Ausgangspunkte. In den folgenden Kapiteln soll ein konkretes Beispiel aus Lost Highway dazu dienen, die Verarbeitung von Lynchs Vorbildern, von kulturhistorisch bekannten Zeichen und Formen, sowie ein zentrales Motiv seines Œuvres, der Deformation des menschlichen Körpers, aufzuzeigen und zu erörtern. Das zu diskutierende Element aus Lost Highway, einem Film, der nicht nur aus narrativer Sicht ein schwer durchschaubares Konvolut aus surrealistischen und existenzialistischen Momenten darstellt, sondern auch kinematographisch ein Meisterwerk aus Schnitt- und Tricktechnik, Detailgenauigkeit sowie einem herausragenden Soundtrack ist, konstruiert sich aus wenigen, dem Anschein nach simplen Einstellungen: der Verfolgungsfahrt der Polizei von Los Angeles und dem männlichen Protagonisten des Films, Fred Madison. Der bildliche Gesamteindruck, der hier entsteht, ist ein offensichtliches Bildzitat der Porträts des irischen Malers Francis Bacon.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Francis Bacon und David Lynch
- 2.1 Francis Bacon: Innere und äußere Realität
- 2.2 David Lynch: Filmische Abstraktion
- 2.3 Deformation und Dekonstruktion des menschlichen Körpers
- 3. Fred Madison: ein malerisches Filmporträt
- 3.1 Das Motiv
- 3.2 Die Umsetzung
- 4. Zitat oder Transformation?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss der malerischen Werke Francis Bacons auf das filmische Werk David Lynchs, insbesondere die Sequenz der Verfolgungsjagd in Lost Highway. Die Zielsetzung ist es, die visuelle und ideologische Verbindung zwischen Bacons Figurenästhetik und Lynchs kinematographischer Transformation aufzuzeigen und zu analysieren, ob es sich um Zitat, Hommage oder Transformation handelt.
- Francis Bacons Figurenästhetik und seine Darstellung innerer und äußerer Realität
- David Lynchs filmische Stilmittel und die Abstraktion im Film
- Deformation und Dekonstruktion des menschlichen Körpers bei Bacon und Lynch
- Die filmische Umsetzung des Motivs in Lost Highway
- Analyse der Beziehung zwischen Bacon und Lynch im Kontext von Inter- und Hypertextualität
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die filmischen Werke David Lynchs als schwer zugängliche, aber eindrucksvolle Sinnbilder des Unheimlichen vor. Sie konzentriert sich auf Lost Highway und die Verfolgungsjagd mit dem Protagonisten Fred Madison, dessen deformiertes Gesicht in der Szene als offensichtliche Referenz an die Porträts von Francis Bacon interpretiert wird. Die Arbeit untersucht, ob es sich um eine Hommage, ein Zitat oder eine filmische Transformation handelt.
2. Francis Bacon und David Lynch: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die beiden Künstler und deren jeweilige Arbeitsweisen. Es werden Bacons Hauptmotive – das (Selbst-)Porträt und der deformierte Körper – analysiert, wobei die Entstellung und Verfremdung der dargestellten Figuren im Vordergrund stehen. Deleuzes Interpretation der "unsichtbaren Kräfte", die auf den Körper einwirken und zu Deformationen führen, wird vorgestellt. Im Bezug auf Lynch werden seine filmischen Stilmittel, der Mangel an stringenter Narration und die oszillierende Beziehung zwischen Innen und Außen beschrieben.
3. Fred Madison: ein malerisches Filmporträt: Dieses Kapitel analysiert die filmische Darstellung von Fred Madison in Lost Highway. Es wird untersucht, wie Lynch die Figur porträtiert und die innere Wahrheit des Menschen in der äusseren Kondition des Protagonisten visualisiert. Die albtraumartige Szene der Verfolgungsjagd wird als ein Versuch interpretiert, die rational nicht begreiflichen destruktiven Kräfte sichtbar zu machen. Das offen gelassene Ende der Szene wird als ein vielseitig deutbarer Moment der Ekstase und gleichzeitig des Zerplatzens von Fiktionen und Formen interpretiert.
Schlüsselwörter
David Lynch, Francis Bacon, Lost Highway, Filmanalyse, Figurenästhetik, Deformation, Dekonstruktion, Körper, Porträt, Abstraktion, Intertextualität, Hypertextualität, indirekte Imitation, Schnitttechnik, Tricktechnik, Psychologie, Surrealismus, Existenzialismus.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Der Einfluss von Francis Bacons malerischem Werk auf David Lynchs Lost Highway
Was ist das Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht den Einfluss der Gemälde von Francis Bacon auf das filmische Werk von David Lynch, speziell auf die Verfolgungsjagd-Sequenz in "Lost Highway". Es wird analysiert, ob es sich bei den visuellen Ähnlichkeiten um ein Zitat, eine Hommage oder eine Transformation handelt.
Welche Künstler werden verglichen?
Die Arbeit vergleicht die künstlerischen Ausdrucksweisen von Francis Bacon (Maler) und David Lynch (Filmemacher).
Welche Szene aus "Lost Highway" steht im Mittelpunkt der Analyse?
Der Fokus liegt auf der Verfolgungsjagd-Sequenz, in der das deformierte Gesicht des Protagonisten Fred Madison als offensichtliche Referenz auf Bacons Porträts interpretiert wird.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Zentrale Themen sind die Figurenästhetik von Bacon, Lynchs filmische Stilmittel (insbesondere die Abstraktion), die Deformation und Dekonstruktion des menschlichen Körpers bei beiden Künstlern, die filmische Umsetzung des Motivs in "Lost Highway", und die Beziehung zwischen Bacon und Lynch im Kontext von Inter- und Hypertextualität.
Wie wird die Beziehung zwischen Bacon und Lynch beschrieben?
Die Arbeit analysiert, ob es sich bei den visuellen Ähnlichkeiten zwischen Bacons Bildern und Lynchs Film um eine direkte oder indirekte Imitation, ein Zitat, eine Hommage oder eine eigenständige Transformation handelt. Deleuzes Interpretation der "unsichtbaren Kräfte", die auf den Körper einwirken und zu Deformationen führen, wird in Bezug auf Bacons Werk und die Umsetzung in Lynchs Film diskutiert.
Welche Aspekte von Francis Bacons Werk werden untersucht?
Die Analyse konzentriert sich auf Bacons Hauptmotive: das (Selbst-)Porträt und den deformierten Körper. Die Entstellung und Verfremdung der dargestellten Figuren sowie die Darstellung innerer und äußerer Realität stehen im Vordergrund.
Welche Aspekte von David Lynchs Werk werden untersucht?
Die Arbeit beschreibt Lynchs filmische Stilmittel, den Mangel an stringenter Narration und die oszillierende Beziehung zwischen Innen und Außen in seinen Filmen. Die albtraumhafte Atmosphäre und die visuelle Gestaltung in "Lost Highway" werden im Detail analysiert.
Wie wird Fred Madison in der Arbeit interpretiert?
Fred Madison wird als ein "malerisches Filmporträt" interpretiert. Die Analyse untersucht, wie Lynch die Figur porträtiert und die innere Wahrheit des Menschen in der äusseren Kondition des Protagonisten visualisiert. Die Verfolgungsjagd wird als Versuch interpretiert, die rational nicht begreiflichen destruktiven Kräfte sichtbar zu machen.
Wie wird das offene Ende der Verfolgungsjagd interpretiert?
Das offene Ende der Szene wird als ein vielseitig deutbarer Moment der Ekstase und gleichzeitig des Zerplatzens von Fiktionen und Formen interpretiert.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
David Lynch, Francis Bacon, Lost Highway, Filmanalyse, Figurenästhetik, Deformation, Dekonstruktion, Körper, Porträt, Abstraktion, Intertextualität, Hypertextualität, indirekte Imitation, Schnitttechnik, Tricktechnik, Psychologie, Surrealismus, Existenzialismus.
- Quote paper
- Aurelia Vowinckel (Author), 2010, Das Innere nach außen tragen - David Lynchs indirekte und kinematographische Transformation der Bacon'schen Figurenästhetik in "Lost Highway", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172933