Rassentheorien deutscher Anthropologen vor und während des 1. Weltkriegs
1. Einleitung
Der Weg zur Auseinandersetzung mit der Geschichte ist oft ein mühsamer und beschwerlicher. Doch nicht nur Politik und Gesellschaft tun sich mitunter mit dem Versuch der historischen Aufarbeitung schwer, auch Wissenschaften neigen zur Verdrängung dunkler Kapitel in ihrer Historie. Fast vierzig Jahre hat es zum Beispiel gedauert, bis die Rolle der Medizin und Biologie während des Dritten Reiches intensiv untersucht worden ist. Benoît Massin stellt darüber hinaus fest, dass Vergleichbares zur Geschichte der Rassenanthropologie oder der Humangenetik noch fehlt. Insbesondere greift Massin die (eigene) Historiographie der deutschen Anthropologie an. Anhand dreier Beispiele zeigt er, wie Anthropologen der Nachkriegszeit jegliche Verantwortung für die Greuel im Nationalsozialismus ablehnen. Der jüngste Versuch dieser „apologetischen Geschichtsschreibung“, wie es Massin nennt, stammt aus dem Jahr 1990 vom Humangenetiker Peter Emil Becker.(1) Nach seinem Fazit dürfte die Rassenkunde nicht zur Rechenschaft für Rassismus und Rassenpolitik des Dritten Reiches gezogen werden. Entscheidende Figuren wie die Anthropologen Otto Reche oder Eugen Fischer fehlen aber in seiner Darstellung ebenso wie der Hinweis, dass Becker selber während der Nazizeit in Deutschland geforscht hat und Mitglied der NSDAP war. (2)
Nicht viel besser steht es um die historische Bewertung der deutschen Anthropologie vor dem Ersten Weltkrieg. Es besteht generell die Tendenz, Rassenideologien auf am Rande stehende politische Extremisten oder „Pseudo-Wissenschaftler“ zurückzuführen.(3) Dies gilt auch für die Jahre des Deutschen Kaiserreichs. Während das Werk einiger populärwissenschaftlicher Autoren bekannt ist, sind die Rassenlehren der Universitätsprofessoren eher spärlich beleuchtet. Das Ziel dieser Arbeit soll es sein, ein wenig mehr Licht ins Dunkel der anthropologischen Forschung in Deutschland vor und während des 1. Weltkriegs zu bringen.
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1 Benoît Massin, Anthropologie und Humangenetik im Nationalsozialismus oder: [...], Frankfurt a.M. 1999, S. 12-64, hier S. 12f.
2 Ebd., S. 42f.
3 Ebd., S. 12.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Etablierung des modernen Rassismus
- 2.1 Die Grundlagen im 18. Jahrhundert
- 2.2 Anthropologie und Sprachwissenschaft
- 2.3 Gobineau und aufkommendes Nationalbewusstsein
- 2.4 Rassismus im imperialistischen Zeitalter
- 3. Entwicklung der Anthropologie in Deutschland
- 3.1 Die Väter der neuen Wissenschaft
- 3.2 Deutsche Anthropologie, Kolonialpolitik und Militarismus
- 4. Deutsche Anthropologen im Kaiserreich
- 4.1 Johannes Ranke (1836-1916)
- 4.1.1 „Der Mensch“ als Hauptwerk
- 4.1.2 Ästhetik und die Beurteilung aussereuropäischer Rassen und Völker
- 4.1.3 Die Urgeschichte Europas und die Populärwissenschaft
- 4.1.4 Rankes Rassenanthropologie
- 4.2 Emil Schmidt (1837-1906)
- 4.2.1 Der Schädelsammler
- 4.2.2 Kraniologie und südasiatische Reisen
- 4.2.3 Kampf den Dilettanten
- 4.2.4 Eigentümlich jüdische Rassenmerkmale
- 4.3 Felix von Luschan (1854-1924)
- 4.3.1 Physischer Ethnograph
- 4.3.2 Kolonialpolitik und Rassenanthropologie
- 4.3.3 Sorgen um Deutschland
- 4.3.4 Der „bürgerliche Militarist“
- 5. Moderate Rassentheorien in der „alten Schule“
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beleuchtet die anthropologische Forschung in Deutschland vor und während des Ersten Weltkriegs. Sie untersucht, inwieweit rassistische Aussagen in den wissenschaftlichen Schriften der damaligen Anthropologen vorhanden waren und ob die Thesen einer Überlegenheit der „arischen“ oder „germanischen Rasse“, die von einigen Populärwissenschaftlern verbreitet wurden, in den wissenschaftlichen Schriften Eingang gefunden haben oder kritisiert wurden.
- Rassenanthropologie in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg
- Einfluss von Kolonialpolitik und Militarismus auf die deutsche Anthropologie
- Analyse rassistischer Aussagen in wissenschaftlichen Schriften
- Verbreitung von Thesen zur Überlegenheit der „arischen“ oder „germanischen Rasse“
- Vergleichende Betrachtung der Arbeiten verschiedener deutscher Anthropologen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung betont die Schwierigkeit der Aufarbeitung dunkler Kapitel in der Wissenschaftsgeschichte, insbesondere der Rassenanthropologie. Sie kritisiert die apologetische Geschichtsschreibung, die die Verantwortung deutscher Anthropologen für den Nationalsozialismus leugnet und erwähnt die unzureichende Auseinandersetzung mit der deutschen Anthropologie vor dem Ersten Weltkrieg. Die Arbeit zielt darauf ab, die anthropologische Forschung in Deutschland vor und während des Ersten Weltkriegs zu untersuchen und den Einfluss rassistischer Aussagen zu beleuchten.
2. Die Etablierung des modernen Rassismus: Dieses Kapitel untersucht die historischen Wurzeln des modernen Rassismus, beginnend mit den Grundlagen im 18. Jahrhundert und der Rolle der Anthropologie und Sprachwissenschaft. Es analysiert den Einfluss von Gobineaus Schriften und das aufkommende Nationalbewusstsein, sowie die Verknüpfung von Rassismus mit dem imperialistischen Zeitalter. Das Kapitel liefert somit einen breiten historischen Kontext für die spätere Entwicklung der deutschen Rassenanthropologie.
3. Entwicklung der Anthropologie in Deutschland: Dieses Kapitel behandelt die Entwicklung der Anthropologie in Deutschland, fokussiert auf die "Väter der neuen Wissenschaft" und deren Verbindung zu Kolonialpolitik und Militarismus. Es legt den Grundstein für das Verständnis der ideologische Einflüsse, die auf die Forschungsarbeit deutscher Anthropologen im Kaiserreich wirkten. Der Kontext von Kolonialismus und Militarismus wird als zentral für die Entwicklung der rassistischen Theorien innerhalb der Anthropologie herausgestellt.
4. Deutsche Anthropologen im Kaiserreich: Dieses Kapitel präsentiert Fallstudien zu bedeutenden deutschen Anthropologen wie Johannes Ranke, Emil Schmidt und Felix von Luschan. Es analysiert deren Werke, untersucht deren rassistische Positionen und beleuchtet den Einfluss ihrer Ansichten auf die zeitgenössische Debatte. Durch die detaillierten Analysen der Werke der einzelnen Anthropologen wird ein vielschichtiges Bild der damaligen Rassenanthropologie gezeichnet, mit ihren verschiedenen Facetten und ideologischen Ausrichtungen. Die Kapitelteilkapitel geben Einblicke in die jeweilige wissenschaftliche Arbeit und deren implizite oder explizite rassistische Annahmen.
5. Moderate Rassentheorien in der „alten Schule“: Dieses Kapitel befasst sich mit den moderateren Strömungen innerhalb der Rassenanthropologie der Zeit. Es wird die Vielfalt der Ansichten innerhalb der Disziplin betont und es wird untersucht, wie diese moderateren Positionen sich zu den extremeren Ansichten positionierten. Hier wird der Versuch unternommen, ein differenziertes Bild der deutschen Rassenanthropologie zu zeichnen, das über eine einfache Dichotomie von „radikal“ und „moderat“ hinausgeht.
Schlüsselwörter
Rassentheorien, deutsche Anthropologie, Erster Weltkrieg, Kaiserreich, Kolonialismus, Militarismus, Johannes Ranke, Emil Schmidt, Felix von Luschan, Rassismus, „arische Rasse“, „germanische Rasse“, wissenschaftlicher Rassismus, Kraniologie, Ethnographie.
Häufig gestellte Fragen zu: Deutsche Anthropologie vor und während des Ersten Weltkriegs
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die anthropologische Forschung in Deutschland vor und während des Ersten Weltkriegs. Sie analysiert den Einfluss rassistischer Aussagen in den wissenschaftlichen Schriften der damaligen Anthropologen und den möglichen Einfluss von Thesen zur Überlegenheit der „arischen“ oder „germanischen Rasse“. Die Arbeit beleuchtet auch den Zusammenhang zwischen Anthropologie, Kolonialpolitik und Militarismus.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt die Etablierung des modernen Rassismus, die Entwicklung der Anthropologie in Deutschland, Fallstudien zu bedeutenden deutschen Anthropologen (Johannes Ranke, Emil Schmidt, Felix von Luschan) und die moderaten Rassentheorien der Zeit. Es wird der Einfluss von Kolonialpolitik und Militarismus auf die deutsche Anthropologie untersucht und eine vergleichende Betrachtung der Arbeiten verschiedener Anthropologen vorgenommen.
Welche Anthropologen werden im Einzelnen untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf die detaillierte Analyse der Werke von Johannes Ranke, Emil Schmidt und Felix von Luschan. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten werden auf rassistische Aussagen hin untersucht und in den historischen Kontext eingeordnet.
Wie wird der Einfluss von Kolonialismus und Militarismus dargestellt?
Die Arbeit zeigt auf, wie Kolonialpolitik und Militarismus die Entwicklung und die Inhalte der deutschen Anthropologie beeinflusst haben. Es wird argumentiert, dass diese Faktoren zentral für die Entstehung und Verbreitung rassistischer Theorien waren.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, ein differenziertes Bild der deutschen Rassenanthropologie vor dem Ersten Weltkrieg zu zeichnen, das die Vielfalt der Ansichten und den Einfluss rassistischer Ideologien berücksichtigt. Sie kritisiert apologetische Geschichtsschreibung, die die Verantwortung deutscher Anthropologen für den Nationalsozialismus leugnet und betont die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Wissenschaftsgeschichte.
Welche Kapitel umfasst das Werk?
Das Werk gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung, Die Etablierung des modernen Rassismus, Entwicklung der Anthropologie in Deutschland, Deutsche Anthropologen im Kaiserreich und Moderate Rassentheorien in der „alten Schule“. Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt der deutschen Anthropologie im Kontext des frühen 20. Jahrhunderts.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Rassentheorien, deutsche Anthropologie, Erster Weltkrieg, Kaiserreich, Kolonialismus, Militarismus, Johannes Ranke, Emil Schmidt, Felix von Luschan, Rassismus, „arische Rasse“, „germanische Rasse“, wissenschaftlicher Rassismus, Kraniologie, Ethnographie.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit richtet sich an Wissenschaftler, Studenten und alle Interessierte, die sich mit der Geschichte der Anthropologie, des Rassismus und der deutschen Geschichte im Kontext des Ersten Weltkriegs auseinandersetzen möchten.
Wo finde ich die vollständige Arbeit?
Die vollständige Arbeit, inklusive der detaillierten Analysen der einzelnen Anthropologen und ihrer Werke, ist in [hier den Link zur vollständigen Arbeit einfügen] verfügbar.
- Arbeit zitieren
- Michael Vetsch (Autor:in), 2001, Rassentheorien deutscher Anthropologen vor und während des 1. Weltkriegs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17299