Die Bedeutung von asymmetrischer Information auf Kreditmärkten


Examensarbeit, 2003

84 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

A. Einleitung

B. Informationsasymmetrien bei der Kreditfinanzierung von Investitions- projekten
1. Formen von Informationsasymmetrien und ihre Konsequenzen auf dem
Kreditmarkt
1.1 Einführung
1.2 Hidden characteristics
1.2.1 Fähigkeiten bzw. Qualifikationen der Kreditnehmer
1.2.2 Risiko der Projekte
1.2.3 Zeithorizont der Investitionen
1.3 Hidden action
1.3.1 Grad der Anstrengung des Unternehmers
1.3.2 Wechsel des Investitionsprojektes
1.4 Costly state verification
1.5 Ableitung eines bankoptimalen Zinssatzes und Zusammenfassung
2. Das Phänomen der Kreditrationierung und seine Folgen
2.1 Formen von Kreditrationierung
2.2 Eintreten von Kreditrationierung: Das Grundmodell
2.3 Modifikationen des Grundmodells
2.3.1 Kreditrationierung bei mehreren Kreditnehmergruppen
2.3.2 Andere Ertragsfunktion der Bank
2.3.3 Grenzkosten der Refinanzierung und gesetzliche Eigenkapital- anforderungen
2.3.4 Kosten der Finanzintermediation und gesetzliche Mindestreserve- anforderungen
2.3.5 Kreditnachfrage
2.4 Ein erweitertes Grundmodell
2.4.1 Annahmen
2.4.2 Der Kreditmarkt bei symmetrischer Information
2.4.2.1 Kreditnachfrage
2.4.2.2 Kreditangebot
2.4.2.3 Ergebnis
2.4.3 Der Kreditmarkt bei asymmetrischer Information
2.4.3.1 Kreditnachfrage
2.4.3.2 Kreditangebot
2.4.3.3 Gleichgewichte auf dem Kreditmarkt
2.4.4 Folgen für Effizienz
2.4.5 Bedingungen für das Zustandekommen einer Unterinvestition
2.4.6 Folgerungen für die drei Gruppen von Unternehmen
2.4.7 Fazit für das erweiterte Grundmodell
3. Lösungsansätze
3.1 Kreditprüfung und -überwachung
3.1.1 Kreditwürdigkeitsprüfung
3.1.2 Kreditüberwachung
3.2 Kreditsicherheiten
3.2.1 Kreditsicherheiten und unteilbare Investitionsprojekte
3.2.2 Kreditsicherheiten und teilbare Investitionsprojekte
3.2.3 Zusammenfassung
3.3 Signalling
3.3.1 Signalling durch Informationspolitik
3.3.2 Signalling durch die Kapitalstruktur des Unternehmens
3.4 Langfristige Finanzbeziehungen
3.4.1 Langfristige Finanzbeziehungen und „moral hazard“
3.4.2 Langfristige Finanzbeziehungen und Informationsverteilung
3.4.3 Langfristige Finanzbeziehungen und Insolvenz
3.4.4 Hausbankbeziehungen
3.4.5 Zusammenfassung
3.5 Andere Finanzierungsformen
3.5.1 Nachteile alternativer Finanzierung
3.5.2 Vorteile und Verfügbarkeit alternativer Finanzierung
3.5.3 Zusammenfassung
3.6 Fazit für die Lösungsansätze und Determinanten der Rationierung
4. Exogene Einflüsse auf Kreditrationierung und aktuelle Lage in Deutschland
4.1 Auswirkungen einer Erhöhung der Unsicherheit auf Kreditrationierung
4.2 Auswirkungen einer Verschärfung von Eigenkapitalvorschriften auf Kreditrationierung
4.3 Die aktuelle Lage in Deutschland

C. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: George A. Akerlof

Abbildung 2: A. Michael Spence

Abbildung 3: Joseph E. Stiglitz

Abbildung 4: Die Beziehung zwischen Ertrag und Zinssatz

Abbildung 5: Kreditrationierung als Folge asymmetrisch verteilter Information

Abbildung 6: Formen der Rationierung bei mehreren verschiedenen Kreditnehmergruppen

Abbildung 7: Gleichgewicht mit zwei Zinssätzen

Abbildung 8: Aggregierte Kreditnachfrage für eine Gruppe von Unternehmen

Abbildung 9: Erwarteter Ertrag der Bank vor Refinanzierung und Kreditzins

Abbildung 10: Herleitung möglicher Kreditangebotskonstellationen

Abbildung 11: Kreditrationierung wegen Eigenkapitalvorschriften

Abbildung 12: Die Bedeutung von Bankkrediten für deutsche Unternehmen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Determinanten des Ausmaßes der Unterinvestition

A. Einleitung

„… knowledge of the circumstances of which we must make use … exists … solely as the dispersed bits of incomplete … knowledge which all the separate individuals possess. The economic problem of society is thus not merely a problem of how to allocate "given" resources … It is rather … a problem of the utilization of knowledge which is not given to anyone in its totality.”[1]

Schon von Hayek betrachtete 1945 in seinem Aufsatz „The Use of Knowledge in Society“ das Problem asymmetrisch verteilter Information. Hiervon ausgehend argumentierte er, dass die Wirtschaftsordnung einer dezentralen Marktwirtschaft der einer Zentralverwaltungswirtschaft überlegen sei. Das über viele unterschiedliche Wirtschaftssubjekte verteilte Wissen muss koordiniert und daraus entsprechende Handlungen abgeleitet werden, um eine effiziente Allokation von Ressourcen zu erreichen. Von Hayek betont, dass die direkt betroffenen Menschen selbst entscheiden müssen, da nur diese rasch alle relevanten Informationen antizipieren und entsprechend reagieren können. Hierbei ist eine zentrale Planungsbehörde überfordert, da sie nicht so schnell wie nötig Veränderungen in ihre Planung einbeziehen und sich neuen Bedingungen anpassen kann.[2]

Nach von Hayek fällt dem Preissystem eine entscheidende Funktion in der dezentralen Marktwirtschaft zu: „Fundamentally, in a system in which the knowledge of the relevant facts is dispersed among many people, prices can act to co-ordinate the separate actions of different people in the same way as subjective values help the individual to co-ordinate the parts of his plan.”[3]

In der allgemeinen Gleichgewichtstheorie von Arrow und Debreu ist es genau dieses Preissystem, das unter vollständiger Konkurrenz dazu führt, dass sich Gleichgewichte mit Markträumung und einer Pareto effizienten Allokation einstellen.

Dass das Preissystem eine effiziente Allokation von Ressourcen herbeiführen kann, wird nicht mehr bezweifelt. Heute steht ein anderer Aspekt im Mittelpunkt der Betrachtung:

Das Preissystem allein genügt eben nicht immer, um die Wirtschaftspläne der Marktteilnehmer zu koordinieren und um relevante asymmetrisch verteilte Information zu kommunizieren, da Selektions- und Anreizfunktionen die Informationsfunktion des Preises überlagern können.[4] Es ergeben sich möglicherweise ineffiziente Allokationen, Gleichgewichte ohne Markträumung oder im Extremfall sogar der komplette Zusammenbruch eines Marktes.[5]

Abbildung 1: George A. Akerlof

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Den Anstoß für Forschung in diesem Gebiet gab George A. Akerlof mit seinem 1970 erschienenen Artikel „The Market for 'Lemons': Quality Uncertainty and the Market Mechanism“: Normalerweise kennt der Verkäufer eines Gutes dessen Qualität, wohingegen der Käufer bestenfalls die durchschnittlich angebotene Qualität einschätzen kann. Am Beispiel eines Gebrauchtwagenmarktes[6] zeigte Akerlof auf, dass solcherweise asymmetrisch verteilte Information dazu führen kann, dass sich die Anbieter guter Qualität bei zu niedrigen (Durchschnitts-) Preisen vom Markt zurückziehen und eine negative Auswahl (adverse Selektion) von Waren mit geringer Qualität auftritt. Auch Informationsprobleme z.B. im Versicherungsbereich sprach er an.

Abbildung 2: A. Michael Spence

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einen wesentlichen Beitrag zur heutigen Theorie über Märkte mit asymmetrischer Information lieferte weiterhin A. Michael Spence. Er befasste sich mit der Möglichkeit, dass der besser informierte Marktteilnehmer versucht, Signale auszusenden und sich so als Anbieter hoher Qualität oder guter Eigenschaften darzustellen, um sein Ergebnis am Markt zu verbessern. Dies wird als „signalling“[7] bezeichnet und ist natürlich mit Kosten verbunden. Spence legte dar, unter welchen Umständen eine solche Signalisierung tatsächlich Erfolg hat. Er wies besonders auf die Rolle der Ausbildung als Signal für Produktivität auf dem Arbeitsmarkt hin.[8]

Abbildung 3: Joseph E. Stiglitz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Joseph E. Stiglitz zeigte die Möglichkeit des „screening” auf, d.h. dass die schlechter informierte Partei versucht, die besser informierte bzgl. ihrer versteckten Eigenschaften einzuordnen, indem sie z.B. verschiedene Vertragskonstellationen ermöglicht. So bieten Versicherungsgesellschaften entweder hohe Prämien ohne Eigenbeteiligung oder niedrige Prämien zusammen mit höherem Selbstbehalt an und können so ihre Kunden besser in Risikoklassen einordnen.[9] Des Weiteren entwickelte Stiglitz Erklärungs­ansätze für viele beobachtete Phänomene, beispielsweise Kreditrationierung, indem er asymmetrisch verteilte Information berücksichtigte.

Die drei Wissenschaftler Akerlof, Spence und Stiglitz erhielten „für ihre Analyse von Märkten mit asymmetrischer Information“[10] schließlich am 10. Oktober 2001 den Nobelpreis der Wirtschaftswissenschaften.

Seit ihren ersten Artikeln in den 80er Jahren entstand eine Vielzahl an wissenschaftlichen Arbeiten und Anwendungen zu dem Problem asymmetrisch verteilter Information auf den verschiedensten Märkten. Eine besondere Bedeutung kommt dieser Thematik bei der Betrachtung moderner Finanzmärkte zu.

Im Rahmen dieser Arbeit wird nun betrachtet, welche Auswirkungen sich durch asymmetrische Information auf Kreditmärkten ergeben können. Ich beschränke mich allerdings darauf, kreditnachfragende Unternehmen zu betrachten. Darlehen an Haushalte sollen nicht analysiert werden. Auch Auswirkungen asymmetrischer Information auf das Verhalten verschiedener Banken untereinander werden ausgeklammert. Somit wird der Fokus auf die von Informationsproblemen geprägte Beziehung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer gelegt.

Im folgenden Kapitel werden zum Einstieg in die Thematik zuerst die wichtigsten Formen von Informationsasymmetrien vorgestellt und deren Konsequenzen erläutert. Welche Unterschiede zum gewöhnlichen Modell mit symmetrisch verteilter Information treten auf?

Des Weiteren wird in Kapitel zwei, dem Kernstück der Arbeit, das Phänomen der Kreditrationierung beschrieben und dann im Rahmen eines modellierten Kreditmarktes gezeigt, unter welchen Bedingungen Rationierung im Kontext asymmetrischer Information auftreten kann. Auch die sich daraus unter bestimmten Umständen ergebende Unterinvestition wird dargestellt.

In Kapitel drei werden daraufhin Lösungsansätze geschildert. Was können Unternehmen und Banken dazu beitragen, Informationsasymmetrien zu verringern oder zu beseitigen? Wie verändert sich das Ausmaß auftretender Rationierung im Zuge dieser Maßnahmen?

Das vierte Kapitel geht darauf ein, wie sich exogene Einflüsse, z.B. eine Rezession, auf das Ausmaß der Probleme asymmetrischer Information auswirken. Weiterhin wird ein Ausblick auf die Neugestaltung der Eigenkapitalvorschriften der Kreditinstitute (Basel II) und deren Konsequenzen auf die Kreditverfügbarkeit für Betriebe gegeben. Diese Änderung wird auch im Hinblick auf ihren Einfluss auf die Informationsverteilung zwischen Unternehmen und Banken thematisiert werden. Abschließend kann anhand der aktuellen Lage in Deutschland erkannt werden, dass Probleme asymmetrischer Information zu einer verschlechterten Kreditverfügbarkeit zumindest beitragen. Es ergeben sich mögliche Ansatzpunkte, aber auch dringender Handlungsbedarf, vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen, den Problemen asymmetrischer Informationsverteilung offensiv zu begegnen.

Das Schlusskapitel gibt noch einmal einen kurzen Überblick über die Thematik und weist darauf hin, dass auch Erklärungsansätze mit Hilfe asymmetrische Information, beobachtete Phänomene wie Kreditrationierung nicht vollständig beschreiben können. Diese Theorien stellen jedoch einen wesentlichen Beitrag zur Erklärung scheinbar irrationalen Verhaltens auf Kreditmärkten dar. Auswirkungen auch auf andere Bereiche der Mikro- und Makroökonomie sind enorm und es bleibt noch viel Raum für zukünftige Untersuchungen und Forschung.

B. Informationsasymmetrien bei der Kreditfinanzierung von Investitionsprojekten

1. Formen von Informationsasymmetrien und ihre Konsequenzen auf dem Kreditmarkt

1.1 Einführung

Situationen, in denen asymmetrische Information vorliegt, lassen sich geeignet im Rahmen der Prinzipal-Agent Theorie analysieren. Folgende typische Merkmale kennzeichnen eine sogenannte Agency-Beziehung:[11]

- Informationsasymmetrie liegt zwischen zwei (möglichen) Vertragspartnern, dem mit Informationsvorsprung handelnden Agent und dem schlechter informierten Prinzipal, vor. Diese kann nur unter Kosten überwunden werden.[12]
- Der Informationsvorsprung des Agent und dessen Handlungen beeinflussen das Vertragsergebnis und damit seinen eigenen Nutzen und den des Prinzipal.
- Das Ergebnis ist unsicher, es hängt nicht nur vom Handeln des Agenten, sondern auch von Zufallsereignissen ab.

Beim hier betrachteten Kreditmarkt ist normalerweise[13] der Kreditgeber, z.B. eine Bank, der Prinzipal. Der besser informierte Agent ist der Kreditnehmer, der das Vertragsergebnis, also vereinbarte Zins- und Tilgungszahlungen, durch sein Handeln beeinflussen kann. Der Informationsvorsprung des Agenten tritt hier in drei verschiedenen Formen auf:[14]

Zum einen „hidden characteristics“[15], d. h. Informationsasymmetrie bezüglich Eigenschaften oder Informationen, die bereits vor einem Vertragsschluss vorliegen, andererseits „hidden action“. Hier liegt asymmetrische Information bezüglich der Handlungen der anderen Partei im Rahmen einer Vertragsbeziehung vor. Des Weiteren kann noch das Problem des „costly state verification“ , eines versteckten Investitionsergebnisses, auftreten.

Die Bank möchte trotz dieser Informationsasymmetrien natürlich „gute“ und „schlechte“ Schuldner unterscheiden, da ihr Ertrag direkt von der Rückzahlungswahrscheinlichkeit der Darlehen abhängt. Die einfachste Möglichkeit des „screening“, d.h. der qualitativen Einstufung der Kreditnehmer, stellt der Zinssatz dar, da eine Änderung sich auf die Zusammensetzung der Kreditnachfrager auswirken kann.[16]

Im folgenden Abschnitt werden diese drei Formen von Informationsasymmetrien, die auf Kreditmärkten auftreten, kurz erläutert.

1.2 Hidden characteristics

Bereits vor Vertragsschluss bestehende „versteckten Eigenschaften“ können sich auf Fähigkeiten beziehungsweise Qualifikationen des Kreditnehmers und auf Merkmale des Investitionsprojekts beziehen. Wir nehmen an, dass es den Banken nicht möglich ist, diese Charakteristika zu erkennen.[17] Drei grundlegende Ansätze lassen sich unterscheiden:[18]

1.2.1 Fähigkeiten bzw. Qualifikationen der Kreditnehmer

Die verschiedenen kreditnachfragenden Unternehmer unterscheiden sich in ihren Fähigkeiten, ihrem Wissen, ihren Qualifikationen und Erfahrungen, die Banken jedoch können dies nicht einschätzen. Eine Erhöhung des Kreditzinses kann nun dazu führen, dass Unternehmer mit den größten Fähigkeiten auf Investitionen verzichten, da ihre Opportunitätskosten entsprechend hoch sind und sie z.B. lieber eine gut bezahlte Stelle annehmen. Somit tritt adverse Selektion auf, da die fähigsten Unternehmer, die der Bank die höchste Rendite bringen würden[19], aus dem Markt ausscheiden.[20]

1.2.2 Risiko der Projekte

Nur die Kreditnehmer wissen, wie risikoreich das Projekt ist, das sie über das nachgefragte Darlehen finanzieren möchten. Deswegen bieten die Banken einen einheitlichen Zinssatz an, der auf das durchschnittliche Risiko aller Projekte abgestimmt ist. Folge einer Zinserhöhung kann jetzt sein, dass die Unternehmen, deren Investitionsvorhaben ein niedriges Risiko und dadurch auch einen geringeren erwarteten Ertrag aufweisen, keine Kredite mehr nachfragen.[21] Der Bank bleiben die risikoreicheren Projekte, adverse Selektion hat stattgefunden.[22]

1.2.3 Zeithorizont der Investitionen

Eine weitere „versteckte Eigenschaft“ kann der individuelle Zeithorizont der Investitionen darstellen.[23] Wenn die Kreditgeber ein langfristiges gutes Projekt, das jedoch zu Beginn niedrige Erträge abwirft, nicht von einem kurzfristigen schlechten unterscheiden können, verweigern sie möglicherweise eine Anschlussfinanzierung.[24] Unternehmen, die sich nicht auf eine komplette Finanzierung verlassen können, verzichten dann lieber auf das langfristig ertragreiche Projekt und führen kurzfristige Investitionen mit niedrigeren Erträgen durch.

Auch die Banken schrecken unter Umständen vor der Finanzierung langfristiger Projekte zurück. Dies ist für sie nur rentabel, wenn sie die Anschlussfinanzierung so gestalten können, dass die niedrigen Erlöse und das hohe Risiko der ersten Kreditvergabe ausgeglichen werden. Ist es allerdings zu Beginn der zweiten Periode erkennbar, dass die Investition gut angelaufen ist und hohe Erträge eintreten werden, kann die Bank ihre Forderungen nicht mehr durchsetzen, da das Unternehmen günstigere Angebote von anderen Kreditgebern erhält.

Somit entfällt die Finanzierung langfristiger Projekte möglicherweise von Anfang an und eine optimale Kapitalallokation wird nicht erreicht.[25]

1.3 Hidden action

Nicht nur „versteckte Eigenschaften“ erschweren eine optimale Allokation von Ressourcen, auch Handlungen des Kreditnehmers nach Vertragsschluss beeinflussen den Ertrag der Bank. Diese kann beispielsweise weder den Grad der Anstrengung des Unternehmers beobachten, noch welches Projekt genau mit dem Darlehen finanziert wird.[26]

1.3.1 Grad der Anstrengung des Unternehmers

Unter der Annahme, dass der Kreditnehmer den Ertrag seiner Investition durch eigene Anstrengung positiv beeinflussen kann, kann folgendes Problem des „moral hazard” auftreten:

Eine Erhöhung des Kreditzinses senkt den Gewinn des Unternehmers und vermindert dadurch den von ihm erwarteten Grenzertrag seiner Anstrengung. Folglich reduziert er seinen Arbeitseinsatz. Die Bank ist also mit zwei gegenläufigen Effekten einer Zinserhöhung konfrontiert: Einerseits steigen ihre erwarteten Grenzzinserträge, andererseits aber auch ihre Grenzrisikokosten.[27]

1.3.2 Wechsel des Investitionsprojektes

Angenommen, einem Unternehmer stehen mehrere Projekte offen. Er kann wählen, welches er mit dem erhaltenen Kredit finanzieren möchte. Die Bank jedoch kann nicht erkennen, welche Investition getätigt wird. Dann liegt ein weiteres Problem der „versteckten Handlung“ vor:

Bietet die Bank einen niedrigen Kreditzins für ein bestimmtes Projekt mit geringem Risiko an, kann es geschehen, dass der Unternehmer es vorzieht, stattdessen ein anderes Projekt mit höherem Risiko zu finanzieren. Durch den nicht risikoadäquaten Zins kann die erwartete Rendite des Kreditnehmers aus dem risikoreicheren Projekt nun höher ausfallen als die des ursprünglich geplanten. Wenn die Banken das antizipieren, bieten sie von vornherein nur einen höheren Zins an, der auf das risikoreichere Projekt abgestimmt ist. Das Unternehmen investiert nun zwangsläufig in das Projekt mit dem niedrigeren erwarteten Ertrag. Folge ist somit wieder eine ineffiziente Kapitalallokation.[28]

1.4 Costly state verification

Die dritte Form von asymmetrischer Information, das Problem des „versteckten Investitionsergebnisses“ tritt nach Vertragsschluss auf. Der Ertrag des Projektes ist eine Zufallsvariable und nur dem Unternehmer bekannt. Somit hat er einen Anreiz, das tatsächliche Ergebnis zu verschweigen und zu lügen. Der Kreditgeber kann aber unter Kosten das wirklich erzielte Ergebnis der Investition herausfinden, indem er z.B. Prüfer in die Firma sendet.[29]

Bei der Betrachtung verschiedener Finanzierungsformen ergibt sich der Standardkreditvertrag[30] als optimale Lösung dieses Problems. Bei Eigenkapitalfinanzierung wäre eine kostenintensive Überprüfung des Ergebnisses sowohl im Erfolgs- als auch im Nichterfolgsfall der Investition nötig, da die Zahlungen direkt vom Ergebnis abhängen. Bei Fremdkapitalfinanzierung über einen Standardkreditvertrag ist eine Ergebniskontrolle hingegen nur erforderlich, wenn der Unternehmer mitteilt, dass es ihm nicht möglich sei, den Kredit zurückzuzahlen. Zusätzlich können Überwachungskosten im Vergleich zu einer Finanzierung durch mehrere Fremdkapitalgeber (z.B. durch Anleihen) eingespart werden, da bei Scheitern jetzt nur die Bank nachprüfen muss.[31]

Auch hier führt eine Zinserhöhung durch die Banken nicht nur zu höheren erwarteten Zinserträgen, sondern hat gleichzeitig negative Auswirkungen: Die steigenden Finanzierungskosten des Unternehmens erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projekt fehlschlägt. Und dadurch eine teure Nachprüfung des Ergebnisses durch die Banken nötig wird.[32]

1.5 Ableitung eines bankoptimalen Zinssatzes und Zusammenfassung

Die Banken werden einen Nachfrageüberhang am Kreditmarkt unter Umständen nicht durch Zinserhöhungen ausgleichen. Eine Steigerung des Zinssatzes erhöht nicht proportional die Profite der Bank, da z.B. das Kreditausfallrisiko zunimmt. Ab einem gewissen Zinssatz können die oben erwähnten negativen Effekte aus den verschiedenen Formen asymmetrischer Information sogar dominieren und den Ertrag der Bank trotz gesteigerter Zinseinnahmen unter den vorherigen Wert drücken.[33]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Beziehung zwischen Ertrag und Zinssatz

Es existiert also ein Zinssatz r*, bei dem der erwartete Ertrag der Bank maximal wird.[34] Keine Bank ist bereit zu einem höheren Zinssatz Kredite zu vergeben. Falls der markträumende Zinssatz über r* liegt, kann der Preismechanismus auf dem Kreditmarkt nicht reibungslos im Sinne eines vollständigen Marktes wirken. Das Marktgleichgewicht ist durch Kreditrationierung gekennzeichnet.[35]

Asymmetrisch verteilte Information führt also unter anderem dazu, dass die sich ergebenden Gleichgewichte häufig paretoineffiziente Kapitalallokationen darstellen. Eine spezielle Ausprägung dieser Ineffizienz kann die im Folgenden betrachtete Kreditrationierung sein.[36]

2. Das Phänomen der Kreditrationierung und seine Folgen

Allgemein wird Kreditrationierung als der Zustand definiert, in dem das Kreditangebot unter gegebenen Vertragsbedingungen geringer ist als die Nachfrage.[37]

2.1 Formen von Kreditrationierung

Verschiedene Formen von Kreditrationierung lassen sich unterscheiden:[38]

- Dynamische Rationierung als Folge vorübergehender Ungleichgewichte ist ein kurzfristiges Phänomen, das nur während eines Anpassungsprozesses auf eine exogene Störung auftritt, wenn sich der Zinssatz nicht sofort wieder seinem langfristig optimalen Niveau angepasst hat.[39]
- Kreditrationierung im Gleichgewicht aufgrund staatlicher Bestimmungen, die z.B. maximale Kreditzinsen oder Einlagenzinsuntergrenzen festlegen und dadurch einen markträumenden Zinssatz verhindern.
- Rationierung wegen unterschiedlicher Ansichten („ divergent view rationing“) beschreibt den Umstand, dass einige Unternehmer nicht zu den Zinsen Geld erhalten, die sie im Bezug auf ihr selbst wahrgenommenes Kreditausfallrisiko als angemessen betrachten.
- Kreditrationierung durch Ausschluss einer kompletten Risikoklasse („ redlining“[40] ) ist die Folge, wenn eine bestimmte Risikoklasse von kreditnachfragenden Unternehmen bei keinem Zinssatz den von der Bank erwarteten Mindestertrag[41] abwerfen kann.
- Zins- bzw. Preisrationierung ergibt sich, wenn einige oder alle Kreditnehmer zu einem gegebenen Zinssatz ein geringeres Kreditvolumen als gewünscht erhalten. Für größere Kredite verlangt die Bank wegen des damit steigenden Risikos einen höheren Zinssatz. Dies wird auch als Typ I Rationierung bezeichnet.[42]
- Strikte Kreditrationierung („ pure credit rationing“), auch Typ II Rationierung genannt, liegt vor, wenn einige Unternehmen zum herrschenden Zinssatz Kredit erhalten, andere aus der Sicht der Banken identische Kreditnachfrager jedoch abgelehnt werden, obwohl sie dieselben Konditionen akzeptiert hätten.

2.2 Eintreten von Kreditrationierung: Das Grundmodell

Zu Beginn sei angenommen, dass sich Unternehmen und Banken risikoneutral verhalten.[43]

Anhand der folgenden Grafik soll nun dargelegt werden, wie Kreditrationierung durch Informationsasymmetrien[44] auf dem Kreditmarkt eintreten kann.

Abbildung 5: Kreditrationierung als Folge asymmetrisch verteilter Information

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quadrant IV zeigt den, schon aus Abbildung drei bekannten, erwarteten Ertrag der Bank vor Refinanzierungskosten in Abhängigkeit vom Kreditzins. Der aufgrund asymmetrischer Information entstehende bankoptimale Zinssatz ist wieder mit r* bezeichnet.

In Quadrant III ist das mit steigendem Einlagenzins auch steigende Angebot an Spareinlagen eingezeichnet. Unterstellt werden also steigende Grenzkosten der Refinanzierung. Eine vereinfachende Annahme ist weiterhin, dass die Banken sich nur durch Spareinlagen refinanzieren. Da von einem vollständigen Wettbewerb im Bankensektor ausgegangen wird, geben die Banken ihre Erträge aus dem Kreditgeschäft komplett als Zinsen an die Sparer weiter. Von Kosten der Finanzintermediation wird abgesehen.

Zur Vereinfachung werden auch Mindestreservepflichten und Eigenkapitalanforderungen vernachlässigt. Deswegen erfolgt in Quadrant II nur eine Spiegelung an der Winkelhalbierenden, so dass das Volumen der Einlagen genau dem Kreditangebot entspricht.

Nun verbindet man die Kurven der Quadranten IV, III und II (gestrichelte Linien in der Grafik) und erhält die Kreditangebotskurve im I. Quadranten. Klar erkennbar ist, dass das Kreditangebot bei Erreichen des bankoptimalen Kreditzinssatzes r* maximal wird.

Falls nun eine wie in Quadrant I eingezeichnete Kreditnachfragekurve vorliegt, tritt Kreditrationierung auf. Die Bank ist nicht bereit, einen höheren Zins als r* zu verlangen, obwohl die Kreditnachfrage das Angebot um die durch die geschweifte Klammer angezeigte Höhe übersteigt, da sie sonst ihren Ertrag reduzieren, ja sogar Verlust machen würde. Man beachte, dass der höhere Zinssatz als r*, bei dem Kreditangebot und Kreditnachfrage übereinstimmen, kein Gleichgewichtszinssatz ist, da die Bank ihren Ertrag steigern kann, wenn sie den Kreditzins auf r* senkt. Kreditrationierung erfolgt hier also im Gleichgewicht. Unter der Annahme, dass die Kreditbewerber aus Sicht der Banken identisch sind und Kredit nur nachfragen, wenn sie die gesamte gewünschte Summe erhalten[45], liegt Typ II Rationierung vor. Einige Nachfrager erhalten Kredite, andere hingegen nicht.[46]

Da die Unternehmen aus Sicht der Banken nicht unterscheidbar waren, ist der Gleichgewichtszins r* hier ein auf das durchschnittliche Risiko, Können, Anstrengung etc. angepasster Zins. Unter den willkürlich gewählten Nachfragern, die Kredite bekommen, sind also z.B. gute wie schlechte Projektrisiken, erfahrene und weniger erfahrene Unternehmer vertreten, es tritt also ein sogenanntes „pooling“ Gleichgewicht auf.[47] Im Fall symmetrischer Information hätte jeder einen Zins zahlen müssen, der an seine spezifische Situation angepasst gewesen wäre. Dies bedeutet, dass aufgrund der Informationsprobleme eine Subventionierung der „schlechteren“ durch die „besseren“ Unternehmen erfolgt. Um diese Kosten tragen zu können, ist es notwendig, dass die Unternehmen Renten erzielen. Gelingt ihnen das nicht, bricht der Kreditmarkt zusammen, was durchaus auftreten kann. Wenn jedoch wie im obigen Modell trotz asymmetrischer Informationsverteilung Kreditmärkte entstehen, muss als wesentliche Annahme mit aufgenommen werden, dass Unternehmen Renten erzielen können.[48]

2.3 Modifikationen des Grundmodells

Im Folgenden sollen mehrere Annahmen des Grundmodells gelockert beziehungsweise soll von anderen Rahmenbedingungen ausgegangen werden. Tritt auch dann noch Kreditrationierung im Gleichgewicht auf?

2.3.1 Kreditrationierung bei mehreren Kreditnehmergruppen

Wenn es nun mehrere unterscheidbare Gruppen von Kreditnehmern gibt, die die Bank z.B. anhand des von ihr wahrgenommenen Ausfallrisikos eingeordnet hat, wird von jeder einzelnen Gruppe ein anderer Zinssatz verlangt. Bei einem vorliegenden Wettbewerbsgleichgewicht fordert die Bank den Zins in genau der Höhe, die den erwarteten Ertrag jeder Gruppe den Refinanzierungskosten d entsprechen lässt. Somit kann man drei Typen von Kreditnachfragergruppen unterscheiden.

Abbildung 6: Formen der Rationierung bei mehreren verschiedenen Kreditnehmergruppen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: nach Neuberger, D. [1998], S. 106

Nachfrager von Typ 1 erhalten überhaupt keine Kredite („redlining“), da bei keinem Zinssatz der erwartete Ertrag die Refinanzierungskosten der Bank decken würde.

Bewerber von Typ 2 hingegen bekommen alle Kredit. Jedoch kann die Bank wegen des Wettbewerbs nicht den ertragmaximierenden Zins r* verlangen, sondern nur den Satz, bei dem die Refinanzierungskosten gedeckt werden, ihr Gewinn also Null ist.

Die Unternehmen von Typ 3 bilden die marginale Gruppe, die, wie im Grundmodell, von strikter Kreditrationierung getroffen wird. Einige, aber nicht alle Mitglieder dieser Gruppe erhalten Kredit zum bankoptimalen Zins r*, der hier genau die Refinanzierungskosten deckt.[49]

Falls das Kreditvolumen sinkt, ist zuallererst immer die marginale Gruppe betroffen. Weitere Nachfrager werden rationiert, der Kreditzins bleibt fest bei r*. Ein drastisches Sinken des Kreditangebots bedeutet dann, dass für die vormaligen Typ 3 Unternehmen nun „redlining“ eintritt und andere Nachfrager vom Typ 2 jetzt zur marginalen Gruppe werden und nur noch zum Teil Kredit erhalten.[50]

Diskutiert wurde nun[51], ob bei einer viel größeren Zahl unterschiedlicher Gruppen nicht letztendlich nur ein Unternehmen der marginalen Gruppe angehört und damit strikte Kreditrationierung vernachlässigbar klein wird und empirisch durch dieses Modell nicht erklärbar ist. Allerdings ist es bei einem Kontinuum von Kreditnehmergruppen nicht mehr möglich, im Umfeld des marginalen Falls „redlining“ von strikter Rationierung zu differenzieren, da nahezu identische Nachfrager einmal von Typ 2 sind, also Kredit erhalten, oder von Typ 1 und damit keine Kredite bekommen, obwohl sie sich nur minimal unterscheiden. Dies kann man dann auch als strikte Rationierung begreifen.[52]

2.3.2 Andere Ertragsfunktion der Bank

Damit Kreditrationierung auftritt, ist es notwendig, dass es einen Zins unter dem markträumenden Zins rm gibt, bei dem die Erträge der Bank höher liegen als bei rm.[53] Nicht erforderlich hingegen ist, dass die Ertragsfunktion der Bank nur ein lokales Maximum aufweist. Asymmetrische Information könnte auch eine Form der Ertragsfunktion mit mehreren Maxima implizieren.

Abbildung 7: Gleichgewicht mit zwei Zinssätzen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: nach Stiglitz, J.E./ Weiss, A. [1981], S. 398

Mit rm sei also der markträumende Zinssatz bezeichnet, bei dem Kreditnachfrage und -angebot gleich groß sind. Beim Zins r* wird der erwartete Ertrag der Bank maximal. Falls r* kleiner als rm wäre, wäre dieser Fall identisch mit dem Grundmodell.

Wenn allerdings r* größer ist als rm, kann ein Gleichgewicht eintreten, bei dem Kredite zu zwei verschiedenen Zinssätzen r1 und r2 vergeben werden. Bei r1 und r2 erwirtschaftet die Bank denselben erwarteten Ertrag pro Kredit, wobei r2 der kleinste Zins über rm ist, für den das zutrifft und r1 den unter rm liegenden ertragmaximierenden Zins kennzeichnet. Die Banken bieten nicht allein zu r2 Kredite an, weil ihr Angebot sonst die Nachfrage übersteigen würde, da rm kleiner ist als r2 und die Kreditnachfrage mit zunehmendem Zins zurückgeht. Bei r1 liegt mit analoger Argumentation ein Nachfrageüberhang an Krediten vor. Einige Bewerber werden also bei r1 zurückgewiesen und fragen einen Kredit zum Zins r2 nach. Allerdings nur, wenn ihr zu finanzierendes Projekt auch dann noch rentabel ist, ansonsten trifft sie Rationierung.

Keine Bank ist bereit, Kredite für Zinsen zwischen r1 und r2 zu vergeben, da ihr erwarteter Ertrag sonst geringer als bei r1 und r2 ausfallen würde. Aufgrund vollkommenen Wettbewerbs ist auch kein Zins über r2 durchsetzbar.

Folglich besteht die Möglichkeit, dass ein Gleichgewicht mit zwei verschiedenen Zinssätzen und Rationierung beim niedrigeren der beiden auftritt.[54]

2.3.3 Grenzkosten der Refinanzierung und gesetzliche Eigenkapitalanforderungen

Steigt das Angebot an Krediten, geht bei konstant bleibenden Zinssatz zuerst der Nachfrageüberhang an Krediten zurück, bis strikte Kreditrationierung völlig verschwindet und dann der bankoptimale dem markträumenden Zinssatz entspricht. Bei einer weiteren Erhöhung des Kreditangebots sinkt dann sogar der markträumende Zins.[55]

Allerdings bewirkt eine wesentliche Voraussetzung im Grundmodell, dass zum bankoptimalen Zins nur ein begrenztes Kreditangebot besteht: Es wurde von steigenden Grenzkosten der Refinanzierung ausgegangen. Somit können die Banken zu dem von ihnen gezahlten Einlagenzins nur beschränkt Einlagegelder gewinnen. Besteht also zum bankoptimalen Zins eine höhere Kreditnachfrage als die Banken Einlagevolumen erhalten, ergibt sich Kreditrationierung.[56]

Banken, z.B. in Deutschland, können sich jedoch nicht nur bei Sparern Geld leihen, sondern sich beispielsweise auch an internationalen Finanzmärkten Geld beschaffen. Letztendlich ist es den Kreditinstituten sogar möglich, sich bei der Zentralbank unbegrenzt[57] ab einem bestimmten Zinssatz zu refinanzieren.

Allerdings schränken Eigenkapitalanforderungen direkt den Grad der Fremdfinanzierung einer Bank und somit die Höhe ihres Kreditangebots ein.[58]

Dies soll später in einem modifizierten Grundmodell Beachtung finden.

2.3.4 Kosten der Finanzintermediation und gesetzliche Mindestreserveanforderungen

Im Grundmodell wurde von Kosten der Finanzintermediation abgesehen und weiterhin angenommen, dass die Banken die erhaltenen Einlagegelder vollständig zur Finanzierung von Krediten einsetzen können.

In der Praxis allerdings fallen sehr wohl Kosten im Zuge der Kreditvergabe an, sei es unter anderem die Beratung der Unternehmen im Vorfeld der Finanzierung, die Prüfung der Kreditanträge oder die Überwachung während der Kreditlaufzeit.[59] Folglich kalkulieren die Banken mit einer höheren erwarteten Mindestrendite, unter der sie keine Kredite vergeben. Das Ausmaß von „redlining“ steigt.

Sind des Weiteren Mindestreserven bei der Zentralbank zu hinterlegen, kann nur ein Teil der erhaltenen Einlagen als Kredit vergeben werden. Im Quadrant II des Grundmodells wäre die Winkelhalbierende, an der gespiegelt wurde, durch eine flachere Gerade zu ersetzen. Folglich ergibt sich ein geringeres Kreditangebot der Banken. Kreditrationierung wird verstärkt oder entsteht gar neu.[60]

2.3.5 Kreditnachfrage

Ob Kreditrationierung überhaupt auftritt, hängt natürlich auch von der Nachfragekurve ab. Bis jetzt wurde eine willkürlich angenommene Nachfrage mit der entwickelten Angebotsfunktion in Verbindung gesetzt, so dass sich strikte Kreditrationierung ergab. Diese tritt allerdings nicht auf, wenn sich Nachfrage und Angebot im Grundmodell bei einem Zins schneiden, der unter dem bankoptimalen Zins r* liegt.[61]

Im nächsten Abschnitt wird dann im Rahmen eines erweiterten Grundmodells auch die über eine Gruppe von Unternehmern aggregierte Kreditnachfrage hergeleitet und näher betrachtet.

[...]


[1] Hayek, F. A. [1945], S. 519f

[2] vgl. Hayek, F. A. [1945], S. 520-524

[3] Hayek, F. A. [1945], S. 526

[4] vgl. Geanakoplos, J. [Arrow-Debreu model 1987], S.122

[5] vgl. Neyer, U. [2000], S. 27f

[6] vgl. Akerlof, G. A. [1970], S. 489f

[7] vgl. Riley, J. G. [signalling 1991], S. 330

[8] vgl. hierzu: Spence, Michael: Job Market Signalling. In: Quarterly Journal of Economics, Vol. 87 (1973), S. 355-374

[9] vgl. Wein, T. [1996], S. 3

[10] o.V.: [Nobelpreis 2001], S. 1

[11] vgl. Arrow, K. J. [1991], S. 37ff und Neuberger, D. [1998], S. 14

[12] Diese Kosten kennzeichnen die Differenz zwischen dem Gewinn oder Nutzen in der erstbesten Lösung und dem der zweitbesten Lösung der Agency-Beziehung. Hierzu zählen beim später betrachteten Kreditmarkt z.B. die Kosten der Kreditprüfung und Kreditüberwachung, die Kosten des Signalling usw.; vgl. Kapitel B.3 Lösungsansätze ab Seite 42

[13] Einen anderen Aspekt betrachten de Meza und Southey. Bei Kreditnachfrage im Rahmen von Unternehmensneugründungen oder durch noch unerfahrene Unternehmer kann ein Informationsvorsprung durchaus auf Seiten der Bank vorliegen, die evtl. über höhere Managementkompetenz und Markterfahrung verfügt. Vgl. hierzu Meza, D. / Southey, C. [1996], S. 375ff

[14] vgl. Neyer, U. [2000], S. 30 und Hillier, B. [1997], S. 4

[15] Andere Bezeichnung: hidden information

[16] vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S. 393

[17] In einem gewissen Rahmen können Banken unter Kosten sicherlich Eigenschaften und Absichten der Kreditnehmer bzw. Projekte erkennen. Hierauf soll aber erst bei den Lösungsansätzen eingegangen werden, vgl. Kapitel B.3.1 auf Seite 42

[18] vgl. Clemenz, G. [1986], S. 47 und Neyer, U. [2000], S. 32f

[19] Es wird davon ausgegangen, dass bei an sich gleichwertigen Projekten eine höhere Qualifikation der Kreditnehmer die erwartete Rendite aus dem zu finanzierenden Projekt positiv beeinflusst.

[20] vgl. Clemenz, G. [1986], S. 60-64 und Neyer, U. [2000], S. 33

[21] Es wäre unter bestimmten Annahmen auch möglich, dass die Unternehmen mit den relativ risikoreichen Projekten als erstes aus dem Markt ausscheiden und sich so vorteilhafte Selektion ergibt. In dieser Arbeit wird aber nur adverse Selektion betrachtet. Für den anderen Ansatz vgl. Meza, D. / Webb, D. [1987], S. 281ff

[22] vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S. 393 und Clemenz, G. [1986], S. 48-55

[23] vgl. Schlick, O. [1994], S. 45

[24] Langfristige Verträge, die alle Eventualitäten mit einschließen und die Anschlussfinanzierung sichern, sind - wenn überhaupt - nur sehr schwierig abzuschließen. Vgl. Klische, A. [1995], S. 31 und Hart, O. [incomplete contracts 1992], S. 344, 351

[25] vgl. Neyer, U. [2000], S. 33f und Thadden, E.-L. [1995], S. 558f

[26] Das ist natürlich eine Vereinfachung. Zu einem gewissen Grad können Banken unter Kosten wohl immer erkennen, was die Kreditnehmer mit dem erhaltenen Geld finanzieren. Aber das sogenannte „monitoring“ stellt ja bereits eine Reaktion der Banken auf das Problem der „hidden action“ dar! Vgl. Kapitel B.3.1 auf Seite 42

[27] vgl. Clemenz, G. [1986], S. 64-66 und Neyer, U. [2000], S. 35f

[28] vgl. Hillier, B. [1997], S. 36-42 und Neyer, U. [2000], S. 34f

[29] vgl. Hillier, B. [1997], S. 4f

[30] Dieser beinhaltet, dass fest vereinbarte Zins- und Tilgungszahlungen im Erfolgsfall und der maximal mögliche Betrag bei Misserfolg zu zahlen sind.

[31] vgl. Hillier, B. [1997], S. 57-64 und Williamson, S. D. [1987], S. 139

[32] vgl. Schwarz, M. [WISU 1999], S. 1070

[33] vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S. 394

[34] Dies setzt eine hinreichend große Varianz der Erfolgswahrscheinlichkeiten der Projekte innerhalb der nachfragenden Gruppe voraus. Die erwarteten Grenzkosten der negativen Effekte aus asymmetrischer Information müssen die erwarteten Grenzerträge der Zinserhöhung übersteigen, vgl. Neyer, U. [2000], S. 96, S. 100. Hiervon wird aber im Folgenden ausgegangen. Wenn die Banken die Kreditnachfrager wie im späteren Grundmodell nicht beliebig gut unterscheiden können, ist diese Annahme gerechtfertigt.

[35] vgl. Jaffee, D. M./ Stiglitz, J. E. [1990], S. 854

[36] vgl. Neyer, U. [2000], S. 37

[37] vgl. Jaffee, D. M. [credit rationing 1991], S. 719

[38] vgl. Jaffee, D. M./ Stiglitz, J. E. [1990], S. 847-849 und Neuberger, D. [1998], S.103f

[39] Gründe hierfür sind Unvollkommenheiten des Kreditmarktes, z.B. benötigen die Banken Zeit, um neue Kreditanträge zu prüfen.

[40] Dieser Begriff bezieht sich ursprünglich darauf, dass Hypothekenbanken in den USA die Stadtviertel oder Gegenden auf Stadtplänen rot umrandeten, in denen keine Kredite vergeben werden durften. Vgl. Jaffee, D. M./ Stiglitz, J. E. [1990], S. 848. Es lässt sich zwar streiten, ob „redlining“ wirklich als Rationierung angesehen werden kann. Es soll dennoch betrachtet werden, da die verschiedenen Formen von Rationierung häufig sehr nahe beieinander liegen. Vgl. Kapitel B.2.3.1 auf Seite 17

[41] Dieser beinhaltet Refinanzierungskosten und je nach Modell auch Kosten der Intermediation etc.

[42] vgl. Keeton, W. R. [1979], S. 2

[43] Dies vereinfacht die Analyse, ohne wesentliche Kernaussagen zu verfälschen. Für die Banken ist diese Annahme auch dadurch zu begründen, dass diese in viele verschiedene Projekte investieren, die zwar einzeln gesehen alle nur einen unsicheren Ertrag erwirtschaften, aber in ihrer Gesamtheit aufgrund der Risikostreuung eine sichere Verzinsung der Einlagegelder ermöglichen. Vgl. Klische, A. [1995], S. 86f

[44] Für einen Überblick über andere, frühere Ansätze zur Erklärung von Kreditrationierung vergleiche z.B. Jaffee, D. M./ Stiglitz, J. E. [1990], S. 849 – 853 oder komplett Baltensperger, E. / Devinney, T. M. [1984].

[45] Zur Vereinfachung geht man davon aus, dass die Unternehmen nur beschränkt über Eigenkapital verfügen und dieses nicht ausweiten können. Folglich benötigen die Nachfrager eine feste Summe Kredit um ihr unteilbares Projekt durchführen zu können, vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S. 396.

[46] vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S. 397f und Neyer, U. [2000], S. 40f und Schwarz, M. [WISU 1999], S. 1070

[47] vgl. Meza, D. [pooling 1992], S. 149

[48] vgl. Neyer, U. [2000], S. 69

[49] vgl. Neuberger, D. [1998], S. 106f und Jaffee, D. M./ Stiglitz, J. E. [1990], S. 859f und Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S. 406f

[50] vgl. Jaffee, D. M./ Stiglitz, J. E. [1990], S. 860

[51] vgl. Riley, J. G. [1987], S.227ff

[52] vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1987], S.229f

[53] vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S.397

[54] vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S. 398 und Clemenz, G. [1986], S. 46

[55] vgl. Stiglitz, J. E./ Weiss, A. [1981], S. 398

[56] vgl. Neyer, U. [2000], S. 41f

[57] Die Spitzenrefinanzierungsfazilität der EZB ist mengenmäßig unbegrenzt, wenn die Banken ausreichend Sicherheiten stellen können. Vgl. Görgens, E./ Ruckriegel, K./ Seitz, F. [1999], S. 133

[58] vgl. Deutsche Bundesbank [Januar 2002], S. 42

[59] vgl. Neyer, U. [2000], S. 68

[60] vgl. Neuberger, D. [1994], S. 27

[61] vgl. Schlick, O. [1994], S. 57, 65

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung von asymmetrischer Information auf Kreditmärkten
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Wirtschaftswissenschaften)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
84
Katalognummer
V17319
ISBN (eBook)
9783638219174
Dateigröße
1047 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Information, Kreditmärkten
Arbeit zitieren
Stefan Zeller (Autor:in), 2003, Die Bedeutung von asymmetrischer Information auf Kreditmärkten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17319

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