Der deutsch-französische Fernsehkulturkanal ARTE ging im Mai 1992 als erster und bisher einziger binationaler Sender Europas auf Sendung. Bei seiner rechtlichen Gestaltung wurden unter dem Dach einer gemeinsamen europäischen Trägergesellschaft das französische zentralistische und das deutsche föderale Rundfunksystem miteinander verbunden.
Ziel dieser Masterarbeit ist es, die komplizierte Rechtsgestalt von ARTE mit Blick auf die Neuordnung des französischen Medienrechts im Jahr 2000 aufzuzeigen. Im Zuge dieser Reform sollte der französische Teil von ARTE nach dem Willen der französischen Regierung in eine Holding eingegliedert und dem französischen Staat unterstellt werden, was aufgrund des Widerstands der deutschen Seite und der Straßburger ARTE-Zentrale letztlich nicht gelang. Die Arbeit zeigt, dass dies der vertraglich garantierten Unabhängigkeit des Senders widersprochen hätte.
Im ersten Teil der Arbeit werden die Unterschiede zwischen dem französischen und dem deutschen Rundfunksystem untersucht, soweit sie sich in der rechtlichen Gestalt des Senders niedergeschlagen haben. Im zweiten Teil geht es um die Entstehungsgeschichte des Senders. Im dritten Teil wird die komplizierte Rechtsgestalt von ARTE aufgezeigt.
Der Europäische Kulturkanal fußt auf einem völkerrechtlichen Rahmenvertrag, der einen Tag vor der offiziellen deutschen Wiedervereinigung, am 2.10.1990, zwischen den elf „alten“ deutschen Bundesländern und Frankreich geschlossen wurde. Der Abschluss dieses völkerrechtlichen Rahmenvertrags war ungewöhnlich. Damit wurde die spätere Gründung von ARTE in groben Zügen von politischer Seite abgesichert. Weil schon früh politischer Konsens über Straßburg als dem Sitz des Senders herrschte, war dies notwendig, da ansonsten ausschließlich französisches Recht für den Sender gegolten hätte, das in personeller, finanzieller und inhaltlich-redaktioneller Hinsicht einen erheblich weiteren Einfluss des Staates auf den Rundfunk zulässt als das deutsche Rundfunkrecht.
Die Bestrebungen des französischen Gesetzgebers, den französischen Teil von ARTE anlässlich der Neuordnung des französischen Medienrechts im Jahr 2000 in die Staatsholding "France Télévision" einzugliedern, werden analysiert. Die Arbeit endet mit einer Bewertung dieses turbulenten, bisher erfolglosen Versuchs. Im Anhang der Arbeit finden sich die Verträge, auf denen der Fernsehsender ARTE fußt, sowie ein Organigramm zu seiner komplexen Rechtsgestalt.
Inhaltsverzeichnis
- A. Hintergrund
- I. Das deutsche und das französische Rundfunksystem
- 1. Verfassungsrechtliche Unterschiede
- 2. Institutionelle Unterschiede
- 3. Französischer Staatseinfluß versus deutscher Parteieneinfluß
- 4. Finanzierung
- II. Die Entstehungsgeschichte des Europäischen Kulturkanals ARTE
- 1. Die Gründungsphase
- 2. Die politische Bedeutung des Projekts
- 3. Die technologische Bedeutung des Projekts
- a) Das deutsch-französische Satellitensystem
- b) Die europäische Fernsehnorm D2-MAC
- 4. Die medienpolitische Bedeutung des Projekts
- a) Interessenlage in Frankreich
- b) Interessenlage in Deutschland
- III. Die Rechtsgestalt von ARTE
- 1. Der völkerrechtliche Rahmenvertrag zwischen den deutschen Bundesländern und Frankreich
- a) Kontroverse in Deutschland um die Abschlußkompetenz von Bund oder Ländern
- aa) Föderalistische Interpretation des Art. 32 GG
- bb) Zentralistische Interpretation des Art. 32 GG
- cc) Diskussion
- dd) Das Lindauer Abkommen
- ee) Verzichtserklärung des Bundes
- b) Überblick über den Inhalt des völkerrechtlichen Rahmenvertrags
- c) Formale Funktion des völkerrechtlichen Rahmenvertrags
- d) Unwirksamkeit des Vertrags wegen unzureichender Ratifizierung?
- e) Zusammenfassende Bewertung
- a) Kontroverse in Deutschland um die Abschlußkompetenz von Bund oder Ländern
- 2. Die Gesellschaftsverträge von ARTE Deutschland und ARTE France
- a) ARTE Deutschland TV GmbH
- aa) Gründungsgeschichte der ARTE Deutschland TV GmbH
- bb) Organe von ARTE Deutschland
- cc) Aufgabe von ARTE Deutschland
- dd) Finanzabwicklung durch ARTE Deutschland
- ee) Zusammenfassende Bewertung
- b) ARTE France S.A.
- aa) Gründungsgeschichte von ARTE France S.A.
- bb) Aufgabe von ARTE France
- cc) Tochterunternehmen von ARTE France
- dd) Zusammenfassende Bewertung
- a) ARTE Deutschland TV GmbH
- 3. Die Trägergesellschaft ARTE GEIE zwischen der ARTE Deutschland TV GmbH und der ARTE France S.A.
- a) Kontroverse um die Rechtsform der Trägergesellschaft
- b) EG-Verordnung als Rechtsgrundlage
- c) Charakteristika der GEIE
- d) Entscheidungs- und Aufsichtsgremien von ARTE GEIE
- aa) Mitgliederversammlung
- bb) Vorstand
- cc) Programmkonferenz
- dd) Programmbeirat
- e) Aufgabe der ARTE GEIE
- f) Programmauflagen
- g) Stellung der ARTE GEIE
- h) Finanzierung der Straßburger Zentrale
- i) Zusammenfassende Bewertung
- 1. Der völkerrechtliche Rahmenvertrag zwischen den deutschen Bundesländern und Frankreich
- I. Das deutsche und das französische Rundfunksystem
- B. Neuere Entwicklung
- I. Teilfusion von La SEPT-ARTE mit dem Bildungskanal La Cinquième
- II. Geplante Eingliederung von La SEPT-ARTE in die Staatsholding France Télévision S.A.
- III. Verstoß gegen die vertraglich garantierte Unabhängigkeit von ARTE GEIE
- 1. personelle Unabhängigkeit
- 2. finanzielle Unabhängigkeit
- 3. inhaltlich-redaktionelle Unabhängigkeit
- 4. Zwischenergebnis
- IV. Entwicklung bis zum "Kapitulationsschreiben" von Jospin an Schröder
- V. Einbringung und Verabschiedung eines Änderungsantrags und Inkrafttreten des neuen französischen Mediengesetzes
- C. Ausblick und Bewertung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit befasst sich mit dem rechtlichen Status von ARTE im Kontext der Neuordnung des französischen Medienrechts. Ziel ist es, die komplexe Rechtsgestalt von ARTE im Hinblick auf den Versuch der französischen Seite, ARTE in eine staatliche Holding einzubinden, zu analysieren. Die Arbeit untersucht, ob dieser Eingliederungsversuch rechtlich zulässig war und ob die Gefahr besteht, dass der französische Staat erneut versucht, Einfluss auf ARTE auszuüben. Die Arbeit beleuchtet außerdem die Herausforderungen und Chancen, die sich für ARTE aus dem Zusammenspiel von deutschem föderalem und französischem zentralistischem Rundfunksystem ergeben.
- Die Rechtsgestalt von ARTE
- Die Rolle des völkerrechtlichen Rahmenvertrags
- Die Bedeutung der Gesellschaftsverträge von ARTE Deutschland und ARTE France
- Die Funktion der Trägergesellschaft ARTE GEIE
- Der Versuch der französischen Seite, ARTE in eine staatliche Holding einzubinden
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Teil der Arbeit wird der Hintergrund von ARTE beleuchtet. Dazu wird ein Überblick über die deutschen und französischen Rundfunksysteme gegeben. Dabei werden insbesondere die verfassungsrechtlichen und institutionellen Unterschiede sowie die Finanzierung der Sender betrachtet. Anschließend wird die Entstehungsgeschichte von ARTE im Detail dargestellt, wobei sowohl die politische, technologische als auch die medienpolitische Bedeutung des Projekts hervorgehoben wird. Der erste Teil endet mit einer Analyse der rechtlichen Struktur von ARTE, einschließlich des völkerrechtlichen Rahmenvertrags, der Gesellschaftsverträge und der Trägergesellschaft ARTE GEIE. Der zweite Teil der Arbeit widmet sich den jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit ARTE. Er beleuchtet die geplante Eingliederung von La SEPT-ARTE in die staatliche Holding France Télévision S.A. und analysiert die damit verbundenen rechtlichen und politischen Herausforderungen. Insbesondere wird geprüft, ob die geplante Eingliederung einen Verstoß gegen die vertraglich garantierte Unabhängigkeit von ARTE GEIE darstellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem rechtlichen Status von ARTE im Kontext der Neuordnung des französischen Medienrechts. Wichtige Themen sind die Rechtsgestalt von ARTE, das Zusammenspiel von deutschem föderalem und französischem zentralistischem Rundfunksystem, die Bedeutung des völkerrechtlichen Rahmenvertrags, die Gesellschaftsverträge von ARTE Deutschland und ARTE France, die Trägergesellschaft ARTE GEIE und der Versuch der französischen Seite, ARTE in eine staatliche Holding einzubinden.
- Quote paper
- Anna Keller (Author), 2002, Rechtlicher Status von ARTE im Blick auf die Neuordnung des französischen Medienrechts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173432