Die Interpretation der Hortforderung unter dem triuwe-Gesichtspunkt der Antagonisten Kriemhild und Hagen


Seminararbeit, 2003

17 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Klärung des triuwe -Begriffs/ Wertigkeit in der nibelungischen Gesellschaft

3 Loyalitäten
3.1 Hagen
3.2 Kriemhild
3.3 Aufeinanderprallen dieser Loyalitäten

4 Interpretation
4.1 Interpretation der Hortforderung durch die Forschung
4.2 Interpretation durch die Autorin

5 Fazit und Schluß

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Hortraub und Hortforderungsszene beschäftigen die Nibelungenlied (NL)-Rezeption seit Anbeginn. Während über den Hortraub eine Art „stillschweigender Konsens“[1] besteht, hat die Hortforderungsszene die Forschung vor einige unbewältigte Fragen gestellt[2], die an späterer Stelle noch genauer beleuchtet werden sollen. Da die Hortforderungsszene der Moment ist, in dem die unterschiedlichen triuwe -Konzepte aufeinanderprallen und im unausweichlichen Desaster enden, soll die Wertigkeit und Definition von eben diesem triuwe -Begriff im folgenden untersucht werden.

Marie-Luise Bernreuther macht ihre Interpretation unter anderem an diesem mittelalterlichen triuwe- Prinzip fest:

„ ...inwieweit im „Nibelungenlied“ die Abweichungen einzelner Protagonisten von (...) normativen Regeln zur Katastrophe führen oder ob nicht gerade die konsequente Erfüllung der geforderten Verhaltensschemata (triuwe zum Herrschaftsverband; triuwe zum einzigartigen Minnepartner) zu der unheilvollen Konfrontation gleich werthafter, aber antagonistischer Bestrebungen führt...“[3]

Desweiteren werden die unterschiedlichen Loyalitäten Hagens und Kriemhilds betrachtet und deren Aufeinandertreffen ausgewertet. Die Arbeit schließt mit den Beobachtungen zur Rezeption der Interpretation der Hortforderung durch die Autorin.

2 Klärung des triuwe - Begriffs/ Wertigkeit in der nibelungischen Gesellschaft

Voranstellen möchte ich einen Satz Maren Jönssons:

„Es gehört zur Struktur des NLs, daß die Gesellschaft durch verschiedenartige Bindungen, vor allem durch die triuwe -Verpflichtungen, zusammengehalten wird. Gerade deren Kollidieren führt im NL immer wieder zu Loyalitätskonflikten.“[4]

Das triuwe versus ungetriuwe -Schema ist für die Nibelungenrezeption bislang immer von großer Wichtigkeit gewesen. Sie gilt als ein wichtiges Motivationselement, im positiven wie negativen, für den gesamten Handlungsverlauf im NL.

Matthias Lexer gibt in seinem Mittelhochdeutschen Taschenwörterbuch folgende Definition für triuwe:

triuwe, triwe, triu stf. Wohlmeinendheit, aufrichtigkeit, zuverlässigkeit, treue ( überh. das sittliche pflichtverhältnis zwischen allerhand einander zugehörigen); gegebenes wort, gelübde, versprechen... “[5]

Die verschiedenartigen triuwe -Bindungen im NL beinhalten all diese Eigenschaften beziehungsweise die Probleme, die aus dem eklatanten Mangel dieser Eigenschaften resultieren. Die durchweg positiv besetzte Figur Rüdegers[6] als Idealtypus des Vasallen und die streitbar motivierte triuwe Hagens zum einen, und die geschwisterliche triuwe Kriemhilds und ihrer Brüder zum anderen sind an dieser Stelle zu nennen. Nicht zu vergessen ist auch die umstrittenste triuwe-Bindung Siegfried/ Kriemhild.[7]

triuwe -Verbände entstehen unter anderem durch Geburt ( das gilt durch die mittelalterliche Ständeordnung auch für die Vasallen triuwe) und Heirat. Jan-Dirk Müller spricht auch von triuwe unter „Gleichen, die sich zu irgendeinem Zweck zusammenschließen“[8]. Diese Verbindungen werden durch dienen -Rituale gestärkt. In dem Zusammenhang bemerkt Jönsson, daß Kriemhilds dienen-Rituale ihren Brüdern gegenüber(z.Bsp. Ausstattung der Werbungsfahrt zu Brünhild) „schlecht gelohnt werden“[9] Desweitern sieht sie im vermehrten Verletzen dieser Rituale, und damit der triuwe -Bindung, die logische Motivation für Kriemhilds Rache an ihren Brüdern[10].

Wie wichtig und existenziell die triuwe -Bindung für die mittelalterliche Gesellschaft war, ist gut am Beispiel Rüdegers zu sehen. Rüdeger, Vasall Etzels und gleichzeitig dem Wormser Königshaus durch Heirat seiner Tochter mit Giselher verbunden, wird zerrissen zwischen seinen beiden Loyalitäten im finalen Kampf Kriemhild gegen Hagen und ihre Brüder. Seine einzige Möglichkeit, die Ideale der triuwe und ê re zu wahren ist sein Tod, nachdem sein Ansinnen, sich aus Etzels triuwe -Verbund zu lösen, gescheitert ist.

Diese triuwe -Bindung, deren Verantwortung sich Rüdeger nicht entzieht, steht in herbem Gegensatz zu der triuwe -Bindung zwischen Kriemhild und ihren Brüdern, bei der der Schein das Sein bei weitem überwiegt

J.-D. Müller bezeichnet triuw e als „das Prinzip, das den Zusammenhang des Personenverbandes garantieren sollte“[11]. Er definiert triuwe als etwas „mehr als ein individuelles Gefühl“ und doch „weniger als eine institutionell abgesicherte Verpflichtung“[12]. Für ihn ist triuwe der „Inbegriff aller wechselseitigen Bindungen zwischen Menschen“[13]. Dieser Definition möchte ich mich was das NL angeht, jedoch nicht uneingeschränkt anschließen.

Das triuwe -Prinzip beschrieb vielerlei Verhältnisse bis es im 12./13. Jh. Eine Verschiebung des Begriffes zu einem für eine individuell geformte Beziehung erfuhr.[14]

Für das Nibelungenlied ist dies insofern von Bedeutung, da die Individualisierung von triuwe (Kriemhild) aus dem triuwe -Netz herausgelöst, einen desaströsen Verlauf nimmt.

3 Loyalitäten

3.1 Hagen

Hagen hält im Nibelungenlied eine Art Sonderstellung inne. Sein Wissen um verschiedenste Dinge[15] und nicht zuletzt um den Untergang der Nibelungen selbst, läßt sich mitunter schwierig aus dem Text ableiten. Jönsson sieht in ihm interessanterweise einen Vorläufer von Shakespeares ränkeschmiedendem Jago[16]. Dabei bezieht sie sich auf Hagens Manipulationen, die vor allem durch sein sein „unheimliches“[17] Wissen möglich gemacht werden. Seine Wandlung vom Ratgeber und Wisssenden:

„sît wir ir niht erkennen, nu sult ir heizen gân

nâch mînem œheim Hagenen; den sult ir si sehen lân.

Dem sint kunt diu rîche und ouch diu vremden lant.

Sint im die herren künde, daz tout er uns bekannt.“ (81, 3-4/ 82, 1-2)[18]

zum Mordanstifter (ab 867) zum Helden der Nibelungen ist nicht ohne Brüche. Im Gegensatz zu anderen Stoffkreisen[19] ist Hagen im NL nicht Verwandter, sondern Vasall der königlichen Wormser Geschwister. Es sei dabei dahingestellt, ob die eventuelle verwandtschaftliche Beziehung Kriemhilds und Hagens Verhältnis zueinander verändert hätte. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, da die Vasallen- triuwe im NL deutlich der Verwandtschafts- triuwe vorgezogen wird. Letztendlich hielt der Verwandtschaftsgrad auch Kriemhilds Brüder nicht vom Mordkomplott am Ehemann ihrer Schwester ab.

Hagens Loyalität gilt dem Wormser Königshaus, respektive Gunther, und später auch Brünhild in ihrer Funktion als Gunthers Frau. Der scheinbare triuwe -Konflikt Hagens mit den verschiedenen geschwisterlichen Interessen existiert sogesehen gar nicht, da Kriemhild durch ihre Heirat Siegfrieds Sippe zugehörig wird[20]. Somit ist sie für Hagen auch nicht mehr Teil der Sippe, der er Loyalität schuldet.

Jönsson spricht vom „ persönlichen Handlungstrieb der êre“[21] und definiert Hagens sonst über die Interessen der Wormser Könige. Dafür schreckt er vor nichts zurück

[...]


[1] Marie-Luise Bernreuther: Motivationsstruktur und Erzählstruktur im „Nibelungenlied“ und in der „Klage“. Greifswald 1994, S.59

[2] Ebd., S. 109

[3] Ebd., S. 10

[4] Maren Jönsson: „Ob ich ein ritter wære“. Genderentwürfe und genderrelatierte Erzählstrategien im Nibelungenlied. Uppsala 2001, S.76

[5] Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch Stuttgart 1992

[6] vgl. Bernreuther, a.a.O., S.65

[7] siehe Kapitel 3.1 Kriemhild

[8] Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes. Tübingen 1998

[9] Maren Jönsson, a.a.O., S.81

[10] Vgl. ebd., S.83

[11] Müller, a.a.O., S. 163

[12] Ebd., S. 163f.

[13] Ebd., S. 163

[14] Vgl. Müller, S. 164

[15] Siegfrieds Existenz Vers 86f.

[16] Jönsson, a.a.O., S.174

[17] Ebd., S.173

[18] Helmut de Boor (Hg.) nach Karl Bartsch: Das Nibelungenlied, Wiesbaden 1972

[19] wie beispielsweise in der Thidrekssaga

[20] vgl. Jönsson, a.a.O., S. 176

[21] Jönsson, a.a.O., S.177

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Interpretation der Hortforderung unter dem triuwe-Gesichtspunkt der Antagonisten Kriemhild und Hagen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für germanistische Mediävistik)
Veranstaltung
Das Nibelungenlied
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V17380
ISBN (eBook)
9783638219679
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interpretation, Hortforderung, Antagonisten, Kriemhild, Hagen, Nibelungenlied
Arbeit zitieren
Albertine Selunka (Autor:in), 2003, Die Interpretation der Hortforderung unter dem triuwe-Gesichtspunkt der Antagonisten Kriemhild und Hagen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17380

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