Leseprobe
Inhaltsübersicht
Einleitung
Das magische Dreieck
Zur Entkoppelung
- Effizienzkritik
- Konsumkritik
- Wohlfahrtskritik
Überlegungen zu möglichen integrierten umwelt-, sozial- und wirtschaftspolitischen
Maßnahmen
Zum magischen Dreieck von Lebensqualität, Wohlstand und gesellschaftlichem Stoffwechsel
Einleitung
Die Menschheit steht vor einer neuen Stufe der Naturbeherrschung. Der ursprünglich scharfe Unterschied zwischen der Welt des Gemachten und der Welt des Geborenen beginnt zu verschwimmen. Maschine als Leben, Leben als Maschine - lösen sich die Grenzen zwischen Artefakt und Natur auf? Immer tiefer greifen Gesellschaften in Lebensprozesse ein, um sich natürliche Systeme nutzbar zu machen. Das Maß der Technologisierung menschlicher Lebensweisen scheint keine Grenzen zu kennen.
Österreich ist eines der Länder, das Beiträge zum materiellen Stoffwechsel leistet.
Gesellschaften entnehmen der Natur Rohstoffe, verarbeiten sie zu Nahrung und anderen Produkten und schließlich zu Abfällen und Emissionen. Analog zum Stoffwechsel eines Organismus werden diese materiellen und energetischen Austauschbeziehungen zwischen Gesellschaften und Natur gesellschaftlicher Metabolismus genannt.
Im Hinblick auf die Umweltfolgen gesellschaftlichen Handelns stellen sich folgende zentrale Fragen: Können die Beziehungen von Gesellschaften mit der Natur als reine Input-Output- Prozesse von Materialien unterschiedlicher Qualität und Menge ausreichend beschrieben werden? Welche Strategien entwickeln Gesellschaften um ihre vielfältigen Austauschbeziehungen mit der Natur zu organisieren? Wie kann die ökologische Dimension von Eingriffen in natürliche Systeme erfasst werden, wie sie landwirtschaftliche Aktivitäten oder die moderne Gentechnologie darstellen?
Gesellschaften greifen gezielt in Natursysteme ein und transformieren sie dabei in einer Weise, dass sie für Gesellschaften nützlicher sind als ohne diesen Eingriff. Diese Art der Umweltbeziehung wird Kolonisierung von Natur genannt. Kolonisierende Eingriffe können mit materiellem und energetischem Aufwand verbunden sein, setzen in natürlichen Systemen für bestimmte Parameter die ökosystemaren Selbstregulierungskräfte außer Kraft und ersetzen sie durch gezielte menschliche Planung. Aus natürlichen Systemen entstehen gesellschaftliche Kolonien. Wenn von Kolonisierung der Natur gesprochen ist dreierlei wichtig:
1. dass es um gesellschaftliches Handeln geht, das darauf abzielt, bestimmte Parameter eines natürlichen Systems zu manipulieren (und nicht bloß um Nachwirkungen oder Nebenfolgen von Handeln),
2. dass dieses Handeln eine gewisse Beständigkeit hat, dass heißt im Sinne eines negativen Feedbacks auf Veränderung des natürlichen Systems reagiert, und
3. dass es im Sinn von Kausalität eine gewisse Wirksamkeit hat.
Ansätze für eine solche Sichtweise des gesellschaftlichen Umgangs mit Natur finden sich im ökologisch-energetischen Ansatz von Rolf Peter Sieferle in den ökonomisch-historischen Überlegungen von Maurice Godelier (1990) und aus kulturanthropologischer Sicht bei Marvin Harris (1990). Als konsistentes Konzept wurde der Kolonisierungsansatz aber erst kürzlich in den Umweltdiskurs eingebracht. Mit der Vorlage des Konzeptes von gesellschaftlichem Stoffwechsel und Kolonisierung ist eine wesentliche Erweiterung bisheriger Instrumente umweltbezogener gesellschaftlicher Selbstbeobachtung gelungen.
Das magische Dreieck:
In Abbildung 1 wird eine innersystemische, gesellschaftliche Dynamik beschrieben, die aus drei qualitativ unterschiedlichen Größen besteht:
- Menge an Lebensqualität
- Menge an wirtschaftlicher Aktivität
- Menge der gesellschaftlich prozessierten physischen Ressourcen
Rückkoppelungen zwischen gesellschaftlicher Dynamik und natürlicher Umwelt finden durch den Stoffwechsel (Der Mensch greift aktiv in die natürliche Umwelt ein) und das Wohlbefinden (Der Mensch ist gewissermaßen passiv, als möglicher Betroffener veränderlicher Naturbedingungen, in die Umwelt eingebunden) statt. An diesen beiden Enden verfügt die Gesellschaft über Wahrnehmungsorgane, die ihr erlauben, Umweltveränderungen zu registrieren und darauf zu reagieren.
Wirtschaftliche Aktivität hat keine Umweltwirkung - Geld ist der Natur völlig belanglos. Nur wenn physische Stoffwechselprozesse in Gang gesetzt werden, ist mittelbar eine Wirkung vorhanden. Umgekehrt verhält es sich genau so. Die mangelnde Resonanzfähigkeit industrieller Ökonomien gegenüber natürlichen Veränderungen, dürfte ein wesentlicher Grund für ihre Wachstumsfähigkeit und für ihr ökologisches Destabilisierungspotential sein. Der Weltmarkt - die gesellschaftliche Umwelt - ist die eigentliche relevante Umwelt der wirtschaftlichen Akteure.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Systemisches Modell für die Wechselbeziehungen von Lebensqualität, Wohlstand und Stoffumsatz
Die gesellschaftlichen Größen können zudem eine positive Rückkoppelung mit sich selbst
haben. Wie die Selbstverstärkungsschleife bei der Komponente „Lebensqualität“ aussieht, ist ungewiss (Populationswachstum, immerwährende bessere Zukunft, etc.). Bei der Komponente „Wohlstand“ ist man sich hingegen einig: Unter Agrarverhältnissen wird nicht erwartet, dass die Ernte von Jahr zu Jahr wächst oder die Nachfrage nach handwerklichen Gütern stetig steigt. Umgekehrt aber kündigen schlechte Ernten oder ein Rückgang des Handels nicht gleich den allgemeinen Niedergang an. Auch dem Stoffwechsel wird eine positive Selbstrückkoppelung unterstellt. Ein Beispiel hierfür: Wird mehr Masse prozessiert, braucht man dafür mehr Energie.
Weiters sind die dynamischen Größen untereinander durch positives Feedback verbunden. Je mehr Wohlstand, desto mehr Lebensqualität, je mehr Wohlstand, desto mehr Stoffwechsel, und je mehr Stoffwechsel, desto mehr Lebensqualität.
Um Nachhaltigkeit zu fördern bedarf es einer Entkopplung dieser Rückwirkungen in dieser Dynamik (vgl. Abb. 2). Wie kann man wirtschaftliches Wachstum garantieren, den Stoffwechsel reduzieren, ohne gleichzeitig die Lebensqualität zu reduzieren?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Zur Entkoppelung von Wohlstand, Lebensqualit ä t und Stoffwechsel
Zur Entkoppelung:
Ad Effizienzkritik
Unter agrarischen Verhältnissen betrug der Energieeinsatz in einem Jahr ca. 65 GJ/Kopf. Dabei entfielen 3 GJ auf vegetarische Nahrung, 50 GJ auf Tierfutter und 12 GJ auf Holz. In unserer heutigen Industriegesellschaft sind es bereits 223 GJ, wobei es sich nicht mehr ausschließlich um Biomasse handelt, sondern um verschiedenste Energieträger. 125 GJ entfallen dabei auf fossile Energieträger, 23 GJ auf Wasserkraft, 33 GJ auf Holz und 42 GJ auf landwirtschaftliche Biomasse.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Gesamtenergieeinsatz nach Energietr ä gern in Ö (1960 -1997)
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