Der Wandel des Dichterbildes in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts steht im
Zeichen der Kultur und Gesellschaft. Die russische Literatur des beginnenden 20.
Jahrhunderts ist eine Literatur des Autors, die den Leser zwingt, sich den Idealen und der
Weltsicht dieses Autors anzupassen. «Der eigentliche Dichterkult beginnt in Russland nach
dem Tod Puškins, dessen Biographie allmählich zum Muster einer Dichter-Vita stilisiert wird.
Doch erst im Symbolismus, im «Silbernen Zeitalter», das sich im Selbstverständnis an der
«goldenen» Puškinzeit orientiert, entsteht der erwähnte auktoriale Diskurs, in dem das
Dichterbild zu einer zentralen Bezugsinstanz in der Literatur zu werden beginnt. *1)
Die Literatur und Kunst der Moderne in Russland haben einen gewaltigen Aufschwung in der
raschen Abfolge von Stilepochen erlebt. Der Realismus des 19. Jahrhunderts weicht um 1900
dem Symbolismus, dieser wiederum um 1910 von der Avantgarde, vom Akmeismus und
Futurismus verdrängt. Die Wende zur Moderne erscheint als eine Abkehr vom Realismus des
19. Jahrhunderts. Die Symbolisten definierten ihre Kunst als Streben zu einer „höheren“
Realität. Die Futuristen vertraten dagegen die Auffassung eines diesseitigen Universums. Sie
demonstrierten ihren Bruch mit der Tradition.
Die russische Avantgarde war keine einheitliche Bewegung. Sie war in kleinere Gruppen
zersplittert, die danach strebten, eine neue Kunst zu schaffen. Im Herbst 1911 konstituierte
sich die Petersburger Dichtergilde (Cech poetov), die durch Achmatova, Gorodeckij,
Gumilev, Mandel’štam und andere vertreten war. Mit dem Tode Gumilevs (1921) löste sich
die Gruppe langsam wieder auf. Aus dieser Gruppe heraus entstand eine Bewegung - der
Akmeismus. Der Akmeismus knüpfte an die Errungenschaften des Symbolismus an. Der
Symbolismus, so Gumilev, habe „eine Störung des Gleichgewichts in der Poesie bewirkt. Er
habe sich dem Symbol unterworfen und sich in der Verschmelzung der poetischen Bilder in
einer nubelösen Metaphysik verfangen.“*2) Deshalb wolle man den Vers von den Fesseln des
Metrums befreien, alle poetischen Mittel sollten gleich-berechtigt nebeneinander stehen. Das
Symbol solle nur ein Mittel unter vielen sein. Der Dichter solle in dieser Welt bleiben und auf
alles mystische Streben verzichten. Die Betonung des Diesseits solle den Zustand des
Gleichgewichts in der Kunst herstellen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Chodasevičs ästhetische Position
- Ästhetische und ideologische Situation in Petrograd 1921
- Die Thesen der Rede «
» - Die Fortsetzung der puškinschen Tradition bei Chodasevič
- Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit untersucht die Rede «Der scwankende Dreifuß» von Chodasevič, gehalten 1921 anlässlich des Gedenktages von Alexander Puschkin. Die Arbeit beleuchtet Chodasevičs ästhetische Position im Kontext der russischen Literatur und Kunst der Zeit, insbesondere im Vergleich zu den Avantgarde-Bewegungen, die in den 1910er Jahren aufkamen. Darüber hinaus analysiert die Arbeit, wie Chodasevič die Tradition von Puschkin fortsetzt und welche Rolle die Rezeption von Puschkin in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts spielt.
- Chodasevičs ästhetische Position im Kontext der russischen Literatur und Kunst der Zeit
- Die Rolle der Avantgarde-Bewegungen in der russischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts
- Die Rezeption von Puschkin in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts
- Die Thesen der Rede «Der scwankende Dreifuß» und ihre Bedeutung für die Literatur
- Chodasevičs Fortführung der puškinschen Tradition
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Chodasevičs ästhetische Position im Kontext der russischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts vor. Sie betrachtet die Entwicklung des Dichterbildes und die verschiedenen literarischen Bewegungen, die die Zeit prägten, wie den Symbolismus und die Avantgarde. Darüber hinaus wird die ästhetische und ideologische Situation in Petrograd 1921 beleuchtet, in der Chodasevičs Rede gehalten wurde.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den zentralen Thesen von Chodasevičs Rede «Der scwankende Dreifuß». Hier werden die Kernaussagen und Argumente des Autors analysiert und in den Kontext der zeitgenössischen Debatten um die Rolle von Kunst und Literatur gestellt.
Das dritte Kapitel widmet sich der Fortsetzung der puškinschen Tradition bei Chodasevič. Es untersucht, wie Chodasevič die Tradition von Puschkin in seiner eigenen Arbeit aufgreift und welche Elemente der puškinschen Dichtung in seiner Rede und in seinen Werken wiederzufinden sind.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der russischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts, insbesondere mit der Rezeption von Alexander Puschkin in dieser Zeit. Wichtige Schlüsselwörter sind: Chodasevič, Puschkin, Symbolismus, Avantgarde, Akmeismus, Futurismus, «Der scwankende Dreifuß», ästhetische Position, Dichterbild, Tradition.
- Arbeit zitieren
- Magister art. Larissa van Schayck (Autor:in), 1999, Gedenkfeier 1921: "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174075