Nach dem endgültigen Zusammenbruch der weströmischen Herrschaft im 5. Jahrhundert befanden sich große Teile Mitteleuropas in einem Transformationsprozess, in dessen Verlauf das poströmische Machtvakuum allmählich durch neue Strukturen ausgefüllt wurde. Träger
dieser Entwicklung waren Völkerschaften, die entweder im Zuge der als „Völkerwanderung“ bezeichneten Bewegung eingewandert waren oder sich aus den hieraus resultierenden Auseinandersetzungen durch Zusammenschluss verschiedener Clanverbindungen gebildet hatten. Zur Konsolidierung ihres Machtanspruches aber auch zur inneren Organisation ihrer Herrschaft implementierten die neuen Machthaber schon in frühmittelalterlicher Zeit Rechtstexte, wobei die saalfränkische Lex Salica sicherlich als besonders einflussreich aber
auch als nachhaltig wirksam bezeichnet werden kann, was vor allem in der zunehmenden fränkischen Dominanz im gallorömischen Gebiet begründet liegt. Während der Herrschaft der Merowinger und der Karolinger diente die Lex Salica als offizielles Rechtsbuch der Franken, seit dem Spätmittelalter wurde sie als Legitimationsinstrument der französischen Königsdynastien
genutzt. Vor allem die durch die Rechtsreform Karls des Großen modifizierte Textform Lex Salica Karolina scheint auch als Schriftstück eine gewisse Verbreitung erfahren zu haben, jedenfalls
sind von ihr bis heute relativ viele Ausgaben vorhanden, die in den Klöstern des Karolingerreiches angefertigt wurden, da die Mönche meist als Einzige ihrer Zeit überhaupt des Lesens und Schreibens mächtig waren. Eines der Schriftstücke, die eine Abschrift der Lex Salica Karolina beinhaltete, war die Ende
des 9. Jahrhunderts entstandene Handschrift Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 4417(zukünftig als lat. 4417 bezeichnet).
Doch was waren die spezifischen Kennzeichen von lat. 4417? Wie verlief die Textgeschichte der Lex Salica, wie entstand die Karolina-Fassung und was waren ihre Besonderheiten?
Zur Beantwortung dieser Fragen wird die vorliegende Hausarbeit nach einer kurzen Begriffsbestimmung zunächst die allgemeine Rezeptions- und Textgeschichte der Lex Salica analysieren, wonach ausgewählte Passagen von lat. 4417 kodikologisch und paläographisch untersucht werden und eine kritische Edition angefertigt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1.) Die frühmittelalterlichen leges barbarorum als Konsolidierungsmoment der neuen Machtverhältnisse
- 1.1) Begriffsbestimmungen
- 1.2) Die Etablierung der fränkischen leges barbarorum
- 2.) Die Rezeptions- und Textgeschichte der Lex Salica
- 2.1) Die Entstehung der Lex Salica
- 2.2) Die leges-Reform Karls des Großen und die Karolina-Fassung
- 2.3) Die unterschiedlichen Textformen der Lex Salica nach ECKARDT
- 3.) Die westfränkische Handschrift lat. 4417
- 3.1) kodikologische Untersuchung der Handschrift
- 3.2) Anmerkungen zur Entstehung und zur Provenienz
- 3.3) Inhaltliche Struktur der Handschrift
- 3.4) Die Version der Lex Salica Karolina
- 4.) Kritische Edition ausgewählter Titel des Lex Salica-Textes der Handschrift lat. 4417
- 4.1) Methodische Anmerkungen
- 4.2) Vorbemerkungen zur kritischen Edition
- 4.3) Kritische Edition ausgewählter Titel
- I: DE MANNIRE
- II: DE FURTIS PORCORUM
- XVII: DE UULNERIBUS
- XVIII: DE EO QUI HOMINEM INNOCENTEM AD REGEM ACCUSAUERIT
- XXIV: DE HIS QUI PUEROS UEL MULIERES OCCIDERINT
- XXV: DE ADULTERIIS ANCILLARUM
- XXXI: DE UIA LACINIA
- XXXVI: DE QUADRUPEDIBUS SI HOMINEM OCCIDERINT
- LVI: DE EO QUI AD MALLUM UENIRE CONTEMPSERIT
- LVII: DE RACHINBURGIIS, QUI SECUNDUM LEGEM NON IUDICANT
- LVIII: DE CHRENECHRUDA
- LIX: DE ALODE
- 4.4) Textliche Besonderheiten der edierten Textausschnitte
- Abschließende Bemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Rezeptions- und Textgeschichte der Lex Salica Karolina am Beispiel einer westfränkischen Handschrift, lat. 4417. Sie analysiert die Entstehung der Lex Salica und die Reform des Rechtsbuches unter Karl dem Großen, um anschließend die spezifischen Merkmale von lat. 4417 zu beleuchten. Die Arbeit umfasst eine kodikologische und paläographische Untersuchung der Handschrift sowie eine kritische Edition ausgewählter Titel des Lex Salica-Textes.
- Die Entstehung und Entwicklung der Lex Salica
- Die Rolle der Lex Salica in der Konsolidierung der fränkischen Macht
- Die Textgeschichte und die verschiedenen Textformen der Lex Salica
- Die kodikologischen und paläographischen Merkmale der Handschrift lat. 4417
- Die kritische Edition ausgewählter Titel des Lex Salica-Textes der Handschrift lat. 4417
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Problemstellung der Hausarbeit vor und erläutert die Bedeutung der Lex Salica als Rechtsbuch der Franken und ihre Rezeption im Mittelalter. Die Arbeit fokussiert auf die westfränkische Handschrift lat. 4417, die eine Abschrift der Lex Salica Karolina enthält.
- 1.) Die frühmittelalterlichen leges barbarorum als Konsolidierungsmoment der neuen Machtverhältnisse: Dieses Kapitel behandelt den Begriff der leges barbarorum und untersucht die Rolle dieser Rechtsaufzeichnungen in der Etablierung der neuen politischen Strukturen im Frühmittelalter.
- 2.) Die Rezeptions- und Textgeschichte der Lex Salica: Dieses Kapitel analysiert die Entstehung der Lex Salica, die Reform des Rechtsbuches unter Karl dem Großen (Lex Salica Karolina) und die verschiedenen Textformen der Lex Salica, die in verschiedenen Epochen entstanden sind.
- 3.) Die westfränkische Handschrift lat. 4417: In diesem Kapitel wird die Handschrift lat. 4417 kodikologisch und paläographisch untersucht. Die Entstehung und Provenienz der Handschrift werden ebenso beleuchtet wie ihre inhaltliche Struktur und die Version der Lex Salica Karolina, die sie beinhaltet.
- 4.) Kritische Edition ausgewählter Titel des Lex Salica-Textes der Handschrift lat. 4417: Dieses Kapitel enthält eine kritische Edition ausgewählter Titel des Lex Salica-Textes der Handschrift lat. 4417. Die Methoden der kritischen Edition werden erläutert und die textlichen Besonderheiten der edierten Textausschnitte werden analysiert.
Schlüsselwörter
Lex Salica, leges barbarorum, frühmittelalterliches Recht, fränkisches Recht, Rezeptionsgeschichte, Textgeschichte, Kodikologie, Paläographie, Handschrift, kritische Edition, lat. 4417, Lex Salica Karolina, Karl der Große, westfränkische Handschrift.
- Arbeit zitieren
- Joachim Graf (Autor:in), 2010, Die Rezeptions- und Textgeschichte der frühmittelalterlichen "leges barbarorum" am Beispiel der "Lex Salica Karolina", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174331