In seiner Arbeit “Der flexible Mensch – Die Kultur des neuen Kapitalismus”,
1998 im Original unter dem Titel “The Corrosion of Character” erschienen,
beschreibt der nordamerikanische Soziologe und Kulturkritiker Richard Sennett
die Auswirkungen der globalisierten Wirtschaft und der mit ihr einher gehenden
Veränderungen in der Arbeitswelt, auf die Gesellschaft und das Individuum.
Sennett untersucht die Anpassung, die die neue Wirtschaftsordnung den
Lohnarbeitern aufzwingt und beschreibt die daraus folgenden Mutationen in
Lebensführung und Selbstverständnis der Menschen.
“Flexibilität” ist das Schlagwort des neuen Kapitalismus. Mehr als kritisch
hinterfragt Sennett diese Haltung, die in der modernen Arbeitswelt mittlerweile
zum kategorischen Imperativ geworden ist.
Im folgenden sollen Sennetts Thesen zu der Veränderung innerhalb des
Verhältnisses von Ökonomie und Gesellschaft dargelegt werden. Des weiteren
soll Sennetts kritische Auseinandersetzung mit den neuen ökonomischen
Verhältnissen durch eine positive Interpretation der in der Arbeitswelt einher
gehenden Veränderungen konterkariert werden: Matthias Horx zeichnet in seiner
Arbeit “Smart Capitalism – Das Ende der Ausbeutung” ein positives, ja fast
schon euphorisches Bild der veränderten Arbeitswelt und ihrer Auswirkungen
auf Mensch, Gesellschaft und Lebensführung.
Inhaltsangabe
1 Einleitung
2 Der flexible Mensch
2.1 Das Aufnehmen von Risiken in einer flexiblen Ordnung
2.2 Die Flexibilität in der neuen Wirtschaftsordnung
3 Horx und der “Smart Capitalism”
4 Fazit
5 Verwendete Literatur:
1 Einleitung
In seiner Arbeit “Der flexible Mensch – Die Kultur des neuen Kapitalismus”, 1998 im Original unter dem Titel “The Corrosion of Character” erschienen, beschreibt der nordamerikanische Soziologe und Kulturkritiker Richard Sennett die Auswirkungen der globalisierten Wirtschaft und der mit ihr einher gehenden Veränderungen in der Arbeitswelt, auf die Gesellschaft und das Individuum. Sennett untersucht die Anpassung, die die neue Wirtschaftsordnung den Lohnarbeitern aufzwingt und beschreibt die daraus folgenden Mutationen in Lebensführung und Selbstverständnis der Menschen.
“Flexibilität” ist das Schlagwort des neuen Kapitalismus. Mehr als kritisch hinterfragt Sennett diese Haltung, die in der modernen Arbeitswelt mittlerweile zum kategorischen Imperativ geworden ist.
Im folgenden sollen Sennetts Thesen zu der Veränderung innerhalb des Verhältnisses von Ökonomie und Gesellschaft dargelegt werden. Des weiteren soll Sennetts kritische Auseinandersetzung mit den neuen ökonomischen Verhältnissen durch eine positive Interpretation der in der Arbeitswelt einher gehenden Veränderungen konterkariert werden: Matthias Horx zeichnet in seiner Arbeit “Smart Capitalism – Das Ende der Ausbeutung” ein positives, ja fast schon euphorisches Bild der veränderten Arbeitswelt und ihrer Auswirkungen auf Mensch, Gesellschaft und Lebensführung.
2 Der flexible Mensch
Schon in der Einleitung der Arbeit macht Sennett sein Verständnis der neuen Wirtschaftsordung mit ihrem Leitpostulat “Flexibilität” deutlich: “Starre Formen der Bürokratie stehen unter Beschuß, ebenso die Übel blinder Routine. Von den Arbeitnehmern wird erwartet, sich flexibel zu verhalten, offen für kurzfristige Veränderungen zu sein, ständig Risiken einzugehen und weniger abhängig von Regeln und förmlichen Prozeduren zu werden.”[1] Was auf den ersten Blick gar nicht so negativ, vielmehr wie eine positive Entwicklung klingt, wird durch Sennetts nähere Erläuterungen als problematische Veränderung erkennbar: Flexibilität, Veränderungen und das Eingehen von unkalkulierbaren Risiken erzeugen bei den Betroffenen Angst und Unsicherheit. Arbeitnehmer, die an eine überschaubare, geradlinige Karriere (“Die lebenslange Kanalisierung für die ökonomischen Anstrengungen des Einzelnen”[2] ) voller Orientierungs und Bezugspunkte gewohnt sind, stehen plötzlich einer Situation gegenüber, die von ihnen verlangt, kurzfristige Arbeitsverhältnisse einzugehen, spontan zu reagieren und Risiken einzugehen. Eine weitere Problematik sieht Sennett in dem Anspruch des neuen Kapitalismus, dem Arbeitnehmer durch den Angriff auf starre Bürokratien mehr Freiheiten in der Gestaltung seiner Arbeitswelt zu geben: ”In Wirklichkeit schafft das Regime neue Kontrollen, statt die alten Regeln einfach zu beseitigen – aber diese Kontrollen sind schwerer zu durchschauen.”[3]
Schließlich verweist der Autor noch auf die Auswirkungen des neuen Regimes auf den persönlichen Charakter der ihm ausgesetzten Individuen. Nach Sennett konzentriert sich Charakter: “insbesondere auf den langfristigen Aspekt unserer emotionalen Erfahrungen. Charakter drückt sich in Treue und gegenseitigen Verpflichtungen aus oder durch die Verfolgung langfristiger Ziele und den Aufschub von Befriedigung um zukünftiger Zwecke willen.”[4] Wie aber, so Sennett, soll man im Rahmen einer ganz auf das kurzfristige ausgelegten Ökonomie langfristige Ziele verfolgen oder Loyalitäten und Verpflichtungen aufrecht erhalten?
Sennett illustriert und entwickelt seine Thesen im Verlauf seiner Darlegungen anhand von realen Fallbeispielen, Menschen denen er mal mehr, mal weniger
zufällig begegnet und in denen er die Auswirkungen des Flexiblen Kapitalismus wieder zu erkennen glaubt.
2.1 Das Aufnehmen von Risiken in einer flexiblen Ordnung
Sennett beschreibt den Fall einer gewissen Rosie, Besitzerin einer gut gehenden New Yorker Bar. Rosie, zwar im Grunde mit ihrem Leben zufrieden, doch latent von einem unbestimmten inneren Zwang zur beruflichen Veränderung gedrängt, erhält das Angebot einer Werbeagentur, dem sie auch folgt. Nach nur einem Jahr in der Agentur kehrt sie jedoch desillusioniert in ihre Bar zurück.
Anhand von Rosies Erfahrung in der Werbeagentur macht Sennett die Problematik des Risikos in einem flexiblen Regime deutlich.
Das Eingehen von Risiken, in Arbeits- oder Privatleben ist sicher nicht generell negativ zu besetzen. Auch Sennett verweist auf literarische Figuren wie Stendhals Julien Sorel, der sich durch bedingungslose Risikobereitschaft als Charakter weiterentwickelt, oder allgemein auf außergewöhnliche Menschen, die die Unordnung als fruchtbar ansehen und am Rande des Abgrunds erfolgreich leben.
Allerdings wird das Eingehen von Risiken heutzutage nicht mehr nur außergewöhnlichen Menschen zugemutet. Vielmehr ist Risikobereitschaft zu einer allgemeinen Notwendigkeit im normalen Berufsleben geworden.
In der modernen Arbeitswelt gilt das permanente Eingehen von Risiken, also die ständige Veränderung, als Mittel zur persönliche Erneuerung, als Energiequelle.
Generell liegt es jedoch in Natur des Menschen, so zeigt Sennett, sich in einer Risikosituation, einer Situation in der man etwas aufs Spiel setzt, um etwas (scheinbar) wertvolleres zu gewinnen, viel eher auf die Möglichkeit des Verlustes, als auf die des Gewinns konzentriert.
Rosie zufolge war sie während ihrer Zeit in der Werbeagentur deprimiert, “bloß weil sie etwas neues tat”. Mit dem Eingehen eines Risikos begibt sich der Mensch in Gefahr, setzt sich einer nicht oder kaum berechenbaren dynamischen Situation aus. Das dieser Zustand von vorne rein eher unangenehm als angenehm ist, leuchtet ein.
Bei Rosies Fall wurde dieser Zustand der Verletzlichkeit durch die Unmöglichkeit sich innerhalb der undurchsichtigen Strukturen und Qualitätsmaßstäbe der Werbebranche zu positionieren potenziert: Auf Sennetts Frage nach der Geschichte die sie über ihr Jahr in der Werbeagentur erzählen würde antwortet sie:” Du fängst immer wieder bei Null an, du mußt dich jeden Tag beweisen.[5] Der ständige,repetitive Akt des Risiko-auf-sich-Nehmens beinhaltet keine zusammenhängende Geschichte. “Allem Risiko wohnt die Drift inne, denn Drift ist die verbale Übersetzung der Regression zum Mittelwert. Wie der Würfel fällt ist reiner Zufall. Anders ausgedrückt, dem Eingehen von Risiken fehlt mathematisch die Qualität einer Erzählung, bei der ein Ereignis zum nächsten führt und dieses bedingt”[6]
Sennett beschreibt hier sehr eindringlich und überzeugend eine der möglichen negativen Auswirkungen der neuen flexiblen Ordnung, verzichtet jedoch weitgehend darauf, positive Aspekte für die persönliche Entwicklung betroffener Individuen anzusprechen. Das einseitige Anprangern von Risiko zugunsten von Sicherheit gibt nur eine begrenzte Perspektive der Situation.
[...]
[1] Sennett, R.: Der Flexible Mensch – Die Kultur des neuen Kapitalismus. Goldmann, 1998, Berlin.
S.10
[2] ebenda, S.10
[3] ebenda, S.11
[4] ebenda, S.11
[5] ebenda, S 110
[6] ebenda, S111
- Arbeit zitieren
- Christian Meister (Autor:in), 2002, Der Flexible Mensch - Die Kultur des neuen Kapitalismus;, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17440
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