Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Was ist Gerechtigkeit?
2.1 Die Gerechtigkeitstheorie von John Rawls
2.2 Die Gerechtigkeitstheorie von Robert Nozick
3 Das Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland
3.1 Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems
3.1.1 Das Gesundheitssystem im Mittelalter
3.1.2 Das Gesundheitssystem im Kaiserreich
3.1.3 Das Gesundheitssystem der frühen BRD
3.2 Finanzierung des Gesundheitssystems
3.3 Gerechtigkeit im aktuellen System
4 Alternative Finanzierungsmodelle
4.1 Die Bürgerversicherung
4.2 Die Gesundheitsprämie
5 Fazit/Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Das Gesundheitswesen ist eines der größten politischen Streitthemen der letzten Jahre. Durch die demographische Entwicklung in Deutschland gibt es immer weniger Beitragszahler, die noch auf dem Arbeitsmarkt aktiv sind und immer mehr Rentner, die weniger Beiträge zahlen und mehr medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Zusätzlich zu den immer geringer werdenden Beiträgen kommt dazu, dass der medizinische Fortschritt mehr und mehr zunimmt und somit die Ausgabenseite immer stärker wächst. Das hat zur Folge, dass die Beitragssätze stetig steigen und der Staat mehr Geld zuschießen muss. Jede politische Partei hat ihre eigene Lösung für das Problem der Finanzierung des Gesundheitswesens. Doch wie sehen diese aus und sind sie gerechter und besser zur Finanzierung geeignet als das jetzige System? Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird zuerst der Gerechtigkeitsbegriff unter Zuhilfenahme der beiden Gerechtigkeitstheorien von John Rawls und Robert Nozick erklärt. Darauf folgt die Entwicklung unseres Gesundheitssystems bis hin zur letzten Reform vom 01.01.2011. Diese aktuelle Ausgestaltung des Gesundheitssystems soll dann in ihren Hauptmerkmalen und besonders der neu geschaffenen Wahltarifen auf die Gerechtigkeitstheorien untersucht werden. Schließlich werden die zwei bekanntesten alternativen Finanzierungsmodelle besprochen. Dies wären zum einen die Bürgerversicherung und zum anderen die Kopfpauschale oder auch Gesundheitsprämie genannt. Ist eines von diesen Modellen geeignet um die immer größer werdende Finanzierungslücke auszugleichen?
2 Was ist Gerechtigkeit?
Um das Gesundheitswesen auf Gerechtigkeit untersuchen zu können, muss zuallererst definiert werden, was Gerechtigkeit bedeutet. Die Gerechtigkeitsvorstellung unterscheidet sich von Person zu Person und ganz besonders von Kultur zu Kultur. Daher ist es kaum möglich eine allgemeingültige Definition von Gerechtigkeit zu formulieren. Stellvertretend für viele Gerechtigkeitstheorien die im Laufe der Geschichte von vielen verschieden Philosophen erstellt und vorgestellt wurden, werden in dieser Arbeit die Gerechtigkeitstheorien von John Rawls und Robert Nozick behandelt. Die vor allem in anderen Kulturkreisen vorherrschende Gerechtigkeitstheorien, wie zum Beispiel von Konfuzius, werden in dieser Arbeit ausgeklammert.
2.1 Die Gerechtigkeitstheorie von John Rawls
John Rawls geht in seiner Theorie von einem Schleier der Unwissenheit aus, welcher ein fiktiver Gedankenzustand ist und in welchem niemand seinen Status in der Gesellschaft kennt. Ebenso kennt niemand seine natürlichen Gaben wie Intelligenz oder Körperkraft oder ihre Vorstellung vom Guten und ihren persönlichen psychologischen Neigungen. Hinter diesem Schleier des Nichtwissens sollen nun die Grundsätze der Gerechtigkeit festgelegt werden.1 Im Gegensatz zu ihrem persönlichen Status verfügen die Individuen über vollständige Informationen in Hinsicht auf die objektiven politischen und sozio- ökonomischen Zusammenhänge, welche nötig sind um die Grundsätze der Gerechtigkeitstheorie festzulegen.2 Rawls ist nun der Meinung, dass die Individuen sich auf folgende 2 Grundsätze einigen würden:
“1. Jedermann soll gleiches Recht auf das umfangreichste System gleicher Grundfreiheiten haben, das mit dem gleichen System für alle anderen verträglich ist.
2. Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu gestalten, dass (a) vernünftiger Weise zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen, und (b) sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen.“3
Der erste Punkt beschreibt das Freiheitsprinzip, welches besagt, dass jedem die gleichen Grundfreiheiten gewährt werden, solange sie für Alle verträglich sind. Der zweite Punkt beschreibt das Differenzprinzip oder auch Maximin-Regel genannt. Dieses Prinzip besagt, dass Ungleichheiten dann legitim sind, wenn alle gesellschaftlichen Ämter und Positionen für Alle frei sind. Ebenso verlangt das Prinzip, dass Einkommensumverteilungen nur gerechtfertigt sind, wenn sie zu einem maximalen Vorteil der am schlechtesten Gestellten in der Gesellschaft führen.4
Wie kann man nun das Gerechtigkeitsprinzip von Rawls auf das Gesundheitssystem übertragen? Es spricht dagegen, dass bei einer Anwendung eine Kostenexplosion des Gesundheitssektors herbeigeführt würde, da der Nutzen der am schlechtesten gestellten Individuen maximiert werden müsste. Es ist aber davon auszugehen, dass sich ein Gesundheitssystem herausbilden würde, in welchem eine Umverteilung von Gesunden zu Kranken und von Reichen zu Armen stattfinden würde. Dies ist mit dem Schleier der Unwissenheit zu begründen, da keiner weiß ob er arm oder reich, krank oder gesund ist würden sich die Individuen für eine Versicherung für alle entscheiden, bei welcher die Beiträge abhängig vom Einkommen zu bezahlen wären.5
2.2 Die Gerechtigkeitstheorie von Robert Nozick
Die Gerechtigkeitstheorie von Robert Nozick ist unter dem Namen Anspruchstheorie bekannt. Nozick nimmt als Grundlage seiner Theorie das Lockesche Naturrecht nach dem keiner das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum Anderer beeinträchtigen darf.6 Die Gesellschaft betrachtet Nozick als eine Art großen Marktplatz, auf welchem freier Gütertausch stattfindet. Die Güter gehören dabei demjenigen der sie erzeugt hat. Eine Umverteilung der Güter darf nur stattfinden, wenn eine angemessene Kompensation geleistet wird.7
Nozick entwickelte seine Theorie als eine Antwort auf John Rawls Theorie der Gerechtigkeit, die er kritisiert und ablehnt. Er kritisiert schon die Gleichheit aller Menschen im Urzustand, da die Unterschiedlichkeit des menschlichen Charakters nicht genüge getan wird. Außerdem kritisiert er das Differenzprinzip sowie auch das Freiheitsprinzip indem er sagt, “dass Begabungsunterschiede im Naturzustand keine ausreichende Grundlage für Verteilungskorrekturen bildeten“8 Aus diesem Grund formuliert Nozick seine eigene Gerechtigkeitstheorie in der er erklärt, dass eine gerechte Güterverteilung dann vorliegt, wenn folgende Grundsätze erfüllt sind. Der erste Grundsatz besagt, dass der Besitz rechtmäßig erschaffen oder angeeignet worden sein muss. Der zweite Grundsatz beschreibt Arten des legetimen Besitzübergangs, wie zum Beispiel durch Kauf, Schenkung oder Tausch. Der dritte Grundsatz besagt dann noch, dass Besitzverhältnisse nur legitim sind wenn sie auf Arten der ersten beiden Grundsätze zustande gekommen sind.9
Wenn ein Gesundheitssystem auf dem Gerechtigkeitssystem von Nozick entstehen würde, gäbe es einen Markt für private Krankenversicherungen, an welchem sich risikoaverse und zahlungskräftige Personen versichern würden, da Nozick eine Umverteilung von reich nach arm nur dann vorsieht, wenn sie einstimmig beschlossen werden würde. Es ist aber auch möglich, dass sich einzelne Bessergestellte moralisch für die Schwächeren verantwortlich fühlen und eine soziale Institution errichten, welche den Schlechtergestellten helfen eine Gesundheitsversorgung zu erhalten.10
3 Das Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland
Es gibt heutzutage kaum noch eine politische Wahl in der das Thema Gesundheitsversorgung nicht eines der Hauptthemen ist. Wie schafft man es die Kosten zu senken? Haben wir eine Zwei-Klassen-Medizin? Kann sich in Zukunft noch jeder Bürger medizinische Versorgung leisten oder kommen nur noch die Bessergestellten den Genuss davon? Diese und noch viele weitere Fragen beschäftigen Politiker und Gesundheitsexperten schon Jahre lang und es gab zahlreiche größere und kleinere Reformen.
Das folgende Kapitel soll einen Überblick über die Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems liefern. Danach wird die aktuelle Ausgestaltung des Systems untersucht und auf Gerechtigkeit und Probleme eingegangen.
3.1 Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems
Die Geschichte der Zentralen Institutionen des deutschen Gesundheitswesens reicht nicht nur bis zu ihrer formalen Gründung zurück. Wenn man das aktuelle Gesundheitssystem verstehen will, muss man sich auch mit der Entwicklung beschäftigen, die schon mehrere Jahrhunderte zurückliegt.11
3.1.1 Das Gesundheitssystem im Mittelalter
Die Grundzüge des heutigen Gesundheitssystems lassen sich bis zum Mittelalter zurückverfolgen. Mehrere Merkmale des deutschen Gesundheitssystems waren bereits in der christlich geprägten Gesellschaft verwurzelt, da den Gläubigen soziale Werte wie Nächstenliebe und Solidarität mit Kranken und Bedürftigen als Gebot auferlegt wurde. Allerdings versprachen sich die Bürger durch die guten Taten einen Vorteil für ihr eigenes Leben nach dem Tod.12
Die wichtigsten Institutionen der damaligen Krankenversorgung waren kirchliche Hospitale. Diese waren allerdings mit den heutigen Krankenhäusern nicht zu vergleichen, sondern dienten vor allem dazu, den Armen und Kranken eine Unterkunft zu bieten. Zusätzliche gab es in den Hospitälern Bereiche, die sich auf die Betreuung umherreisender Wohlhabender gewidmet hatten.
Neben der Kirche hatten sich auch Orden um die Armen und Kranken gekümmert. Ein wichtiger Orden war der Franziskanerorden. Franz von Assisi lebte nach dem Vorbild Jesu Christi und wanderte umher und pflegte Arme und Kranke. Ein weiterer großer Orden war die der Johanniterorden aus welchem noch heutige Einrichtungen wie die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. hervorgingen.13
Mitte des 15 Jahrhunderts verlagerte sich allerdings die Krankenversorgung weg von der Kirche, hin zu städtischen Versorgungseinrichtungen. Ein Grund hierfür war die Reformation und die darauf begründete Schließung vieler katholischer Einrichtungen.14 Somit sind die Grundstrukturen des Mittelalters mit den heutigen vergleichbar, denn Träger der Krankenhäuser sind vor allem die Kirchen oder Städte und Gemeinden. Ein weiteres Merkmal des heutigen Gesundheitssystems, das seine Wurzeln im Mittelalter hat, ist die gesetzliche Krankenversicherung. Damals schlossen sich Kaufleute und selbständige Handwerker in Gilden und Zünften zusammen um ihre politische Macht zu stärken und die Konkurrenz innerhalb ihrer Berufsgruppe einzudämmen. Um diesen Beruf in den Städten ausüben zu dürfen, musste man Mitglied der Zunft werden. Die Zünfte übernahmen auch Funktionen der sozialen Sicherung, allerdings beschränkten sie sich auf gegenseitige Unterstützung der in der Zunft zusammengeschlossenen Kaufleute. Diese Regelungen des Zunftwesens prägten die gesetzliche Krankenversicherung, da bis 1996 mit Ausnahme der allgemeinen Ortskrankenkassen die Krankenkassen die Betriebs.-Innungs.- oder Seekassen nur einem bestimmten Berufszweig offen stand.
Als Ursprung der gesetzlichen Krankenversicherung können die Gesellenbruderschaften angesehen werden. Damals war es üblich, dass mehrere Gesellen im Haushalt ihres Meisters wohnten und Dieser für ihre Versorgung zuständig war. Es ergab sich die Notwendigkeit für eine, von einzelnen Meistern unabhängige Soziale Sicherung. In dieser zahlten die Gesellen einen Teil ihres Lohns in eine Kasse ein, aus welcher Mitglieder im Falle von Krankheit finanzielle Unterstützung bekamen.15
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1 Vgl. Rawls (1979), Seite 29
2 Vgl. Schreyögg (2003), Seite 7
3 Rawls (1979), Seite 81
4 Vgl. Honekamp/ Rehmann (2009), Seite.33
5 Vgl. Honekamp/ Rehmann (2009), Seite.34
6 Vgl. Schreyögg (2003), Seite 9
7 Vgl. Honekamp/ Rehmann (2009), Seite.33
8 Schreyögg (2003) Seite 10
9 Vgl. Schreyögg (2003) Seite 10
10 Vgl. Honekamp/ Rehmann (2009), Seite.35
11 Vgl. Simon (2010), Seite 15
12 Vgl. Simon (2010), Seite 16
13 Vgl. Hofmann (2011)
14 Vgl. Simon (2010), Seite 17
15 Vgl. Simon (2010), Seite 19