Leseprobe
Inhalt
Einleitung
Klärung des Begriffs Ritual
Rituale in der Kindheit
Rituale im Kindergartenalltag
Warum sind Rituale wichtig für Kinder?
Praxisbeispiel: Morgenkreis
Praxisbeispiel: Stille-Übung
Fazit
Literatur
Einleitung
Was machen Rituale aus und wozu dienen sie? Was genau ist ein Ritual? Diese Fragen werde ich im ersten Teil meiner Arbeit klären. Zunächst werde ich dabei den Begriff Ritual klären und gehe dabei auf die Ansichten von Arnold van Gennep und Lorelies Singerhoff näher ein.
Im nächsten Teil geht es um die Rituale in der Kindheit. Hier gibt es viele rituelle Handlungen und Abläufe, die zu bestimmten Ereignissen stattfnden (z.B. Namensge- bung, Einschulung, die „Gutenachtgeschichte“). Aber was bedeuten Rituale für Kin- der? Viele Abläufe nehmen in der Kindheit rituellen Charakter an, sei es durch die Erwachsenen vorgegeben oder durch die Kinder selbst, die sich selbst oft ihre eigenen kleinen Rituale schaffen. Warum das so ist und warum Rituale so wichtig für Kinder sind, werde ich im Folgenden beschreiben. Dabei gehe ich auf die verschiedenen Ent- wicklungsbereiche ein, die im Kindergarten auch durch Rituale gefördert werden. Mit Hilfe von rituellen Handlungssequenzen können nämlich unterschiedliche Fähigkeiten bei Kindern sensibilisiert und ausgebaut werden. Hierzu fnden sich dann im weiteren Verlauf meiner Arbeit zwei Praxisbeispiele aus dem Alltag in Kindertageseinrichtun- gen. Zunächst wird der „Morgenkreis“ als Beispiel angeführt, den man in den meisten Einrichtungen für Kinder fndet. Da ich während meiner Ausbildung zur Erzieherin und auch später wieder in einem Montessori-Kinderhaus gearbeitet habe, stelle ich die Stille-Übung vor, die ich für ein gutes Beispiel einer rituellen Handlungssequenz sehe.
Klärung des Begriffs „Ritual“
In einer Gesellschaft wechselt jedes Individuum im Laufe seines Lebens von einer Altersstufe zur nächsten. Dabei ist der Übergang von einer Gruppe zur anderen durch spezielle Handlungen, die bei tribalen Kulturen in Zeremonien eingebettet sind, ge- kennzeichnet. Übergänge von einer Gruppe zur anderen oder von einer sozialen Si- tuation zur anderen sind notwendig im Leben bzw. von Natur aus vorgegeben und gehören dazu, wie beispielsweise die Geburt, soziale Pubertät, Elternschaft, Aufstieg in eine höhere Klasse, Tätigkeitsspezialisierung. Solche Ereignisse haben immer eine Anfangs- und eine Endphase, zu denen Zeremonien mit einem identischen Ziel gehö- ren. Das Individuum wird aus einer genau definierten Situation in eine andere, auch genau definierte Situation hinübergeführt. Durch das Gelangen von einer Etappe zur nächsten und das Überschreiten von Grenzen, verändert sich das Individuum. Diese Abläufe im Leben richten sich nach und gleichen den Abläufen in der Natur, wovon weder das Individuum, noch die Gesellschaft unabhängig sind. So wirken sich auch die rhythmischen Veränderungen des Universums auf das Leben eines jeden Individu- ums und der Gesellschaft an sich aus. Beispiele hierfür sind der Übergang von einer Jahreszeit zur anderen oder von einem Jahr zum anderen. (vgl. van Gennep 1981, S. 13 - 16)
Arnold van Gennep beschreibt eine besondere Kategorie der Übergangsriten („ri- tes des passages“). Diese unterteilen sich in Trennungsriten („rites de separation“), Schwellen- bzw. Umwandlungsriten („rites de marge“) und Angliederungsriten („rites d‘agregation“).
Übergangsriten erfolgen also, theoretisch zumindest, in drei Schritten: Trennungs- riten kennzeichnen die Ablösungsphase, Schwellen- bzw. Umwandlungsriten die Zwischenphase (die Schwellen- bzw. Umwandlungsphase) und Angliederungsriten die Integrationsphase. Diese drei Phasen sind jedoch nicht in allen Kulturen oder in allen Zeremonialkomplexen gleich stark ausgebildet. (van Gennep 1981, S. 21)
Bei Bestattungen finden sich dementsprechend vorwiegend Trennungsriten, bei Hoch- zeitszeremonien Angliederungsriten und bei einer Schwangerschaft oder Verlobung beispielsweise kommen vor allem Umwandlungsriten vor. Diese dreigliedrige Struktur der Übergangriten kann sich in manchen Fällen noch weiter differenzieren. Arnold van Gennep beschreibt hier beispielsweise die Zeit des Verlobtseins, die einen Übergang von der Adoleszens zum Verheiratetsein darstellt. Dabei finden sowohl beim Übergang von der Adoleszens zum Verlobtseins, als auch beim Übergang vom Verlobtsein zum Verheiratetsein verschiedene Trennungs-, Umwandlungs- und Angliederungsriten statt. (vgl. van Gennep 1981, S.21)
Lorelies Singerhoff beschreibt Übergänge von einer Lebensphase in eine andere als Scheidepunkte. Die Entwicklung eines Individuums ist danach in verschiedene Rich- tungen möglich. Solche Scheidepunkte sind von rituellen Handlungen begleitet, um zu versinnbildlichen, was geschieht, d.h. das etwas abgeschlossen wird und etwas Neues beginnt.
Für Übergänge muss ein Individuum jedoch offen sein und sich darauf einlassen, da die Auswirkungen misslungener Übergänge krank machen können (z.B. Depressionen). In unserer Gesellschaft, die danach strebt, alles kontrollieren und lenken zu können, haben wir auf viele Übergangssituationen keinen Einfluss. So fällt es vielen Menschen schwer, sich darauf einzulassen und sich an die neue Begebenheit zu gewöhnen. Ri- tuale sind bei vielen Übergangssituationen sehr wichtig. (vgl. Singerhoff 2006, S. 59) „Rituale erleichtern diese Erfahrung und stützen den Menschen in seiner Entwick- lung.“ (Singerhoff 2006, S. 59)
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