In den letzten Jahren ist in der Öffentlichkeit eine Debatte über fristlose Kündigungen bei Bagatelldelikten entbrannt. In den Medien häufen sich die Fälle, in denen Arbeitnehmer wegen des Diebstahls geringwertiger Güter entlassen werden. Diese und ähnliche Entscheidungen widersprechen dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger. Schwere sozialrechtlichen Folgen stehen dem geringen finanziellen Schaden gegenüber. Obwohl die Öffentlichkeit mit Unverständnis reagiert , führt das BAG eine strenge Linie, wenn es um Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers geht. Es hat den Eindruck, dass zwei Welten, „die juristische Fachwelt“ und die Welt „der empörten Laien“, aufeinanderprallen.
Während den Juristen der Vorwurf gemacht wird, es fehle ihnen an menschlicher Urteilskraft, wird den „Laien“ vorgeworfen, sie sollen die Urteilsgründe genauer lesen. Es stellt sich daher die Frage, welche Urteilsgründe die arbeitsgerichtliche „Höchststrafe“ rechtfertigen und seit wann diese Prinzipien angewendet werden. Außerdem ist zu erläutern, welche außerordentlichen Kündigungsgründe darüber hinaus im Arbeitsrecht gelten und ab wann ein Arbeitgeber auf eine Abmahnung verzichten kann. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Diebstahl von Gütern unter 50 Euro im Strafrecht meist ohne Konsequenzen bleibt, während die gleiche Tat einem Arbeitnehmer seine existenzielle Grundlage entzieht, stellt sich folgende Frage: Sollen Vermögensdelikte bis zu einem bestimmten Wert zu keiner Kündigung führen?
Diese und weitere Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden. Die Aufzählung außerordentlicher Kündigungsgründe erfolgt auf Grund des begrenzten Umfangs der Arbeit nicht abschließend. Es soll lediglich ein Überblick über außerordentliche Kündigungsgründe gegeben werden, um die Tendenz und Grundsätze der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung herauszuarbeiten. Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungspraktiken zu Bagatellkündigungen sollen vor allem kritisch betrachtet werden, sodass Widersprüche in der Rechtsprechung aufgedeckt werden.
Der öffentliche Aufschrei ist ein Warnzeichen, dass es momentan an der Akzeptanz der Arbeitsgerichtsbarkeit in der Gesellschaft fehlt . Es besteht daher das Bedürfnis die Frage zu klären, ob der rechtssuchenden Öffentlichkeit nur die Grundsätze der Arbeitsgerichtsbarkeit besser vermittelt werden müssen oder ob ein konkreter Änderungsbedarf besteht.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Entwicklung der Rechtsprechung zu Bagatelldelikten
1.1 Grundlegende Entscheidungen des BAG zu Bagatelldelikten
1.2 Katalog außerordentlicher Kündigungsgründe bei Bagatelldelikten
1.2.1 Strafrechtlich relevantes Fehlverhalten
1.2.1.1 Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB)
1.2.1.2 Grobe Beleidigungen (§ 185 StGB)
1.2.1.3 Betrug (§ 263 StGB)
1.2.2 Nicht strafrechtlich relevantes Fehlverhalten
1.2.2.1 Sexuelle Belästigung
1.2.2.2 Anderes nicht strafrechtlich relevantes Verhalten
2 Das Zweistufenprinzip zur Beurteilung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung
2.1 „An sich“ wichtiger Grund
2.2 Interessenabwägung verhaltensbedingter Kündigungen
2.2.1 Das Prognoseprinzip und der Verzicht auf vorherige Abmahnung
2.2.2 Relevante Faktoren im Rahmen der Gesamtwürdigung
3 Auslegungsprinzipien für Bagatelldelikte in anderen Rechtsbereichen
3.1 Geringwertigkeitsgrenze im Strafrecht
3.2 Beurteilung von Bagatelldelikten bei Beamten
3.3 Beurteilung von Bagatelldelikten bei Soldaten
4 Kritik an der bisherigen Rechtsprechung
4.1 Die Argumentationsfigur des Zweistufenprinzips
4.2 Die Argumentationsfigur des Vertrauensverlustes
4.3 Neue Entwicklung in der Rechtsprechung: das „Vertrauenskapital“
Fazit
Literaturverzeichnis
Urteilsverzeichnis
- Arbeit zitieren
- Nadine Hammele (Autor:in), 2010, Die außerordentliche Kündigung bei Bagatelldelikten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174780
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