Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Humanitäre Intervention als der gerechte Krieg?
3. Die Humanitäre Intervention im Internationalen Völkerrecht
4. Die Intervention in Bosnien-Herzegowina
4.1 Exkurs: Der Krieg in Bosnien-Herzegowina
4.2 Operation „Sky Monitor“
4.3 Operation „Deny Flight“
4.4 Operation „Deliberate Force“
4.5 Die Zeit nach den Luftoperationen
5. Die Intervention im Kosovo
5.1 Exkurs: Der Kosovo-Konflikt
5.2 Operation „Allied Force“
5.3 Die Zeit nach der Luftoperation
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Selbstständigkeitserklärung
1. Einleitung
Die Frage, wann ein Krieg gerechtfertigt ist und wann nicht ist oft schwer umstritten. Doch geht es um die Verminderung, oder Vermeidung menschlichen Leids, erscheint eine militärische Intervention wahrscheinlicher. Nichtsdestoweniger stellt sich auch hier die Frage, ob und wie ein solcher Eingriff legitimiert werden kann. Ob Somalia, der Kosovo-Konflikt, oder in der jüngeren Vergangenheit in Afghanistan und Irak - Alle Eingriffe lösten eine große Kontroverse aus, wenngleich sie sich in ihrer Legitimierung unterscheiden. Da eine humanitäre Intervention einen nichterklärten Krieg darstellt und in die Souveränität einzelner Staaten eingreift, ist ihre Legitimierung an den UN-Sicherheitsrat gebunden. Dennoch fanden in der Vergangenheit Eingriffe multinationaler Verbände auch ohne ein UN-Mandat statt. Hier stellt sich die Frage, ob diese Einsätze sich in der Zielsetzung - dem Schutz von Menschen in einer humanitären Notlage - von denen unterscheiden, die mittels UN-Mandat durchgeführt wurden und ob ein Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien erwirkt werden konnte. Um dieser Fragestellung nachzugehen, ist es zunächst notwendig, die Idee der Humanitären Intervention zu betrachten und zu überlegen, ob es in diesem Zusammenhang einen gerechten Krieg eigentlich gibt. Darauf aufbauend findet die Differenzierung zwischen der legitimierten und nicht- legitimierten Humanitären Intervention statt. Als Maßstab der Legitimierung dient das Völkerrecht. Ebenfalls sollen in diesem Abschnitt Probleme und Spannungen zwischen der Humanitären Intervention und der Souveränität einzelner Staaten und dem Gewaltverbot der UN-Charta erörtert werden.
Um zu betrachten, ob der militärische Eingriff mit und ohne UN-Legitimierung zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich des Waffenstillstandes zwischen den Konfliktparteien und der vorherigen Zielsetzung führte, ist es notwendig zwei Fallbeispiele zu untersuchen. Um möglichst ähnliche Ausgangsbedingungen und keine großen zeitlichen Differenzen zu erhalten, bietet es sich an, die jeweiligen Interventionen im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina heranzuziehen und hinsichtlich der Zielsetzung und des Ergebnisses zu betrachten. Genauer sollen hier die NATO-Luftoperationen in Bosnien Herzegowina, sowie die im Kosovo Beachtung finden. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Durchführung der jeweiligen Eingriffe, die Rechtslage und die daraus resultierenden Folgen für den weiteren Kriegsverlauf. Zuvor ist es jedoch notwendig, jeweils einen kurzen Exkurs zur Entstehung der Konflikte durchzuführen. Gemeinsam haben beide Interventionen, dass die jeweiligen Konflikte aus dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in den neunziger Jahren entstanden sind.
Der Unterschied der beiden Einsätze liegt jedoch in der Legitimierung durch den UN-Sicherheitsrat. Während die Luftoperationen in Bosnien-Herzegowina vom UN- Sicherheitsrat beschlossen und anschließend von der NATO durchgeführt wurden, verfügte der Einsatz im Kosovo über keinerlei Mandatierung seitens der Vereinten Nationen.
Ziel dieser Hausaufgabe ist es, die Rechtslage der Humanitären Intervention auszuarbeiten, um die entstehenden Problemaktiken bei dem Eingriff in die Staatensouveränität der jeweils betroffenen Länder zu erkennen, sowie festzustellen, ob die Zielsetzung, die Durchführung und der Erfolg, gemessen an einem Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien, militärischer Eingriffe sich auf Grund einer Legitimierung durch den UN-Sicherheitsrat voneinander unterscheiden.
2. Die Humanitäre Intervention als der gerechte Krieg?
Wenn von der Humanitären Intervention die Rede ist, kommt man nicht um die Frage der Gerechtigkeit des Krieges herum. Absicht dieser Art militärischer Intervention ist es jedoch nicht mittels Waffeneinsatz Opfer zu fordern, sondern sie zu verhindern. Eine Humanitäre Intervention bezeichnet den politischen Druck, oder oft den militärischen Eingriff, in die Souveränität eines anderen Staates, unter der Bedingung, dass dieser selber nicht in der Lage, oder Willens dazu ist, den Schutz von Menschen zu gewährleisten, die sich in einer humanitären Notlage befinden. Diese Einmischung kann durch einzelne Staaten, internationale Organisationen, oder multistaatliche Kooperationen erfolgen.1 Sie erfolgt gegen den Willen der Regierung des betroffenen Staates, wobei es nicht von Bedeutung ist, ob die Verletzung der Menschenrechte von der Regierung des jeweiligen Staates selbst ausgeführt wird, oder von jemand Anderes. Es genügt schon, dass sie von ihr in ungenügendem Maße bekämpft wird.2
Spricht man von einer Humanitären Intervention in einem konkreten Fall, sagt die Bezeichnung des Eingriffs nichts über die Rechtmäßigkeit aus, übt dennoch ein gewisses Urteil über die Motivation aus, Recht zu schaffen.3 So habe man, nach Mark Swatek-Evenstein, als unbeteiligter Staat lediglich zwei Möglichkeiten der Handhabe. Entweder man schaue bei der Verletzung von Menschenrechten zu, oder man bedient sich der Intervention als „vermeintliche moralische Rechtfertigung“.4
Die Problematik der Humanitären Intervention ist der Eingriff in die Souveränitätsrechte eines bestimmten Staates. Die nicht-Intervention schützt das Prinzip der Souveränität und die Intervention beschneidet genau dieses Maxim eines Nationalstaates.5 Zu den Grenzen eines Staates gehört zunächst das tatsächliche Staatsgebiet. „Aber Grenzen eines Staates sind nicht nur die geographischen seines Gebiets und die arithmetischen seiner Bevölkerung, sondern auch die normativen seiner Selbstbestimmung, seiner Autonomie.“6 In der Charta der Vereinten Nationen heißt es in Artikel 2 Absatz Unabhängigkeit und die territoriale Unversehrtheit eines Staates zu wahren sind.7 Folglich untersagt die Charta zunächst eine Intervention auf dem Staatsgebiet eines anderen Landes.
Dem gegenüber steht die Vermeidung vom Leid anderer Menschen bei schwersten Menschenrechtsverletzungen. „Die Einschlägigen Menschenrechte wie das Recht auf Leib und Leben und auf einen Schutz von Eigentum sind interkulturell anerkannt, nachzulesen in jedem Strafgesetzbuch“.8 Der Rechtsphilosoph Jean- Christophe Merle merkt an, dass es nicht nur die Vereinten Nationen sind, die eine Regierung dazu bewegt, sich an einer Humanitären Intervention zu beteiligen. Bisher habe kein Eingriff lediglich auf Grund einer UNO-Entscheidung stattgefunden. Bezugnehmend auf die Verpflichtung zu den Menschenrechten stehe eine Regierung jedes Mal unter dem enormen Druck der Öffentlichkeit, wenn diese verletzt werden. Dennoch werde im Anschluss behauptet, die Entscheidung sei nicht auf Druck der Bevölkerung, sondern mit Berücksichtigung der Entscheidung der Vereinten Nationen getroffen worden.9
Seit dem Eingreifen im Golfkrieg 1991 änderte sich die Sichtweise auf das Intervenieren, hauptsächlich kollektiv organisiert, zum Schutz von Menschenrechten. So wurde das Einschalten bei besonders schweren Notlagen von Menschen nicht mehr nur erlaubt, sondern gar geboten. Die Medien in den westlichen Staaten unterstützen in Ihrer Berichterstattung das Vorgehen für humanitäre Zwecke. Zwar wurde die Humanitäre Intervention auf Grund ihres Misserfolges in Somalia zwischenzeitlich als kritisch angesehen, jedoch brachte die NATO-Intervention 1999 im Kosovo eine breite Unterstützung bei der Bevölkerung der westlichen Länder mit sich.10
Die Überlegungen, ob ein Krieg im Rahmen einer Humanitären Intervention gerechtfertigt sein kann, oder nicht fordern eine ethische Untersuchung. Bei der Betrachtung der klassischen Theorien der Internationalen Beziehungen ist erkennbar, dass der Realismus eine moralische Argumentation hinsichtlich einer Handlung in der internationalen Politik gänzlich ablehnt.11 Ebenso lehnt der Pazifismus den gerechten Krieg, wie jede Art von Krieg ab. Die Lehre vom gerechten Krieg aber, die eine Humanitäre Intervention ethisch begründet, befindet sich genau zwischen diesen beiden Theorien. Sie sieht, wie der Pazifismus, den Frieden als Ziel an, aber billigt den Krieg in gewissen Fällen zur Durchsetzung von bestimmten Machtinteressen, wie es der Realismus tut.12
Um eine Humanitäre Interventionen zu legitimieren bedarf es jedoch nicht nur ethischer Argumente, sondern viel mehr international geltende Normen. Die Souveränität eines Staates bedeutet nicht, dass dieser seine Bevölkerung behandeln darf, wie er es möchte. Aus diesem Grund hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das Recht, Menschenrechtsverletzungen beenden zu lassen.13 Doch ob eine „coalition oft he willing“ ohne UN-Mandat ebenso das Recht dazu hat, bedarf einer Betrachtung des Völkerrechts.
3. Die Humanitäre Intervention im Internationalen Völkerrecht
Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei einer Intervention im völkerrechtlichen Sinne um ein zwischenstaatliches Ereignis handelt. Aus diesem Grund sind diejenigen, die intervenieren entweder ein einzelner Staat, ein Staatenbündnis, eine internationale Organisation, oder ein anderes Völkerrechtssubjekt, wie beispielsweise das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.14 In der folgenden Betrachtung finden die anderen Völkerrechtssubjekte jedoch keine Beachtung, da diese für die Beantwortung der Forschungsfrage irrelevant sind.
Einzelstaaten können im Zuge einer Humanitären Intervention als Intervenient auftreten, oder Betroffener einer Intervention sein. Als Intervenient wird der Staat definiert, der in die Obliegenheiten eines anderen Völkerrechtssubjektes eingreift und als Interventionsbetroffener demnach, wenn die Intervention auf seinem Staatsgebiet stattfindet.15
Staatenverbindungen können sich zum Einen auf Grund der jeweiligen Intervention zusammengeschlossen haben, oder aber eine Staatenkoalition sein. Diese Staatenkoalitionen haben allerdings nicht als Ganzes den Status einer Völkerrechtspersönlichkeit. Eine internationale Organisation hingegen, die einen festgelegten Aufbau vorweisen kann, gilt als Völkerrechtssubjekt und tritt auch als ein solches nach außen hin auf. Da eine internationale Organisation aber nicht über ein eigenes Staatsgebiet verfügt, kann sie dementsprechend auch nicht von einer Intervention betroffen sein - außer dem Organisationssitz, der sich aber auch wieder auf dem Grund eines Einzelstaates befindet. Bei einer Intervention einer internationalen Organisation ist es darüber hinaus unabdingbar zu betrachten, welche Rolle die einzelnen Mitgliedsstaaten haben.16
Mit Gründung der Vereinten Nationen im Jahre 1945, trat kurze Zeit darauf die Charta der Vereinten Nationen in Kraft. In Artikel zwei der UN-Charta ist den Mitgliedern die Anwendung und auch die Androhung von Gewalt untersagt.17 Ebenso wird im siebten Absatz das Intervenieren der Vereinten Nationen in Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten ausgeschlossen. Allerdings heißt es weiter, dass Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII hiervon nicht betroffen seien.18
In dem angesprochenen siebten Kapitel steht zunächst unter Artikel 39, dass allein der Sicherheitsrat die Befugnis hat, festzustellen, ob die Bedrohung, oder bereits der Bruch des Friedens, beziehungsweise ein Angriff vorliegt. Aus der Feststellung resultierend ist es ebenfalls der Sicherheitsrat, der mögliche Maßnahmen beschließt. Folgen die betroffenen Parteien nicht den Aufforderungen des Sicherheitsrates, hat dieser die Möglichkeit Sanktionen mit ökonomischen Folgen zu erlassen.19 Führen diese Mittel nicht zu dem gewünschten Erfolg, sieht die UN- Charta den Einsatz von „Luft-, See- oder Landstreitkräften [vor, die der] Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“20 dienen.
Einerseits wird der Krieg für die einzelnen Mitgliedsstaaten als illegitimes Mittel zur Beilegung von Streitigkeiten definiert, andererseits verfügt die UN über die Möglichkeit einer militärischen Intervention, die bei Gegenwehr zu einem Krieg führt. Daraus folgend ergibt sich die Frage, ob in diesem Fall die Menschenrechte vieler (diejenigen, die sich in einer humanitären Notlage befinden) gegen die Menschenrechte weniger (diejenigen, die bei einer militärischen Intervention verletzt werden, oder in Not geraten) aufgerechnet werden können. Allerdings wirft der Philosoph Harald Wohlrapp in dieser Debatte ein, dass es bei der Beurteilung einer Handlung stets um die Wahl von Entscheidungen gehe und nicht um die Handlung selber.
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1 Vgl. Münkler, Herfried / Malowitz, Karsten (2008): Seite 7ff.
2 Vgl. Pfannkuche, Walter (2004): Seite 133.
3 Vgl. Swatek-Evenstein (2008): Seite 16.
4 Ebd. (2008): Seite 27.
5 Vgl. Shue, Henry (2004): Seite 14.
6 Merkel, Reinhard (2004): Seite 107.
7 Vgl. Charter oft he United Nations: Chapter 1, Article 2, 4.
8 Höffe, Ottfried (2003): Seite 15.
9 Vgl. Merle, Jean-Christophe (2003): Seite 55.
10 Vgl. Gruber, Stefan (2008): Seite 19.
11 Vgl. Lemke, Christian (2008): Seite 15ff.
12 Vgl. Gruber, Stefan (2008): Seite 23ff.
13 Vgl. Hehir, Aidan (2010): Seite 129ff.
14 Vgl. Seeger, Chris (2009): Seite 22.
15 Vgl. Ebd. Seite 22f.
16 Vgl. Seeger, Chris (2009): Seite 23ff.
17 Vgl. Charter oft he United Nations: Chapter 1, Article 2, 4.
18 Vgl. Ebd.: Chapter 1, Article 2, 7.
19 Vgl. Ebd.: Chapter 7, Article 39-41.
20 Ebd.: Chapter 7, Article 42.