Die Bindungstheorie und außerfamiliäre Betreuung von Kindern unter drei Jahren


Hausarbeit, 2010

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriff Bindungstheorie

3. Bindungsentwicklung nach Ainsworth

4. Fremde Situations Test

5. Bindungstypen

6. Auswirkungen außerfamiliärer Betreuung

7. Erzieherin-Kind-Bindung

8. Qualität der Einrichtung

9. Fazit

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Bindungstheorie“ und insbesondere mit Kindern unter drei Jahren, die außerfamiliär betreut werden. Bindungstheorie meint im Allgemeinen, das Bedürfnis des Menschen eine enge und emotionale Beziehung zu Mitmenschen aufzubauen. Die Betreuung von Kindern unter drei Jahren in einer institutionellen Einrichtung ist ein emotional besetztes und umstrittenes Thema. Diese Tatsache nehme ich zum Anlass, die aktuell vorherrschende Situation näher zu betrachten und aufzuzeigen, was Forschungsergebnisse ergeben haben. Für viele Kinder ist die Fremdbetreuung Alltag ihres Lebens, da sie einen Großteil ihrer Zeit in einer Tageseinrichtung verbringen. Hierdurch gewinnt natürlich die Frage an Bedeutung, wie die Kinder mit dieser Situation umgehen und ob diese Folgen für ihre Entwicklung bedeutet. Ich möchte in dieser Hausarbeit speziell der Frage nachgehen, welche Auswirkungen eine außerfamiliäre Betreuung für Kinder unter drei Jahren mit sich bringt.

Als erstes möchte ich eine Einführung in das Thema Bindungstheorie geben und die Grundlagen dieses Begriffes klären. Im weiteren Verlauf werde ich kurz auf den „Fremde Situations Test“ von Mary Ainsworth eingehen um schließlich die verschiedenen Bindungstypen zu beschreiben. Schließlich möchte ich auf den Schwerpunkt meiner Arbeit zu sprechen kommen: nämlich welche Auswirkungen eine frühe außerfamiliäre Betreuung für das Kind haben kann. Hierzu werde ich sowohl die verschiedenen Meinungen der Autoren als auch die Ergebnisse von Studien heranziehen. Im letzten Teil meiner Arbeit möchte ich deutlich machen, was dies für die pädagogische Praxis bedeutet, das heißt ich werde die Erzieherin-Kind-Bindung näher beschreiben und auf die Qualität der Einrichtung zu sprechen kommen. Im Fazit werde ich dann schließlich die Ergebnisse zusammenfassen und ein Resümee ziehen.

2. Begriff Bindungstheorie:

Unter Bindung versteht die ethologische Bindungstheorie ein „gefühlsmäßiges Band“, welches sich zwischen dem Kind und seiner Bindungsperson, meistens der Mutter, in den ersten Lebensmonaten entwickelt. Begründet wird die Bindungstheorie von dem britischen Psychiater John Bowlby, der eng mit der Kanadierin Mary S. Ainsworth zusammen arbeitete. Den Anstoß, der Bowlby zu diesem Forschungsprojekt bewegte, erhielt er in der Nachkriegszeit. Dort arbeitete er als Kinderpsychiater und erlebte viele Kinder, die durch den Krieg früh von ihren Eltern getrennt worden waren und in Folge dessen, starke Persönlichkeitsstörungen erkennen ließen, für die es keine Erklärung gab. Bowlby vermutet, dass der Aufbau von solchen Bindungsbeziehungen in den Erbanlagen verankert ist (vgl. Laewen 2007). Schon von Geburt an verfügen Kinder über ein Verhaltenssystem, das es ihnen ermöglicht, Bindungsverhalten gegenüber einer oder einigen wenigen Personen aufzubauen. Sie verfügen über eine eigene Sprache, mit der sie nur mit ihrer Bezugsperson kommunizieren können. An diese senden die Kinder in den ersten Lebensmonaten Signale wie Weinen oder Anklammern. Im Laufe des ersten Lebensjahres wird dieses Bindungsverhalten dann immer komplexer (vgl. Becker Stoll, S. 16). Das Kind orientiert sich auf eine Person, die es zuverlässig und dauerhaft betreut hat. Das Bindungsverhalten des Kindes wird dann ausgelöst, wenn es Angst hat oder es sich unwohl fühlt. Durch die Nähe der Bindungsperson und Interaktion mit dem Kind, kann sie dieses wieder beruhigen (vgl. ebd., S.16). Kinder benutzen ihre Bindungsperson in fremder Umgebung als eine Art „sichere Basis“, von der aus sie die Umwelt erkunden können (vgl. Laewen 2007, S. 28). Laut Bowlby sind die Kinder nämlich neben einem Bindungsverhaltensystem auch mit einem Explorationsverhaltensystem ausgestattet. Wenn es bei dem Kind während seiner Exploration zu Überforderungen kommt wie Müdigkeit, Schmerz oder Unwohlsein, wird sein Bindungsverhalten aktiviert und es wird sich zu seiner Bindungsperson zurückziehen (vgl. Becker Stoll 2007, S.17).

3. Bindungsentwicklung nach Ainsworth (1972):

Kinder entwickeln in der Regel in den ersten neun Monaten Bindungen gegenüber Personen, die sich zuverlässig und dauerhaft um sie gekümmert haben. In den meisten Fällen ist das die Mutter oder der Vater. Diese Bindung entwickelt sich in vier Phasen (Ainsworth 1964/2003):

Vorbindungsphase:

In den ersten sechs Wochen nach der Geburt eines Kindes, richtet es seine Aufmerksamkeit auf jede Person, die Kontakt zu ihm aufnimmt. Geht diese Phase dem Ende zu, fängt das Kind an, zwischen verschiedenen Personen, vor allem zwischen seiner Mutter und anderen Menschen, zu unterscheiden.

Entstehungsphase der Bindung:

Diese Phase umfasst die 6. Woche bis 8. Monat nach der Geburt. Jetzt unterscheidet das Kind nicht nur zwischen bekannten und unbekannten Gesichtern, sondern auch zwischen seinen vertrauten Personen.

Eindeutige Bindungsphase:

Diese Phase geht vom achten bis hin zum 24. Monat. Am Ende des ersten Lebensjahres wird das Kind noch aktiver in der Kontaktaufnahme mit den von ihm favorisierten Personen. Dies wird durch Fortschritte in der motorischen und sprachlichen Entwicklung erkennbar und es werden Symptome wie Trennungsangst und Fremdeln deutlich. Nun ist das Kind nicht mehr nur auf seine Bindungsperson fixiert, sondern erkundet seine Umwelt selbständig.

Gegenseitige Beziehungen:

Ab dem zweiten Lebensjahr ist das Kind in der Lage zu verstehen, welche Gefühle und Motive seine Mutter zu ihrem Handeln leitet (vgl. Schmidt-Denter, S.12)

4. Fremde Situations Test

Ergänzend zu dem Konzept der „sicheren Basis“, die eine feinfühlige Bindungsperson und eine verlässliche Grundlage darstellt, entwickelten Ainsworth und ihre Mitarbeiter ein Testverfahren, den sogenannten „Strange Situation Test“, (Ainsworth et al. 1978). Hierbei ging es um eine Versuchsanordnung, die zum Ziel hatte, die Sicherheit und die Qualität der Beziehung zwischen Mutter und Kind und das Gleichgewicht zwischen Bindungs- und Explorationsverhalten in einem unbekannten Raum zu ermitteln. Der Test hat eine Dauer von ca. 20 Minuten und besteht aus acht Episoden, die zwei Trennungen und Wiedersehphasen von Mutter und Kind beinhaltet. Hierdurch kann beobachten werden, ob und wie sich das Kind nach der Trennung an seine Bezugsperson wendet, sich beruhigen lässt und wieder zur Erkundung seiner Umwelt aufbricht. Aus dieser Auswertung kann man dann den Bindungstypen feststellen. Hierbei unterscheidet Ainsworth drei Hauptgruppen (vgl. Ahnert, S.86):

5. Bindungstypen:

Sichere Bindung:

Kinder, die eine sichere Bindung zu ihrer Bezugsperson haben, zeigen eine ausgewogene Balance zwischen Bindungs- und Explorationsverhalten. Sie nutzen ihre Bindungsperson als “sichere Basis“, von der aus sie die fremde Umgebung erkunden (vgl. Becker-Stoll, S. 23). Sie zeigen deutlich ihre Gefühle und weinen, lassen sich aber von der fremden Person trösten. Auch wenn solch eine Trennung bei den Kindern mit negativen Gefühlen verbunden ist, wissen sie, dass sie von ihrer Bindungsperson nicht im Stich gelassen werden und freuen sich auf deren Rückkehr (vgl. Q2).

Unsicher-vermeidbare Bindung:

Dieses Bindungsverhalten zeigt ein ausgeprägtes Explorationsverhalten, ein Bindungsverhalten wird hingegen nicht deutlich (vgl. Becker-Stoll, S. 24). Die Kinder reagieren beim Weggang der Mutter weder ängstlich noch ärgerlich und erkunden den Raum. Bei der Rückkehr der Bindungsperson, wird diese von dem Kind ignoriert und gemieden. Das Kind sucht hingegen die Nähe der fremden Person. Unsicher-vermeidbaren Kindern fehlt die Zuversicht, dass ihre Bindungsperson jederzeit verfügbar ist. Sie denken, dass ihre Wünsche sowieso auf Ablehnung stoßen und sie keinen Anspruch auf Liebe und Unterstützung haben. Solche Kinder haben oft schon Zurückweisungen erlebt und vermeiden deswegen eine enge Beziehung zur Mutter (vgl. Q2).

Unsicher-ambivalente Bindung:

Bei dieser Verhaltensgruppe kommt ein starkes Bindungsverhalten zum Vorschein, aber kein Explorationsverhalten (vgl. Becker-Stoll 2007, S.24). Diese Kinder sind ängstlich und abhängig von ihrer Bindungsperson. Beim Weggang der Mutter, reagiert das Kind extrem belastend und fürchtet sich vor der fremden Frau. Für das Kind wirkt die Mutter nicht zuverlässig. Der Wechsel zwischen feinfühligem und abweisendem Verhalten führt dazu, dass das Bindungsverhalten des Kindes ständig aktiviert sein muss. Für das Kind ist es schwer einzuschätzen, wie die Mutter in bestimmten Situationen reagieren wird. Da also das Kind ständig damit beschäftigt ist, herauszufinden in welcher Stimmung die Mutter gerade ist, wird es in seinem Erkundungsverhalten eingeschränkt und deswegen kann es sich nicht auf die Exploration des Raumes konzentrieren. Diese Kinder bauen keine positive Erwartungshaltung auf, da die Mutter oft unzuverlässig und nicht verfügbar ist. Sie reagieren gestresst und ängstlich, weil sie mit keinem positiven Ausgang der Situation rechnen (vgl. Q2).

Desorganisierte Bindung:

Dieser Bindungstyp wurde erst viel später festgestellt und eingeführt, da es immer wieder Kinder gab, die keinem der anderen drei Bindungstypen eindeutig zugeordnet werden konnten. Merkmale dieses Bindungstyps sind plötzliches Erstarren, zielloses Umherirren oder das Nähe suchen zur Bindungsperson, welches aber kurz vor dem Körperkontakt abgebrochen wird (vgl. Textor o.J.). Ganz im Gegensatz zu einem organisierten Bindungsverhalten stellt das desorganisierte Verhalten ein „Steckenbleiben“ zwischen zwei Verhaltenstendenzen dar. Auf der einen Seite steht das Nähe suchen und die Zuwendung zur Mutter und auf der anderen Seite die Abwendung. Dieses Verhalten wird als Indikator für Stress und Angst gedeutet, die das Kind nicht beenden kann, weil seine Bindungsperson einerseits der „sichere Hafen“, aber andererseits auch die Quelle von Furcht ist. Gründe für solch eine Desorientierung können beispielsweise Misshandlungen, Missbrauch oder traumatische und unverarbeitete Verluste in der Kindheit sein. Kleinkinder sind nicht in der Lage eine klare Bindungsstrategie zu entwickeln (vgl. ebd.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Bindungstheorie und außerfamiliäre Betreuung von Kindern unter drei Jahren
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
13
Katalognummer
V174997
ISBN (eBook)
9783640957903
ISBN (Buch)
9783640958191
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bindung, außerfamiliäre Betreuung, Fremde-Situations-Test, Erzieherin-Kind-Bindung, Bindungstypen, Bindungstheorie, Bindungsentwicklung, John Bowlby
Arbeit zitieren
Melanie Schewtschenko (Autor:in), 2010, Die Bindungstheorie und außerfamiliäre Betreuung von Kindern unter drei Jahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174997

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