Der Zusammenhang von Innen- und internationaler Politik bei Macchiavelli


Hausarbeit, 2001

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Das politische Denken Machiavellis
a) Politische Anthropologie
b) Geschichtsverständnis und Handlungslehre
c) Machiavelli und seine Zeit

III. Von der Innenpolitik zur Analyse des internationalen Systems

IV. Interdependenz zwischen Innen- und internationaler Politik
a) Ursprung und Entstehung der politischen Einheiten
b) Gründung und Konstitution der inneren Ordnung
dieser politischen Einheiten
c) Wandel und Entwicklung der Ordnung der politischen Einheiten
d) Ordnungsprinzipien und Ordnungstypen im Feld der
internationalen Beziehungen
e) Zusammenhang zwischen der inneren Ordnung und dem
auswärtigen Verhalten, die Bedingung von Krieg und Frieden
f) Wechselwirkung zwischen menschlicher Natur und der internationalen Politik

V. Schluss

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Machiavelli steht mit seinen politischen Schriften bis in die heutige Zeit im Verruf, nur der fahrlässige Begründer einer Politik zu sein, die mit dem Ausdruck ,,Machiavellismus" bezeichnet wird. Mit diesem Terminus wird gemeinhin der rücksichtslose Mißbrauch des oder der Regierenden seiner beziehungsweise ihrer Herrschaft zum alleinigen Ziel der Machtsicherung charakterisiert.

Bei der Würdigung seiner Schriften schieden sich über Genrationen hinweg die Geister. Die katholische Kirche setzte seine Werke auf den Index. Die erste deutsche Übersetzung des ,,Il principe" erschien erst knapp 200 Jahre nach seinem Tod mit einem fingierten Drucker- und Erscheinungsortnamen. Friedrich der Große sah sich genötigt, mit einer Schrift die Menschlichkeit zur verteidigen, von der er überzeugt war, daß Machiavelli sie vernichten wollte. Nietzsche sah hingegen in dem Werk Machiavellis ein Ideal politischen Handelns.[1]

Auch wenn sich den meisten Lesern von Machiavellis Lektüre der Eindruck aufgedrängt haben mag, dass er sich darin ausschließlich mit der Materie der Innenpolitik beschäftigt habe, ist bei genauerer Betrachtung auch das Feld der internationalen Beziehungen schon in seinen Arbeiten erschlossen worden. Nicht umsonst sehen einige der Realistischen Schule im Bereich der internationalen Beziehungen ihn als den Gründer ihrer Theorie an.

Diese Arbeit setzt sich mit dem Zusammenhang zwischen Innen- und internationaler Politik bei Machiavelli auseinander. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die innenpolitische Verfassung eines Staates sich auf die internationale Struktur auswirkt und vice versa welche Wirkung die Struktur der internationalen Ebene auf das Innere eines Staates hat.

Um diese Fragen zu beantworten ist es unumgänglich in einem ersten Schritt die Biographie Machiavellis und die zu seinen Lebzeiten vorliegende politische Situation in seinem Heimatland zu beschreiben. Jede Theorie, die sich mit dem politischen Zusammenleben in einem realen oder fiktiven Gemeinwesen befaßt, ist in der Regel niemals losgelöst von der Biographie des Autors zu betrachten. Die realen Gegebenheiten und Lebensumstände haben vielmehr einen wesentlichen Einfluß auf die

Denkstrukturen eines jeden Theoretikers, das Sein bestimmt das Bewußtsein. Erst mit dem Wissen um die Biographie Machiavellis läßt sich nun auch sein politisches Denken verstehen. Dabei soll eingangs geklärt werden, auf welche Weise Machiavelli zu seinen Annahmen gekommen ist und was er für ein Bild von seinen Mitmenschen hatte. Nachdem diese Grundannahmen des politischen Denkens von Machiavelli geklärt wurden, kann der Zusammenhang zwischen der Innen- und internationalen Politik bei Machiavelli erläutert werden.

Bei der Bearbeitung des Themas werde ich mich auf die beiden Hauptwerke „Il Principe“ und „Discorsi“ beschränken.

II. Das politische Denken Machiavellis

a) Politische Anthropologie

Der Charakter des Menschen ist aus Sicht Machiavellis im Prinzip unveränderlich. Sein Menschenbild ist sehr pessimistisch. Er nennt Menschen wankelmütig, egoistisch und undankbar. Menschen neigen in Machiavellis Augen zum Bösen und machen bei nächster Gelegenheit davon Gebrauch.[2] Sie sind von Natur aus ehrgeizig und mißtrauisch, leicht zu verführen und treulos, sie sind böse und folgen stets ihrer bösen Gemütsart, sobald sie die Gelegenheit dazu haben. Doch Machiavelli legt die menschliche Bösartigkeit nicht dem Menschen allein zur Last. Die Frage, wie das Böse in die Welt hinein gekommen ist, sieht Machiavelli unter dem Aspekt einer dem Menschen feindlich gesinnten Himmelsmacht, der die beiden Furien ambizione und avarizia entspringen. Erst mit ihrem Auftreten kommt das Böse in die Welt. Machiavellis These von der Schlechtigkeit des Menschen löst sich von der im Mittelalter typischen christlichen Erbsünden Dogmatik.[3] Er begründet sie mit der Unendlichkeit des menschlichen Begehrens und der nicht vorhandenen Möglichkeit der Befriedigung ihrer Ansprüche.[4] Für Machiavelli ist das Böse eine in der menschlichen Natur wirkende Kraft, die, wie der mythische Ursprung der ambizione zeigen soll, den Menschen ohne eigene Schuld zum Schicksal geworden ist. Der christliche Begriff der Sünde ist Machiavelli fremd. Statt der Sünde verwendet er den Begriff der ambizione.

Die ambizione steht ganz allgemein für das Streben nach Befriedigung der Triebe: Ehrgeiz, Ruhmsucht, Verlangen nach Macht, Besitz und Gewinn.[5] Diese sind nie zu stillende Begehrlichkeiten, die dem Menschen angeboren sind. Die ambizione kann so übermächtig werden, dass sie dem Menschen jede Vorsicht vergessen läßt. Sie in Grenzen zu halten, ist die Aufgabe des Staates. Durch die Destruktivität des Menschen, seine Unfähigkeit zur Selbstkontrolle ist der Staat als Zwangsanstalt gerechtfertigt. Der seiner Begierde nicht mächtige Mensch ist auf Fremdzwang, auf die von außen kommende Disziplinierung durch den Staat und seine Organe angewiesen. Jedoch kann der Mensch nach der Auffassung Machiavellis durch keinerlei Maßnahmen auf Dauer gebessert werden. Der Kreislauf vom Guten zum Bösen ist als Naturgesetz dem Einfluß des Menschen entzogen.[6] Er kann sich weder selbst erlösen (Humanismus), noch kann er von außen erlöst werden (christliche Religion). Aus der Perspektive Machiavellis muss er erzogen werden. Aus dem zuletzt Beschriebenem geht ein Spannungsverhältnis hervor zwischen „Sein“ und „Seinsollen“ des Menschen. Die Humanistische Lehre wirkt daraufhin, dass die Gebote des „Seinsollens“ einzuhalten sind. Machiavelli ist jedoch der Meinung, wer im politischen Bereich nach dem „Seinsollen“ handelt, führt seinen eigenen Untergang herbei. Nur mit guten Gesetzten, die von starken Herrschern gemacht und umgesetzt werden, verhalten sich die Menschen (gezwungenermaßen) gut oder anständig.[7]

b) Geschichtsverständnis und Handlungslehre

Mit dem Eintreten des Bösen in die Welt endet der geschichtslose Zustand der ersten Menschen (eine Art Goldenes Zeitalter), und die Geschichte beginnt. Das Böse löst eine ständige Veränderung aus. Der einzelne, der sich das Gut seines Nächsten aneignet, verändert die Besitzverhältnisse, die Völker, die unaufhörlich nach Vergrößerung ihrer Länder trachten, verändern die Staatenwelt. Der Triebmechanismus der menschlichen Natur wird zum Beweger des Geschichtsprozesses.[8] Zwei Faktoren kennzeichnen den Gang menschlichen und geschichtlichen Lebens: Das Schicksal (fortuna) und die persönliche Tüchtigkeit (virtù). Die Welt an sich ist immer dieselbe; Gut und Böse verschieben sich von Land zu Land, aber die Welt im Ganzen wird

weder besser noch schlechter. Den Fluss der Zeit sieht Machiavelli nicht als Medium des Fortschritts, der Evolution, der Aufwärtsentwicklung, sondern als das Medium von Verfall und Niedergang, von Zerstörung und Korruption. Zeit und Geschichte stehen fest immer im Gegensatz zum angestrebten Ziel. Machiavellis Ratschläge erwarten von der Geschichte keine Rückendeckung, sondern stehen ihr frontal gegenüber. Reform gilt dabei nicht als Fortentwicklung, Anpassung an neue Zustände, sondern schlicht Rückführung zu Früherem, zu dem, was ursprünglich gewesen ist. Machiavelli hat ein deterministisch, zyklisches Geschichtsverständnis.[9] „Es ist die ewige Wiederkehr des Immergleichen, als jenem großen Rad, das mit der Kraft eines Naturgesetzes den Zyklus der Aufstiegs- und Niedergangsprozesse der Staaten bewegt.“[10] Zustände der Gesetzlosigkeit und der Unordnung, also der Krise, sind genauso, wie Stabilitätsperioden und republikanische Zeiten vorübergehend. Machiavelli sieht die Krise als politische Innovationschance. „Das Volk muss in so großes Elend gestürzt werden, um für einen neuen politischen Anfang reif zu werden. Die Krise ist Voraussetzung für die Einsicht, dass Ordnung des Zwangs und der Unterwerfung unter den Willen eines politischen Erneuerers bedarf.“[11] Das Volk kann sich nicht selbst aus seinem Elend befreien. Es bedarf einer charismatischen Führungspersönlichkeit. Machiavelli redet dabei vom „uomo virtuoso“. Dieser ist der politische Erneuerer, der Ordnungsstifter. Seine Aufgabe ist es, die Krise zu überwinden, das Gemeinwesen neu zu ordnen und dessen politischen Weg durch Verfassungsgebung und angemessene Herrschaftsausübung so zu steuern, dass es politische Reife gewinnt, sich von der personalen Herrschaft emanzipieren und Selbständigkeit erlangen kann. Nach der Beendigung des Zustandes der Gesetzlosigkeit, nach erfolgter politischer Neuordnung muss der „uomo virtuoso“ das eingerichtete Staatswesen den Menschen jedoch zurückgeben und die Macht klug auf die gesellschaftlichen Kräfte verteilen. „Uomo virtuoso“ kann nur derjenige sein, der nach Macht strebt. Er muss immer die egoistische und böse der menschlichen Natur in sein politisches Kalkül mit einbeziehen. Darüber hinaus muss er jedoch auch die sozialpolitische Konstellation der Zeit beachten. Ein Herrscher darf sich nie ganz auf sein Glück bzw. sein Schicksal (fortuna) verlassen, sonst geht er zugrunde. Erfolgreich ist nur, wer seine Handlungen am Zeitgeist, den geltenden Verhältnissen anpaßt. Machia-

velli orientiert sich mit seiner Handlungslehre bedingungslos an der Erhaltung und Festigung der staatlichen Gemeinschaft. Der Staat, oder der Herrscher, hat bei Machiavelli seine eigene Räson, den überragenden Anspruch zum Machterhalt gegen innere und äußere Gegner. So wird der politische Machterfolg zum Endzweck der Politik; und das um so mehr, als Machiavelli im Egoismus das beherrschende Grundmotiv menschlichen Verhaltens erkennt. Machiavelli könnte als der erste Theoretiker der Staatsräson bezeichnet werden, auch wenn der Begriff bei ihm so nicht auftaucht.[12]

c) Machiavelli und seine Zeit

Der Status quo (Gleichgewicht) der italienischen Staatenwelt hielt die gesamte Amtszeit von Lorenzo an. Mit seinem Tod 1492 und der Machtübernahme durch seinen Sohn Piero de Medici änderte sich jedoch die politische Lage in Italien vollkommen. Piero lockerte die unter seinem Vater gepflegten Beziehungen zu Mailand und verbündet sich mit dem Königreich Neapel. Mailand, das sich unter diesen Umständen von der Gefahr der politischen Isolation bedroht sah, wendete sich infolgedessen an Frankreich, daß selbst Ansprüche auf Neapel verfolgte. Der französische König Karl VIII. marschierte mit Truppen in Italien ein, was zu Auseinandersetzungen mit Österreich und Spanien führte. Italien wurde dadurch zum Objekt der Streitigkeiten.[13] Der Staatenbund zerfiel und die italienischen Staaten wurden gezwungen, sich zu wechselnden Allianzen mit den beiden Streitparteien zu bekennen. Dieses hatte zur Folge, daß sich die einstmals verbündeten Fürstentümer untereinander bekriegten. Wenn sich Gut und Böse von Land zu Land verschieben, dann waren die verderbten Sitten, das Böse, damals eben in Italien zugange. Es herrschten äußerstes Elend, Schmach und Verachtung. Es gab kein funktionierendes Militärwesen. Weder religiöse Gebote noch Gesetze wurden beachtet. Alles versank im Schmutz. Italien war seit zwei Jahrzehnten Spielball fremder Mächte. Diese Erfahrung war auch für Machiavelli eine demütigende und bittere Erfahrung. Machiavelli hatte offenbar ausgehend von dieser Situation gehofft, dass ein starker Fürst die Macht an sich reißt und einen Staat in Italien errichte, der stark genug sei, die französische, deutsche und spanische Invas

[...]


[1] Kersting, Wolfgang 1988: Niccolò Machiavelli, 2. Aufl., München. S. 155 ff.

[2] Deppe, Frank 1987: Niccolò Machiavelli: Zur Kritik der reinen Politik, Köln. S. 297

[3] Ebenda. S. 298 ff.

[4] Boucher, David 1998: Political Theories of International Relations. From Thucydides to the Present, New York, Kap 5 u. 6. S. 93

[5] Ebenda.

[6] Kersting, Wolfgang 1988: Niccolò Machiavelli. S. 62 ff.

[7] Ebenda. 70 ff.

[8] Deppe, Frank 1987: Niccolò Machiavelli. S. 298

[9] Münkler, Herfried 1982: Machiavelli: Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz, Frankfurt a. M.. S. 243 ff..

[10] Deppe, Frank1987: Niccolò Machiavelli. S. 306

[11] Kersting, Wolfgang 1988: Niccolò Machiavelli. S. 74

[12] Meinecke, Friedrich 1963: Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte, Oldenbourg. S. 55.

[13] Münkler, Herfried 1982: Machiavelli. S. 204 ff..

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Zusammenhang von Innen- und internationaler Politik bei Macchiavelli
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Politikwissenschaft/ Abt. III. - Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung)
Veranstaltung
Geschichte der Theorie der internationalen Beziehungen
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V17510
ISBN (eBook)
9783638220699
ISBN (Buch)
9783640202874
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zusammenhang, Innen-, Politik, Macchiavelli, Geschichte, Theorie, Beziehungen
Arbeit zitieren
Matthias Mißler (Autor:in), 2001, Der Zusammenhang von Innen- und internationaler Politik bei Macchiavelli, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17510

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