Der Arzneimittelbeauftragte im Rettungsdienst ist Hüter der Medikamente. Die Änderung des Apothekengesetztes schreibt vor, dass eine sachkundige Person auf JEDER Rettungwache benannt werden muss. Der Arzneimittelbeauftragte erwirbt die Sachkenntnis mit einem 2-tätigen Lehrgang incl. Prüfung. Dieses Buch bereitet darauf vor. Der Titel und das didaktische Konzept "Arzneimittelbeauftragter im Rettungsdienst" ist durch den Autor urheberrechtlich geschützt und ein eingetragenes Wahrenzeichen.
Galenos, der griechische Arzt, hätte es sich vor nahezu 2000 Jahren bestimmt nicht träumen lassen, was aus seiner nach ihm benannten „formgebenden“ Lehre geworden ist. Obwohl Begriffe wie Freisetzungskinetik, osmotische Systeme und Liposome zu dieser Zeit nicht existierten, war man immer schon erfinderisch, wenn es darum ging, Arzneimittel in den Körper zu schleusen. Die Hexensalben von Einst sind, elegant verändert, unsere heutigen Transdermalen-Therapeutischen-Systeme (TTS) und gepreßte Tonerde sind die Vorgänger der Tablette. Aus der Zeit, in der die Apotheke noch deutlich mehr mit der Eigenherstellung von Arzneimitteln beschäftigt war, stammt auch die umgangssprachliche Berufsbezeichnung „Pillendreher“.
Doch jeder Fortschritt kann auch nachteilig sein. Wie man ein Dragee benutzt, weiß jeder. Was nützt jedoch das innovative Dosieraerosol, wenn der Patient es falsch anwendet?
Mit zunehmenden galenischen Fortschritt ist deshalb gerade die Beratungskompetenz der Apotheke gefragt, damit der Kunde sein Arzneimittel richtig und somit effizient handhabt. Man sollte dabei von einem geringen Grundwissen des Anwenders ausgehen. Dies gilt insbesondere für ältere Patienten und solche, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben. Nichts ist unmöglich! Die Anwenderin, die ein orales Kontrazeptivum einführt oder der Anwender, der ein Suppositorium schluckt ist nicht Witz, sondern (seltene) Realität.
Freisetzungskinetik unterschiedlicher Arzneiformen
„Dreimal täglich nach dem Essen“ – diese Dosierungsanweisung ist als nahezu klassisch zu bezeichnen. Mit der stetig zunehmenden Zahl von Arzneistoffen und –formen steht ist jedoch ein differenziertes und individuelles Dosierungsschema Zielsetzung, dass zudem die Compliance fördert. Die Darreichungsform hat großen Einfluß auf die Pharmakokinetik des Arzneimittels. An die Galenik werden dabei Fragen gestellt, die sie so elegant wie möglich beantworten muß. Um die Wirkdauer eines Pharmakons zu verlängern könnte man den Arzneistoff mehrmals geben, was jedoch zu einer Kumulation führen kann. Auch die Erhöhung der Dosis wäre nicht erfolgreich, da hiermit die Wirkdauer nur verhältnismäßig gering aber die Nebenwirkungen stärker ansteigen.
Gefragt sind deshalb „intelligente“ Arzneiformen, die für den Patienten dennoch einfach und sicher einzunehmen sind. Durch „galenisch Tricks“ läßt sich der Zeitplan des Arzneistoffes bei der Invasion, Verteilung und Ausscheidung für die erwünschte Wirkung optimieren und die Bioverfügbarkeit steigern.
(Applikation und Zeitverlauf der Wirkstoffkonzentration aus Taschenatlas der Pharmakologie einfügen)
Orale Arzneiformen
Einfache Applikation, exakte Dosierbarkeit, problemlose Lagerung – diese und weitere Gründe haben perorale Arzneiformen zu den am häufigsten eingesetzten Medikamenten gemacht. Trotz der simplen Anwendung kann der Anwender Fehler machen, die den Erfolg der Medikation gefährden.
Tabletten
Preßt man gepulverte, feinkristalline oder granulierte Arzneistoffe mit Hilfsstoffen, erhält man Tabletten. Hinsichtlich ihres Verwendungszweckes stehen folgende „Compressi“ zur Verfügung:
Nichtüberzogene, überzogene, magensaftresistente Tabletten sowie Brause- und Lutschtabletten und solche mit modifizierter Wirkstofffreisetzung und zum Kauen.
Die Anwendung ist einfach, die Haltbarkeit gut, die Dosierung genau und die Herstellung preiswert. Doch ob die complinacefördernden (?) Werbeaussagen einiger Hersteller hinsichtlich zu kauender Acetylsalicylsäurezubereitungen pharmakologisch sinnvoll ist, erscheint zumindest diskussionswürdig. Der sinnvolle Hinweis, dieses Analgetikum mit einer ausreichenden Menge Flüssigkeit einzunehmen, wird hier ad absurdum geführt.
Dragees
Wird eine Tablette mit einem Überzug versehen, erhält man Dragees. Der Überzug besteht meist aus Zucker, der zur besseren Unterscheidung und aus psychologischen Gesichtspunkten gefärbt ist. Der Wirkstoff befindet sich im Drageekern, die Hülle ist meist indifferent und dient dem Geschmacksschutz und der Wirkstoffstabilisierung.
Filmtabletten haben die gleichen Eigenschaften hinsichtlich Form und Schutzfunktion, bieten jedoch einige Vorteile gegenüber den klassischen Dragees. Statt des Zuckerüberzuges besteht die Hülle aus magensaftlöslichen Polymerfilmen, die die Resorptionsgeschwindigkeit erhöhen und die Bioverfügbarkeit damit verbessern.
Kapseln
Am gebräuchlichsten sind Hart- und Weichgelatinekapseln. Die Hülle besteht aus verdaulicher und physiologische indifferenter Gelatine, die den Arzneistoff mechanisch stabilisiert und vor Feuchtigkeit und Sauerstoff schützt. Die Arzneimittelsicherheit und die Compliance werden durch unterschiedliche Färbungen der Kapselhälften erhöht. Dieser Aspekt kann aber auch zu Verunsicherung führen, wenn die Kapsel des Patienten eine andere Farbe aufweist. Bei der Abgabe von Generika im Rahmen von „aut simile“ oder Produktumstellungen sollte der (Dauer)Anwender darauf hingewiesen werden.
Das Protein Gelatine wird durch partielle Hydrolyse des in Knochen, Haut, Knorpeln und anderen Bestandteilen enthaltenen Kollagens gewonnen. Da meist Rinderknochen verwendet werden, stellt sich die Frage, ob die Rinderseuche BSE durch die Einnahme dieser Arzneiform übertragen werden kann. Die Rohstoffhersteller geben jedoch Entwarnung. Das alkalische Aufschlußverfahren, die hohen Temperaturen und die anschließende Neutralisation überlebt kein BSE-Erreger.
Ist der Wirkstoff magensaftempfindlich oder kann die Magenschleimhaut angreifen, kann die Gelatinehülle mit einem magensaftresistenten Überzug versehen werden. Eine andere Möglichkeit ist die Modifizierung des Kapselinhaltes. Der Wirkstoff wird beispielsweise erst im neutralen bis schwach alkalischen Milieu des Dünndarms freigesetzt.
Sublinguale und buccale Formen
Die geringe Dicke der Mundschleimhaut und die ausgeprägte Durchblutung bewirken eine rasche Resorption.
Arzneistoffe mit hohem First-pass-Effekt werden, soweit möglich, sublingual verabreicht, um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen. Weiterhin wird die Metabolisierung im Magen-Darm-Trakt umgangen. Ein Beispiel hierfür ist Nitroglycerin, das als Spray oder Zerbeißkapsel zur Verfügung steht. Der in einigen Sprayzubereitungen enthaltene Ethanol erhöht die Bioverfügbarkeit.
Auch einige Calciumantagonisten (Nifedipin, Nitrendipin) werden beim Angina pectoris Anfall oder der hyertensiven Krise fälschlicherweise sublingual verabreicht. Entweder wird die Kapselhülle zerbissen (Adalat) oder die Arzneistofflösung aus einer Amphiole verabreicht (Bayotensin akut).
Der flüssige Inhalt sollte jedoch (mit Kapselhülle) mit etwas Flüssigkeit geschluckt werden. Die Resorptionsgeschwindigkeit und das Ausmaß verläuft im Magen schneller und vollständiger, als aus der Mundschleimhaut.
Bei lokalen Infektionen mit Pilzen oder Bakterien haben sich buccale (Lutsch-)Tabletten bewährt. Das Antidiarrhoikum Loperamid und einige Analgetika (Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Buprenorphin) stehen ebenfalls als Buccaltabletten zur Verfügung.
Sofortlösliche Plättchen werden sowohl buccal als auch sublingual resorbiert. Bei diesen wird die Arzneistofflösung mit Hilfe einer Dosierpumpe direkt in das Blisternäpfchen gebracht und anschließend gefriergetrocknet. Diese Formulierung ist leicht zerbrechlich und von lockerer Struktur. Anstellt einer Durchdrückfolie werden die Blister mit einer Abziehfolie versiegelt. Die Plättchen lösen sich rasch in der Mundhöhle auf und eignen sich besonders für Patienten mit Schluckstörungen. Die Wirkstoffe Loperamid, Lorazepam, Famotidin und Co-dergocrinmesilat stehen in der compliancefreundlichen Form zur Verfügung.
Um eine längere Kontaktzeit auf der Innenseite der Wangenschleimhaut zu ermöglichen, werden bucco-adhäsive Modifikationen getestet. Der Wirkstoff ist in eine Polymermatrix eingebettet und wird kontrolliert abgegeben.
Fentanyl steht als Actiq ® zur Verfügung. Dieses Opiatanalgetikum ist in der buccalen Form gegen den Durchbruchschmerz zugelassen.
Actiq ®
Modifizierung der Arzneistofffreisetzung
Durch Modifizierung der galenischen Zubereitung oder Änderung der Molekülstruktur läßt sich die Freisetzung eines Arzneistoffes verzögern und somit die Wirkung verlängern. Durch chemische Abwandlung gelingt es, die Resorption zu hemmen, die Metabolisierung zu verändern oder die Ausscheidung zu verlangsamen. Das Ziel ist immer das gleiche: Durch eine vergleichsweise seltene Einnahme soll das Arzneimittel patientenfreundlich werden und die Compliance gefördert werden.
Man unterscheidet folgende Retardformen
Single-units: Orale Einzelarzneiformen, die den Magen-Darm-Trakt in unzerfallener Form passieren. Hierzu zählen:
- Gerüsttabletten
- Erosionstabletten
- Magensaftresistente Zubereitungen
- Lipohiles/hydrophiles-Retardprinzip
Bei den Gerüsttabletten wird der Arzneistoff mit hochmolekularen, schlecht löslichen Hilfsstoffen wie beispielsweise Acrylharzlacken gepreßt. Sie stellen eine Art Kunststoffgerüst dar.
Die Erosionstabletten verlieren mit der Verweildauer zunehmend an Größe.
Die Verweildauer ist abhängig von der Magenfüllung (Art und Menge) sowie von der Masse und der Größe der Untereinheiten.
Multiple-units: Zubereitungen, die bereits im Magen in Mikrokapseln zerfallen und sich dort gleichmäßig verteilen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Bildung einer schwer löslichen Form verlangsamt die Aufnahme, eine protahierte Wirkung ist die Folge. Auch Prodrugs als inaktive Ester, Amide und Ether müssen vor der Wirkung erst enzymatisch hydrolisiert werden, was zu einer Wirkverlängerung führt.
Um die Verträglichkeit zu verbessern und die Freisetzung zu verzögern, spielen neuerdings auch Makrokristalle eine Rolle. Nifedipin und Nitrofurantoin stehen in dieser Formulierung zur Verfügung.
Die Gelmatrixkapsel stellt ebenfalls eine galenische Innovation dar. Aus dem Wirkstoffgranulat bildet sich nach dem Zerfall der Kapselhülle im Magensaft ein lipophiles Gel aus. Die Gelmatrix erodiert teilweise in kleinere Tropfen, der Wirkstoff wird kontinuierlich durch Diffusion über 24 Stunden freigesetzt. Der Calciumantagonist Isradipin steht in dieser Formulierung zur Verfügung.
Bei Patienten mit Schluckstörungen oder solchen, die ihre Arzneimittel über eine Sonde erhalten, werden die Medikamente vielfach im Mörser zerkleinert.
Cave: Bei Retardzubereitungen ist dies nicht unproblematisch. Bei stark wirksamen Pharmaka, wie retardierten Morphinzubereitungen als Granulat oder Kapsel, können so unerwünschte Wirkstoffspitzen bis zur Überdosierung auftreten.
Arzneiformen zur pulmonalen Anwendung
Eine effiziente Wirkung von pulmonal applizierten Wirkstoffen ist nur dann ausreichend gewährleistet, wenn der Patient das Inhalationssystem hinreichend beherrscht. Der Erklärungsbedarf und die Anforderung an das Apothekenpersonal sind hoch. Ständig kommen neu Fabrikate auf den Markt, mit denen sich Patient und Apotheke gleichermaßen auseinandersetzen müssen. Mit dem improvisierten Informationsversuch: „Jetzt lesen wir gemeinsam erstmal den Beipackzettel“ wird man bei einigen Systemen sich und den Kunden frustrieren.
Neben der technischen Anwendung der Geräte spielt die richtige Inhalationstechnik eine entscheidende Rolle, damit der Wirkstoff dort ankommt, wo er soll.
Bei kortikoidhaltigen Aerosolen zur Asthmatherapie sollte man den Patienten darauf hinweisen, die Mundhöhle nach jeder Anwendung auszuspülen, um systemische Wirkungen und lokale Mykosen zu verhindern.
Werden Bronchospasmolytika und Kortikoide gemeinsam als Spray verordnet, muß der Patient zuerst das bronchialerweiternde Aerosol und danach das Kortisonpräparat anwenden. Hierdurch wird eine ausreichende pulmonale Deponierung gewährleistet.
Atemtechnik
- Dosieraerosol vor der Anwendung schütteln
- Vor der Anwendung ausatmen
- Langsam, gleichmäßig und tief, nicht hastig, Einatmen und synchron Spraygabe auslösen
- Atempause zwischen 5 und 10 Sekunden, damit der Arzneistoff sedimentieren und diffundieren kann
- Ausatmen. Ein rasches Ausatmen begünstigt die verstärkte Abscheidung und Verwirbelung nicht schwebender Aerosolpartikel
Gerätetypen
Man unterscheidet elektrische Geräte, Pulverinhalatoren, treibgasbetriebene Aerosole und Applikationshilfen.
(Systematik Inhalatoren einfügen)
Elektrische Vernebler erzeugen aus wäßrigen Lösungen Nebelaerosole, die, bedingt durch ihre Teilchengröße, bis in die Lungenkompartimente gelangen können. Als Antriebsquelle dient entweder ein Kompressor oder ein Piezokristall, der durch hochfrequnte Eigenschwingunen Ultraschallwellen erzeugt. Mit diesem Verfahren lassen sich, abhängig von der Frequenz, sehr kleine Aerosolteilchen erzeugen. Individuelle Dosierbarkeit, Eignung für Säuglinge und Kleinkinder und die Verbesserung der Arzneistoffdiffusion sprechen für die Anwendung elektrischer Vernebler. Nachteilig hingegen sind die hohen Anschaffungs- und Wartungskosten, die konsequente Anforderung an den Arzneistoff nach Wasserlöslichkeit und der überwiegend stationäre Einsatz.
Der Anwender muß die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften peinlich genau einhalten, um einen Therapieerfolg sicherzustellen und mögliche Nebenwirkungen (Infektion mit Pilzen und Bakterien) zu vermeiden.
Pulverinhalatoren erzeugen atemzuggesteuert ein Staubaerosol. Der meist mikronisierte Wirkstoff befindet sich in einem Vorratsbehälter, in Aluminiumdoppelscheiben oder Kapseln. Da das Aerosol nur durch den beim Einatmen entstehenden Atemsog erzeugt wird, kommen die Geräte ohne Treibgas auf. Neben dem Umweltaspekt hat dies zudem den Vorteil, dass der durch das Treibgas auftretende Kältereiz, der eine Bronchokonstriktion induzieren kann, entfällt.
Es gibt wiederauffüllbare Gerätetypen und solche, die nach dem Aufbrauchen des Wirkstoffes entsorgt werden.
Ein großer Vorteil bei der Anwendung, gerade im Akutfall, ist, dass die Einatemphase und das Auslösen des Aerosolstoßes nicht manuell synchronisiert werden müssen. Der Wirkstoff wird durch das Saugen am Mundstück währen der Inspiration ausgelöst.
Nachteilig ist, das sich bei Säuglinge und ältere Patienten mit ausgeprägter Einschränkung der Lungenfunktion durch zu geringe Atemstromstärken die Aerosolqualität leidet.
Treibgasbetriebene Dosieraerosole beinhalten den mirkonisierten Wirkstoff suspendiert in einen Treibgas (vollhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe). Vor der Anwendung muß das Gerät unbedingt geschüttelt werden, um eine gleichmäßige Wirkstoffverteilung zu gewährleisten. Der Sprühkopf muß bei der Anwendung nach unten zeigen. Der Therapieerfolg wird nicht selten durch Koordinationsprobleme (Einatmen und Sprühen) gefährdet.
Einen wesentlichen Vorteil haben hier ateminduzierte Dosieraerosole, bei denen der Sprühstoß durch den bei der Einatmung entstehenden Unterdruck ausgelöst wird.
Offene und geschlossene Applikationshilfen wie Expander, Syncroner, oder Spacer erleichtern die Anwendung erheblich, steigern die Wirksamkeit und reduzieren die unerwünschten Wirkungen. Von Nachteil ist die bauartbedingte gewisse Größe der Geräte.
Es stehen placebohaltige Aerosole zur Verfügung, mit denen der Patient die Anwendung üben kann.
Nasale Arzneiformen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nasentropfen, -sprays und –aerosole werden als Lösung oder Aerosol In die Nasenhöhle eingesprüht.
Die Dosierungsgenauigkeit wird bei Tropfen durch deren Größe und bei Sprays durch die Dauer des Sprühstoßes beeinflußt. Die größte Genauigkeit bieten Dosieraerosole. Eine optimale Wirksamkeit bieten Teilchengrößen von 5 bis 15 µm. Sind die Teilchen kleiner als 2 µm, können sie in die Lungen gelangen und, unerwünschter Weise, dort resorbiert werden.
Vasokonstriktoren, Antiallergika und Glukokortikoide werden nasal appliziert und wirken topisch an der Nasenschleimhaut.
Nasale Arzneiformen können auch zur systemischen Medikamentengabe eingesetzt werden. Geeignete Arzneistoffe müssen eine hohe Wirkpotenz aufweisen. Besonders Peptide mit einer verhältnismäßigen geringen Anzahl von Aminosäuren lassen sich, beispielsweise im Rahmen einer Substitutionstherapie, nasal verabreichen.
Die Hoffnungen, die man in die Studien über die nasale Insulinapplikation gesetzt hat, haben sich leider nicht erfüllt. Zu gering ist die Bioverfügbarkeit und zu groß die Schwankungen der Plasmaspiegel.
Ophtalmica
Das Auge gilt als das empfindlichste Sinnesorgan. An die Arzneiformen, die an der Bindehaut, der Hornhaut oder am Lidrand angewendet werden, stellt das Arzneibuch besonders hohe Anforderungen.
Die Tränenflüssigkeit verfügt über ein physiologisches Puffersystem vom pH-Wert 7,4. Haben Augentropfen einen pH-Wert zwischen 4,5 bis 10,5 korrigiert das körpereigene System. Werte zwischen pH 7 bis 9 werden vom Auge schmerzfrei toleriert. Weiterhin verfügt die Tränenflüssigkeit über antibakterielle Eigenschaften. Lysozyme, IgA und Ferrine wirken bakterizid und wehren so geringe Mengen von Keimen ab. Trotzdem muß eine zusätzliche Belastung durch arzneiformbedingte Keime ausgeschlossen werden. Von Tage der ersten Öffnung des Verschlusses legt das DAB 10 eine Haltbarkeit von 4 Wochen fest.
Eine strenge Nutzen-Risiko-Abschätzung sollte bei der Daueranwendung von mit Quecksilber- oder Silbersalzen konservierten Augentropfen vorgenommen werden. Diese können sich u. U. in der Hornhaut anreichern.
Folgende Arzneiformen werden am Auge angewendet:
- Augeninserte
- Augensalben
- Augensprays
- Augentropfen
- Augenwässer
- Intraoculare Injektionslösungen
- Kontaktlinsenflüssigkeiten
- Lamellen
- Langsam freisetzende Membranen
- Papierstreifen mit Diagnostika
Bei einigen Augentropfen erfolgt die Zubereitung der gebrauchsfertigen Lösung vor der Anwendung. Die Apotheke sollte den nicht selten sehschwachen Patienten in diesen Fällen anbieten, die Lösung zuzubereiten. Das Zubereitungsdatum muß auf der Augentropfflasche vermerkt werden.
Eine Sonderstellung nimmt ein 2-Kammersystem mit den Wirkstoffen Timolol und Pilocarpin Timpilo®, Timpilo ® forte) ein.
Dieses darf nur in der Apotheke oder der Arztpraxis, nicht vom Patienten selbst (!) zubereitet werden. Bei falscher Handhabung besteht die Möglichkeit, dass ausschließlich das Verdünnungsmittel aus der Flasche herausgedrückt wird.
Bei der Abgabe von Augentropfen sollte dem Patienten die richtige Anwendung erläutert werden:
- Vor der Anwendung Hände waschen.
- Unterlid unterhalb der Wimpern nach vorn zu einem kleinen Sack ziehen.
- Ein Tropfen in diesen Sack tropfen, diesen einige Sekunden nach vorn halten.
- Dabei darf die Tropföffnung der Flasche das Auge nicht berühren.
- Unterlid nach oben ziehen, während der Anwender nach oben sieht.
- Augen für zwei Minuten schließen und die Augäpfel kreisförmig bewegen.
- Damit die Arzneistofflösung nicht über den Tränenkanal abfließen kann, wird mit dem Zeigefinger ein leichter Druck auf den inneren Augenwinkel ausgeübt.
Durch diese Handhabung erzielt man eine kontaminationsarme Anwendung und eine längere Kontaktzeit des Arzneistoffes.
Mydriatika führen durch ihre pupillenerweiternde Wirkung und Augensalben sowie ölige Augentropfen durch ihre viskose Konsistenz zu Sehbehinderungen. Bei der Abgabe ist es sinnvoll, den Patienten darauf hinzuweisen (cave: Autofahrer).
Augenspülungen aus Drogenzubereitungen (Kamille, Augentrost u.a.) sind obsolet. Der unsterile Aufguß enthält einen hohen Anteil an Schwebstoffen, der im Augen zu Reizungen führen kann.
Injektionen/Infusionen
Alle parenteral zu applizierende Injektionen und Infusionen müssen steril, pyrogen- und schwebstoffrei, isotonisch sowie isohydrisch sein.
Da die pharmakokinetische Phase der Resorption entfällt, tritt die Wirkung fast unmittelbar nach Applikation ein, die Bioverfügbarkeit beträgt bei der intravenösen Gabe 100%.
Neu bei den parenteralen Arzneiformen sind biodegradierbare Polymerverbindungen. Diese gewebeverträglichen Polymere stellen Depotimplantate oder Mikropartikelsuspensionen dar, bei denen der Arzneistoff in eine poröse Kunststoffmatrix eingebettet ist. Er wird durch Diffusion oder hydrolytischen Abbau langsam freigesetzt. Antibiotika oder Zytostatika können auf diesem Wege in die Muskulatur injiziert werden, die als Speicher den Arzneistoff über eine längere Zeit an den Organismus abgibt. Eine Alternative bei schlechten Venenverhältnissen ist die intraossäre Applikation.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Transdermale Therapeutische Systeme (TTS)
Die Euphorie, die diese Arzneiform noch vor gar nicht langer Zeit ausgelöst hat, ist durch ernüchternde Realität abgelöst worden. So anwenderfreundlich „nicht 3 x täglich schlucken, sondern 1 x täglich kleben“ auch klingt, sind nur wenige Arzneistoffe als TTS verfügbar. Nur wenige Stoffe erfüllen die Anforderungen, um überhaupt die Haut penetrieren zu können:
- Molekulargewicht < 500
- Schmelzpunkt < 200°C
- Dosis < 10 mg/Tag
- Hautverträglich
- Keine Molekülladung
Ohne Zweifel haben TTS zahlreiche Vorteile.
- Geringere Einnahmefrequenz ® bessere Compliance
- Geringerer First-pass-Effekt
- Weniger Nebenwirkungen
- Wirkungsdauer über die Zeit der Magen-Darm-Passage hinaus
Rectale Arzneiformen
Suppositorien
Bereits in der Antike wurden weiche Holzstäbchen mit Arzneistoffen getränkt und rectal eingeführt. Vor etwa 100 Jahren bekamen sie die heutige Form und wurden aus der galenisch problematischen Kakaobutter gefertigt.
Zäpfchen werden entweder angewendet, weil sie topisch wirken sollen (Hämmorrhidal-Zubereitungen), der Wirkstoff die Magenschleimhaut reizen kann oder der Patient nicht in der Lage ist, orale Arzneiformen zu sich zu nehmen (Säuglinge, Kleinkinder und Patienten mit Übelkeit und Erbrechen.
Klistiere
Klistiere enthalten kleine Mengen eines gelösten oder suspendierten Arzneistoffes in einer Kunststofftube.
Bei der Anwendung werden häufig Fehler gemacht, die die Wirkung in Frage stellen.
- Mikro)Klistier vor der Anwendung schütteln
- Kappe entfernen
- Schaft zur Erhöhung der Gleitfähigkeit einfetten (Vaseline o. Ä.)
- Patient liegt auf der Seite
- Schaft einführen
- Tube zusammendrücken und gedrückt halten!
- Klistier entfernen
- Pobacken zusammenpressen
So simpel die Anwendung auch scheint, kann ein kleiner aber entscheidender Fehler zum Therapieversagen führen. Wenn der Anwender nach dem Zusammendrücken der Tube und beim
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Rausziehen diese nicht gedrückt hält, wird durch den entstehenden Unterdruck die Arzneistofflösung wieder in die Tube zurückgesogen und entzieht sich der Wirkung.
Wird es aus dosierungstechnicher Sicht notwendig, Suppositorien zu halbieren, so macht man dies am besten mit einem warmen Spatel oder Messer. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die Arzneiform vertikal und nicht horizontal geteilt wird. Herstellungsbedingt sinken Arzneistoffe mit hoher Masse in die Suppositorienspitze. Würde man horizontal teilen, erhält der Patient entweder deutlich zuviel oder zuwenig Wirkstoff.
Umgang mit Medikamenten im Rettungsdienst
Medikamente sind eine besondere Ware. Die gilt für die Beschaffung, Lagerung, Dokumentation und Anwendung. Bedauerlicherweise rutscht der Rettungsdienst vielfach als „Exot“ durch die Maschen der Gesetzgebung. Dies galt lange Zeit für die Bevorratung mit Arzneimitteln und die Lagerung von Betäubungsmitteln. Es gilt immer noch für die „ Notkompetenz des Rettungsassistenten “, die in dieser Formulierung in keinem Gesetz oder einer Verordnung auftaucht. Mediziner und Juristen stellen gern dieselbe Frage „wo steht das?“. Diese Frage, oder vielmehr die Antwort darauf, ist immer dann zielführend, wenn überzeugende Problemlösungen gefunden werden müssen. Wie und für welche Indikation darf ein Medikament verwendet werden? Darf „Nitrospray“ zur Blutdrucksenkung gegeben werden, darf es auf die Vene gesprüht werden? Eine Antwort aus dem „Bauch“ bringt nicht weiter. Wo findet man also rasch die Antworten auf diese und ähnliche Fragen? In der Fachinformation des Arzneimittelherstellers. Dies ist ein besonders umfangreicher Beipackzettel für das medizinische FACHpersonal. Auch nur dieses darf Einsicht in diese Informationsquelle haben. Die einfachste Möglichkeit, an die Fachinformation zu gelangen ist über die Homepage: www.fachinfo.de. Diese Plattform ist aus rechtlichen Gründen nach dem Heilmittelwerbegesetz passwortgeschützt. Das Passwort kann kostenfrei unter www.doccheck.com/de nach Legitimation angefordert werden. Die Fachinformationen können dann kostenfrei gedruckt oder gespeichert werden. Eine andere Möglichkeit an die Fachinformationen zu gelangen ist eine Anforderungskarte in der ROTEN LISTE ® oder die entsprechende Datensammlung auf CD-ROM.
In der Fachinformation von Nitrolingual ® ist weder die Indikation „Hypertonie“ oder „Hypertensive Krise/Notfall“ noch das „Aufsprühen auf die Venen bei schlechter Darstellung“ angegeben. Letzteres wäre auch medizinisch und pharmakologisch nicht sinnvoll. Wird ein Arzneimittel außerhalb seiner Indikation angewendet, spricht man von „off-label-use“. Dazu wird beispielsweise auch gerechnet:
- Die Gabe von Fenoterol als Dosieraerosol zur Wehenhemmung
- Die Verneblung von Adrenalin beim Asthmaanfall (wegen des Sulfidanteils sogar kontraindiziert)
- Die Gabe jeglicher intravenöser Arzneiformen (Ampullenlösung) über die Nasenschleimhäute. Auch wenn speziell dafür zugelassene Applikatoren (MAD ®-System o.ä.) verwendet werden. Der Bong zur Inhalation von Cannabisprodukten ist ja auch legal, die Räucherware jedoch nicht…
- Die Gabe von unverdünnter 40%iger Glucoselösung
Der Hersteller (Fa. Braun) einer Glucose 40 % Lösung untersagt strikt die Gabe einer unverdünnten Lösung. „Nur verdünnt als Zusatz zu Infusionslösungen“ steht eindeutig und ohne Interpretationsmöglichkeit in der wissenschaftlichen Information. Weicht der Anwender von der in der Fachinformation genannten Indikation oder der Art der Anwendung ab, wendet er das Arzneimittel nach dem sog. „off-label-use“ an. Dies ist eine Anwendung außerhalb der vorgesehenen Indikation.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Off-Label-Use
Bei Kindern ist diese Art der Anwendung absolut üblich, weil viele Arzneimittel für diese Altersgruppe nicht speziell geprüft sind. Auch die Applikation einer Injektionslösung über die Nasenschleimhaut ist ein Off-Label-Use. Die Anwendung von Arzneimitteln außerhalb des zugelassenen Indikationsbereichs ist bei einigen Indikationsgebieten und Patientengruppen integraler Bestandteil der Therapie. Dennoch gibt es keine eindeutigen Regelungen für Off-Label-Verordnungen.
Die Haftung bei einer Anwendung außerhalb der Indikation ist nicht eindeutig geklärt.
Off-Label-Use kann grundsätzlich als bestimmungswidriger Arzneimittelgebrauch angesehen werden, weshalb keine Haftung des pharmazeutischen Unternehmers nach § 84 Abs.1 AMG eintreten muss.
Nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AMG haftet das Pharmaunternehmen jedoch, wenn es beim "bestimmungsmäßigen Gebrauch" zu einem Schaden kommt. Der "bestimmungsmäßige Gebrauch" ist aber nicht allein auf den Einsatz im Sinne der Zulassung beschränkt. Aus § 25 Abs. 10
SGB V leitet sich eine Marktbeobachtungspflicht auch nach der Zulassung ab. Wenn somit das Unternehmen die regelmäßige Anwendung außerhalb der Zulassung hätte wissen können, dann haftet das Pharmaunternehmen ebenfalls.
In einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R) wurden die Kriterien für eine Erstattung von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikation (Off-Label-Use) durch die gesetzlichen Krankenversicherungen festgelegt: Es muss sich um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung handeln, für die keine andere Therapie verfügbar ist und auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht.
Beim Einsatz eines Arzneimittels außerhalb seiner zugelassenen Indikation ist "insbesondere auch die fachliche Einschätzung der Wirksamkeit im konkreten Einzelfall durch die Ärzte des Erkrankten bedeutsam". Mit dieser Begründung und unter Verweis auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Sozialgericht Frankfurt Therapieansprüche zuerkannt. (Urteil des SG Frankfurt: Az.: S21KR444/06/ER)
Bedeutsam für das Rettungsteam kann sein, dass zwar ein ARZT im begründeten Einzelfall ein Arzneimittel „off-label“ anwenden kann, ob dies auch für einen Rettungsassistenten gilt, ist fraglich.
Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Beschluss vom 06. Dezember 2006 (Az. 1 BvR 347/98), welche sich mit der Kostenerstattung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für eine bisher nicht anerkannte Behandlungsmethode beschäftigt, könnte auch Auswirkungen auf den so genannten Off-Label-Use von Arzneimitteln in der GKV haben. Ein Off-Label-Use kommt daher nur dann in Betracht, wenn es sich um die Behandlung einer lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Behandlung handelt und keine andere Therapie verfügbar ist und, wenn aufgrund von Datenlagen die begründete
Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.
Letzteres wird dabei nur dann angenommen wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann.
Der Leiter Rettungsdienst und/oder der Rettungswachenleiter sollten gemeinsam mit dem ÄLRD das Problem „off-label-use“ diskutieren und eine gesetzlich konforme und praxisgerechte Lösung finden.
Über einen langen Zeitraum mussten sich die die Rettungsdienstorganisationen ihre Arzneimittel von Krankenhausambulanzen besorgen. Meist auch dann, wenn Trägeridentität (Klinik und Rettungsdienst) bestand oder das Notarztsystem an der dortigen Klinik stationiert war. War ein zentrale Beschaffungsstelle oder eine öffentliche Apotheke der Lieferant, blieb eine pharmazeutische Betreuung, Beratung oder gar Kontrolle meist aus. Seit den 70er Jahren werden Rettungswachen durch die Krankenhausapotheken versorgt.
1987 wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft "Arzneimittelversorgung der Organisationen des Rettungs- und Sanitätsdienstes" gegründet, die klare Vorstellungen und Ziele hatte und den Rettungsdienst als Partner und nicht als Exot ansah. Dennoch werden auch noch heute Viele Rettungsdiensteinrichtungen mit Arzneimitteln beliefert, ohne dass die Rettungsdienst-Mitarbeiter eine pharmazeutische Beratung oder Arzneimittelinformationen erhalten.
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