In dem Mitte Februar 2001 veröffentlichten und von 60 amerikanischen Intellektuellen unterzeichneten Manifest „What we´re fighting for” wurden der Öffentlichkeit seinerzeit die Beweggründe Amerikas für den Krieg in Afghanistan dargelegt .
Mit dem Dokument war versucht worden, für diesen Krieg eine „Rechtfertigung“ zu schaffen:
„Es gibt Zeiten (...), in denen es nicht nur moralisch gerechtfertigt, sondern sogar geboten ist, den Krieg zu erwägen - als Antwort auf katastrophale Gewaltakte, Hass und Ungerechtigkeit. Derzeit erleben wir einen solchen Moment. Der Gedanke des »gerechten Krieges« hat eine breite Grundlage; seine Wurzeln finden sich in vielen Religionen (...)” .
Die vorliegende Arbeit möchte kurz nachzeichnen, wie sich die in dem Manifest zitierte moraltheologische Ausprägung der ´bellum iustum` - Lehre in der katholischen Kirche bis in das 20. Jahrhundert wandeln konnte und dabei deren wichtigste Fragestellungen aufzeigen.
Zunächst soll aber gefragt werden, welchen Maßstab Jesus in der Bergpredigt jedem Einzelnen für sittliches Handeln im Bezug auf die „Gewaltfrage“ an die Hand gegeben hat; die exegetische Betrachtung dieser Schriftstellen soll darüber Klarheit verschaffen . Doch wie sind die genannten Forderungen heute zu verstehen? Diese Frage stellt sich aufgrund der besonderen Brisanz von immer verheerenderen Kriegen in unserem technologischen Zeitalter; der letzte Abschnitt zeigt, wie die Kirche dazu Stellung genommen hat und inwiefern die klassischen Kriterien heute noch „haltbar“ sind .
Inhaltsverzeichnis
1 Die Legitimation kriegerischer Gewalt im Gedanken des „gerechten Krieges“
2 Gewaltlosigkeit und Feindesliebe – Konsequenzen aus der sittlichen Verkündigung Jesu?
2.1 Eine Interpretation der Bergpredigt im Hinblick auf das Verständnis von Gewaltanwendung und das „richtige“ Verhalten zum Feind
2.1.1 Die Antithese von der Gewaltlosigkeit Mt 5,38-42
2.1.2 Die Antithese von der Feindesliebe Mt 5,43-48
2.2 Ethische „Konsequenzen“ aus den Geboten der Bergpredigt
3 Die Kriterien für einen „gerechten Krieg“ in der klassischen Lehre vom bellum iustum bei Augustinus und Thomas von Aquin
3.1 Die Lehre bei Augustinus
3.2 Die Lehre bei Thomas von Aquin
4 Die Trennung von Recht und Moral am Beginn der Neuzeit
4.1 Die Lehre in der spanischen Scholastik
4.2 Die Lehre in der Reformation
5 Die Herausforderungen des 20. Jahrhunderts und wesentliche Neubestimmung der kirchlichen Friedenslehre
5.1 Die Enzyklika Pacem in terris Papst Johannes´ XXIII.
5.2 Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanums
5.3 Konkretionen der Lehre in unserer Zeit am Beispiel der Forderungen des ius in bello und nach übergeordneter Autorität
5.3.1 Die internationalen Kriegsrechtskonventionen
5.3.2 Die Aufgaben der Vereinten Nationen
6 Fazit
Literatur
Anhang
1 Die Legitimation kriegerischer Gewalt im Gedanken des „gerechten Krieges“
In dem Mitte Februar letzten Jahres veröffentlichten und von 60 amerikanischen Intellektuellen unterzeichneten Manifest „What we´re fighting for” wurden der Öffentlichkeit die Beweggründe Amerikas für den Krieg in Afghanistan dargelegt[1].
Als Ziele dieses Krieges werden dort unter Anderem die Sicherung, Verteidigung und Wiederherstellung durch die Terrorakte des 11. September 2001 angegriffener fundamentaler Werte, mit denen sich ein Großteil der Menschen in Amerika identifiziere, angegeben.
Mit „What we`re fighting for“ wird versucht, für diesen Krieg eine „Rechtfertigung“ zu schaffen:
„Es gibt Zeiten (...), in denen es nicht nur moralisch gerechtfertigt, sondern sogar geboten ist, den Krieg zu erwägen - als Antwort auf katastrophale Gewaltakte, Hass und Ungerechtigkeit. Derzeit erleben wir einen solchen Moment. Der Gedanke des »gerechten Krieges« hat eine breite Grundlage; seine Wurzeln finden sich in vielen Religionen (...)”[2].
Die Verfasser dieses Manifests bedienen sich hier, ausgehend von dem amerikanischen Selbstverständnis, berechtigterweise Krieg zu führen, einer vorhandenen Tradition zur Legitimation kriegerischer Gewalt.
Auch für den jüngsten Krieg gegen den Irak griff die amerikanische Regierung für ihre Legitimation vor der Weltöffentlichkeit auf Elemente dieser Lehre zurück; Gründe wie Beseitigung schweren Unrechts gegen die Bürger seitens eines Tyrannen und Gefährdung der Menschheit durch ABC-Waffen in der Hand eines unberechenbaren Aggressors wurden für den Krieg gegen Saddam Hussein ins Feld geführt, der aber letzten Endes unter Umgehung des Weltsicherheitsrates als übergeordneter Autorität und ohne letzte Sicherheit über das Ausmaß der bestehenden Bedrohung begonnen wurde. Abgesehen davon, dass dieser Krieg zu betreffendem Zeitpunkt ganz objektiv nicht als ultima ratio[3] in Frage gekommen wäre – die Arbeit der UNO-Waffeninspekteure[4] konnte zu diesem Zeitpunkt noch kein endgültiges, eindeutiges Ergebnis liefern -, muss sich die amerikanische Regierung zusammen mit den befürwortenden Nationen den Vorwurf gefallen lassen, einen ungerechten Krieg geführt zu haben; dieser Vorwurf wird im Nachhinein durch die Tatsache der Verschleierung der wahren Kriegsgründe nur noch verstärkt.
Die vorliegende Arbeit möchte kurz nachzeichnen, wie sich die moraltheologische Ausprägung der bellum iustum -Lehre[5] in der katholischen Kirche bis in das 20. Jahrhundert wandeln konnte und dabei deren wichtigste Fragestellungen aufzeigen.
Zunächst soll aber gefragt werden, welchen Maßstab Jesus in der Bergpredigt jedem Einzelnen für sittliches Handeln im Bezug auf die „Gewaltfrage“ an die Hand gegeben hat; die exegetische Betrachtung dieser Schriftstellen soll darüber Klarheit verschaffen[6]. Doch wie sind die genannten Forderungen heute zu verstehen? Diese Frage stellt sich aufgrund der besonderen Brisanz von immer verheerenderen Kriegen in unserem technologischen Zeitalter; der letzte Abschnitt zeigt, wie die Kirche dazu Stellung genommen hat und inwiefern die klassischen Kriterien heute noch „haltbar“ sind[7].
2 Gewaltlosigkeit und Feindesliebe – Konsequenzen aus der sittlichen Verkündigung Jesu?
2.1 Eine Interpretation der Bergpredigt im Hinblick auf das Verständnis von
Gewaltanwendung und das „richtige“ Verhalten zum Feind
Nachdem bereits in den einleitenden Seligpreisungen „die Frieden schaffenden“[8] aufgeführt sind, wird der Block der Antithesen bei Matthäus durch die selbständigen Perikopen Von der Gewaltlosigkeit[9] und Von der Feindesliebe[10] abgeschlossen. Die Beziehung zwischen diesen beiden Forderungen Jesu wird aber in der Logienquelle Q, der Lukas hier näher steht, deutlicher herausgestellt: dort[11] bildet das Gebot der Feindesliebe mit dem des Gewaltverzichts eine inhaltliche Einheit.
In der matthäischen Version, wo die antithetische Form dieser Logien gegenüber Lk und Q redaktionell bedingt ist, werden Gewaltverzicht und Feindesliebe durch die Einordnung in das Ganze der Antithesen einander zugeordnet: Mt stellt am Schluss der Antithesen die Taten der Liebe unter „negativem“ (=Verzicht auf Gegengewalt und Widerstand) und „positivem“ Aspekt (=Feindesliebe) einander gegenüber[12].
Die Goldene Regel, „Alles nun, was ihr wollt, daß die Menschen Euch tun, so tut auch ihr ihnen“[13], schließt bei Mt den mit den Antithesen begonnenen Hauptteil der Bergpredigt ab. Mit dem Nachsatz, „denn dies ist das Gesetz und die Propheten“[14] weist der Evangelist zurück auf die Grundsatzerklärung Mt 5,17 und wirft damit ein Licht auf das in den Antithesen zum Ausdruck kommende Gesetzesverständnis Jesu[15] ; während also Mt mit seiner Anordnung der Goldenen Regel eine inhaltliche Klammer bildet, steht diese in der ursprünglicheren lukanischen Fassung im Abschnitt mit Jesu Gebot der Feindesliebe[16].
Indem man Mt 5,38-42 und Mt 5,43-48 auch als sekundäre Antithesen bezeichnet, wird deutlich gemacht, dass der Evangelist ursprünglich selbständiges Spruchgut übernommen und es in die antithetische Form, die seiner Aussageabsicht entgegen kommt, gebracht hat.
In den Antithesen kommt die Grundstruktur jesuanischer Gesetzeskritik deutlich zum Ausdruck, indem Aussagen der alttestamentlich-jüdischen Gesetzesüberlieferung („Ihr habt gehört, dass gesagt wurde…“) der Position Jesu jeweils gegenübergestellt werden („Ich aber sage Euch…“); einem klar umschriebenen Tatbestand wird jeweils ein Verhalten entgegen gestellt, das die Gesinnung des Menschen einbezieht, was eine Radikalisierung und Intensivierung gegenüber der Tora bedeutet[17].
2.1.1 Die Antithese von der Gewaltlosigkeit Mt 5,38-42
Das in Vers 38 angesprochene Talionsprinzip des „Auge um Auge und Zahn um Zahn“ ist ein grundlegender, zwar alttestamentlicher, aber nicht nur im Judentum geltender Rechts- und Verhaltensgrundsatz[18] ; mit dem antithetischen Zusatz in V. 39a fasst Matthäus die folgenden beispielhaften Forderungen zusammen: „Leistet dem Bösen keinen Widerstand!“
Nach Luz ist die Ohrfeige als Ausdruck des Hasses und der Beleidigung zu interpretieren; was „zählt“, ist nicht der Schmerz[19] ! Die Präzisierung gegenüber Lukas, nämlich der Schlag auf die rechte Backe, könnte eine besonders starke Beleidigung meinen; es geht hier offenbar um keine besondere Situation, sondern um jede im Alltag mögliche tätliche Auseinandersetzung[20].
Die in V. 40 geforderte Reaktion stellt im Vergleich zum alttestamentlichen Pfändungsrecht eine Zuspitzung dar; der Arme in einem Pfändungsprozess soll noch seinen wertvolleren Mantel dazugeben. Das Logion meine, so Luz, man solle sich überhaupt nicht in Prozesse verwickeln lassen und sogar als Schuldner freiwillig auf das Minimum des Armenrechts verzichten[21].
In Hinblick auf V. 41 muss der sozialgeschichtliche Hintergrund erwähnt werden; hier ist eine zwangsweise geforderte Leistung gemeint. Angareia[22] bedeutet „von der Armee oder von Beamten zwangsweise geforderte Leistungen, Transportmittel und Weggeleit, aber auch Verproviantierung und schließlich jede Art und auch durch andere geforderte Zwangsarbeit.“[23] Hier könnte sich der Evangelist gegen die römische Besatzungsmacht richten; ganz allgemein ist wohl an Weggeleit in unsicheren Gegenden oder zum Lastentransport zu denken[24].
Die Mahnung zum Geben und Ausleihen in V. 42 schließlich ist allgemeiner und ohne die charakteristische Überspanntheit der Verse 39b-41. Hier ist an die Tradition jüdischer Mahnungen zur Wohltätigkeit zu denken; zudem besteht ein lockerer Zusammenhang mit V. 40, allerdings sind nun die Besitzenden angesprochen[25]. Außerdem ist von Gewalt hier nicht mehr die Rede; es handelt sich um eine Forderung nach Verzicht auf eigenes Recht ohne die Radikalität der ersten drei Beispiele[26].
2.1.2 Die Antithese von der Feindesliebe Mt 5,43-48
Wie in der vorangehenden Antithese wird der erste Spruchteil als grundsätzlicher Titel wieder anhand mehrerer Beispiele exemplifiziert.
V. 43b, „und deinen Feind hassen“, steht nicht im Alten Testament; nach Luz will Matthäus mit diesem „exegetischen Zusatz“ nicht eine bestimmte Gruppe, die Feindeshass vertritt, sondern ganz allgemein eine eingeschränkte Interpretation des Liebesgebotes im Sinne jüdischen Partikularismus treffen[27]. Die Bezeichnung „Feind“ schließt wohl die Heiden, und vor allem die Feinde der Gemeinde ein: „und bittet für eure Verfolger“. Luz gibt zu bedenken: „Nationale Feinde in einem Krieg stehen kaum im Vordergrund, obwohl das grundsätzliche Verständnis von [!] Feind im Jesuswort und vermutlich auch die Erfahrungen der Gemeinde im jüdischen Krieg eine solche Deutung keinesfalls ausschließen.“[28]
V. 45 verweist auf die Güte Gottes gegen Gerechte wie Ungerechte;
der „Rekurs auf die Schöpfungsordnung durchstößt die vom Menschen errichtete Welt der Unterschiede, Ungleichheiten und Gegensätze und zeigt jenen Bereich auf, wo sich alle in gleicher Weise als an Gott ausgeliefert und auf seine Fürsorge angewiesen erfahren.“[29]
Dieser Rekurs als Begründung des Gebots der Feindesliebe wird so zum Gegenmodell für menschliches Regelverhalten[30].
V. 46f. zeigt, dass Feindesliebe die Liebe zu Freunden nicht ausschließt; sondern meint: Eure Liebe soll so weit reichen, dass sie auch die Feinde umfasst! Matthäus stellt Zöllner und Heiden als „Negativbeispiel“ gegenüber, was allerdings zeigt, dass die Gemeinde des Matthäus nach wie vor im Horizont des jüdischen Denkens lebt[31]. Diese Abgrenzung gegenüber „den anderen“ weist auch schon auf die altkirchliche Interpretation in der Apologetik hin, wo die Feindesliebe als proprium christianum erscheint[32].
In V. 48 hebt Mt gegenüber Lk 6,36, der noch „barmherzig“ verwendet, die grundsätzliche Bedeutung der Feindesliebe hervor; sie ist nicht eine Forderung neben anderen, sondern Mitte und Spitze aller Gebote, die zur Vollkommenheit führt[33]. Der jüdische Grundsatz der „Imitatio dei“ kommt hier[34] zum Tragen: „Seid ihr nun vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“
2.2 Ethische „Konsequenzen“ aus den Geboten der Bergpredigt
In der Form, wie die Worte von der Gewaltlosigkeit formuliert sind, erscheinen diese zunächst wenig plausibel, da eine Motivierung des Gewaltverzichts fehlt. Sie sind vielmehr als bewusste Provokation zu betrachten; die Logien wollen verfremden, schockieren und protestieren „gegen jegliche Art der den Menschen entmenschlichenden Spirale der Gewalt“[35]. Sie sind Ausdruck der Hoffnung auf ein anderes Verhalten des Menschen, als es im Alltag erfahren werden kann; die Perspektive dieser Imperative gilt jedoch nicht nur dort, sondern überall, wo ein Freund-Feind-Denken die Beziehungen zwischen Menschen, gesellschaftlichen Gruppen oder Völkern bestimmt[36]. Es wäre jedoch eine Fehlinterpretation, die Sprüche „privatisierend“ auszulegen, ohne die jeweils zugrunde liegenden konkreten sozialen bzw. psychologischen Bedingungen und gesellschaftlichen bzw. politischen Konsequenzen von Feindschaftsverhältnissen ins ethische Kalkül zu ziehen[37] ; des weiteren können die Weisungen Jesu nicht als Aufforderung zum Verzicht auf Widerstand, zu passiver Hinnahme ungerechter Verhältnisse oder gar zum Rückzug aus jeglicher gesellschaftlicher Verantwortung interpretiert werden[38] !
Wie schon die Form der Sprüche zeigt, wird ganz im Gegenteil nicht die bloße Hinnahme erfahrener Gewalt gefordert, sondern ein aktives Verhalten[39].
Eine Neubewertung der Forderungen Jesu ist sicher nötig: diese sind nicht gesetzlich, sondern exemplarisch gemeint und lassen a priori Raum für „Kreativität“. Die mit dem Text gegebene Freiheit bedeutet somit, dass er nicht wortwörtlich befolgt werden möchte; Liebe hat durchaus die Freiheit, auch ihre Folgen zu bedenken[40].
Je nach Situation kann es also nach der Bergpredigt geboten sein, entweder auf Widerstand zu verzichten, oder aber gerade gegen den Wortlaut von Mt 5,39a Widerstand zu leisten, z.B. wenn Schaden von Dritten abzuwehren oder Übeltätern die Grenze ihres Verhaltens aufzuzeigen ist[41].
Die Antithese, die der Gemeinde, in der der Einzelne lebt, gilt, zeigt, dass Gewalterfahrung für die Christen dieser Zeit in der Verfolgung etwas Reales, und Verzicht auf Widerstand ein konkreter Auftrag ist: „Gewaltlosigkeit und Rechtsverzicht bestimmen [.] das Verhalten der Gemeinde gegenüber der Welt, als ein Stück gelebter Jüngerschaft“[42].
Jesus, der nicht als Sitten- und Gesetzeslehrer, sondern als Prophet und Charismatiker auftrat, lebte in seiner Passion die Gewaltlosigkeit vor, die freilich nicht im Sinne einer „Moral der Unterlegenen“[43] oder eines „Ethos der Passivität“[44] fehlinterpretiert werden darf.
Kriege waren in der frühen Kirche ein Merkmal jener Welt, von der sich die Christen geschieden wussten und die sie auch nicht zu verantworten hatten[45].
Seit Kaiser Konstantin gibt es jedoch die Möglichkeit direkter christlicher Mitgestaltung der Politik als Aufgabe der Liebe; erst seit dieser Zeit gibt es die Spannung zwischen dem christlichen Auftrag, das Evangelium zu verkünden und zu leben, und dem nicht weniger christlichen Auftrag, den weltlichen Bereich der Politik zum Besten der Menschen mitzugestalten[46]. Die Problematik dieser „abschwächenden“ Interpretationslinie der Bergpredigt wurde faktisch seit Augustinus in der Lehre vom gerechten Krieg aufgenommen und verarbeitet; sie ist zudem bis heute aktuell: mit der Möglichkeit einer verantwortungsvollen Partizipation an weltlicher Gewalt stehen wir bis heute vor diesem Dilemma, „im Unterschied zu Jesus oder Matthäus, die nicht davor standen.“[47]
In diesem Sinne bezeichnet Anselm Hertz die Lehre vom bellum iustum auch als ethischen Kompromiss[48].
3 Die Kriterien für einen „gerechten Krieg“ in der klassischen Lehre vom bellum iustum bei
Augustinus und Thomas von Aquin
3.1 Die Lehre bei Augustinus
Der „Sitz im Leben“ der Lehre vom bellum iustum ist nach Hertz in der Zeit des Urchristentums zu suchen, das sich mit einer Wertekollision der jesuanischen Forderungen einerseits und dem Recht auf Selbstverteidigung gegenüber einem ungerechten Angriff auf das römische Staatswesen andererseits konfrontiert gesehen haben müsse[49] ; Kirchenvater Augustinus (354-430) habe mit seiner theologischen Umwandlung der Lehre, die ansatzweise schon in der antiken Philosophie[50] vorhanden gewesen war, einen ethischen Kompromiss eingeführt, der die Beteiligung christlicher Soldaten am Krieg rechtfertigen konnte[51].
Die eher fragmentarische Behandlung der Beziehung zwischen Krieg und Frieden in Augustins Gesamtwerk beinhaltet einige wesentliche Elemente der Lehre, die dann von späteren Theologen aufgegriffen und ergänzt wurden. Augustinus versteht legitime Kriege als Strafaktion für verbrecherische, friedlose Völker; im folgenden Abschnitt aus der Quaestio 40, Summa Theologiae II-II, wird er beispielsweise von Thomas von Aquin[52] wie folgt zitiert:
„Unter gerechten Kriegen versteht man solche, durch welche Unrecht geahndet wird; so wenn ein Volk oder eine Stadt zu strafen ist, weil sie entweder versäumt haben, das zu ahnden, was von ihren Bürgern frevelhaft verübt wurde, oder versäumt haben, das zurückzugeben, was ungerechterweise geraubt wurde.“[53]
[...]
[1] Siehe Schneider, Peter: Die falsche Gewissheit. Zur deutsch-amerikanischen Debatte über den „gerechten Krieg“, in: Der Spiegel 35 (2002), S. 168 ff.
[2] Zit. nach Schneider, dort S. 168
[3] Zur Begriffsklärung siehe Anhang
[4] Vgl. Abschnitt 5.3 über die Aufgaben der Vereinten Nationen
[5] Siehe Abschnitt 3 und 4
[6] Siehe Abschnitt 2
[7] Siehe Abschnitt 5
[8] Mt 5,9; nach der Übersetzung der Münchner Synopse. Bei Luz heißt es: „ Glücklich sind die Friedensstifter...“; loc. cit., S. 199
[9] Mt 5,38-42; siehe Anhang
[10] Mt 5,43-48; siehe Anhang
[11] Lk 6,27 f.32-36; siehe Anhang
[12] Siehe Luz, S. 298
[13] Mt 7,12a; nach Luz, S. 387
[14] Mt 7,12b; nach Luz, S. 387
[15] Siehe Luz, S. 387
[16] Lk 6,31
[17] Siehe Eid & Hoffmann, S. 86
[18] Siehe Luz, S. 296 f.
[19] Siehe ebd., S. 292
[20] Ebd., S. 292 f.
[21] Loc. cit., S. 293
[22] aggareuw= ein persisches Lehnwort, das auch lateinisch und rabbinisch vorkommt. Vgl. Luz, S. 293
[23] Ebd.
[24] Vgl. ebd.
[25] Siehe Luz, S. 296
[26] Siehe ebd.
[27] Loc. cit., S. 311
[28] Loc. cit., S. 309
[29] Eid & Hoffmann, S. 154 f.
[30] Vgl. ebd.
[31] Siehe Luz, S. 312
[32] Siehe ebd., S. 307
[33] Siehe ebd., S. 313
[34] Vgl. Mt. 5, 45b
[35] Luz, S. 295
[36] Vgl. Eid & Hoffmann, S. 162
[37] Ebd., S. 163
[38] Eid & Hoffmann, S. 163
[39] Siehe Abschnitt 2.1.1
[40] Vgl. Luz, S. 295 ff.
[41] Vgl. Eid et al. 1994, Sp. 255
[42] Luz, S. 298
[43] Eid & Hoffmann, S. 163
[44] Ebd.
[45] Siehe Luz, S. 302
[46] Siehe Luz, S. 302 f.
[47] Ebd., S. 303
[48] Siehe den folgenden Abschnitt 3.1
[49] Loc. cit., S. 426 ff.
[50] bei Platon, Aristoteles und Cicero; siehe Hertz, S. 429 f.
[51] Ebd., S. 433
[52] Siehe auch Abschnitt 3.2
[53] Quaest. In Heptateuchum VI, 10. Zit. nach STh II-II, q. 40 in der Deutschen Thomas-Ausgabe (kurz DThA); dort S. 84 f.
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