Woher beziehen wir unser Wissen über fremde Länder, ihre Eigenheiten und ihre Gepflogenheiten? Ein ausdifferenziertes Bild ist dann möglich, wenn man einige Zeit im anderen Land verbringt und sich mit der dortigen Kultur vertraut macht. Diese Primärerfahrungen sind heutzutage viel eher möglich als noch vor wenigen Jahrzehnten. Doch auch heute sind es hauptsächlich die Massenmedien, durch die in Italien Informationen über Deutschland bezogen werden, wobei allerdings häufig ein eklatantes Desinteresse aus italienischer Sicht konstatiert wird. Denn was „man über Deutschland schreibt, interessiert in Italien niemanden, auch die Kollegen und den Chefredakteur nicht“ (Roberto Giardina (2000: IfA).
Eine Ausnahme stellt der Fußball-Sport dar. Dieser ist sowohl in Italien als auch in Deutschland von enormer Relevanz. Dabei haben beide Länder auf internationaler Ebene große Erfolge zu verbuchen.
Die Brisanz von internationalen Fußball-Turnieren führt dabei zu einem besonderen medialen Interesse, wobei neben dem eigentlichen Spielgeschehen ausführlich über Land und Leute berichtet wird. Der Mediensport kann als bedeutender Vermittler von nationalen Bezügen gesehen werden: Den Sportlern werden in der Berichterstattung nichtsportliche Eigenschaften und allgemein gesellschaftliche Stereotypisierungen übertragen, der Athlet als Träger von öffentlichen Bildern wird zum Repräsentanten nationaler oder gesellschaftlich relevanter Eigenschaften.
Ein erster Blick in die Berichterstattung der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera lässt vermuten, dass die deutschen Panzer und effizienten Ergebnisspieler in den letzten Jahren verschwunden sind. Über die deutsche Mannschaft wird mit unerwartet positiven Worten berichtet, in Überschriften wird ihnen die Eigenschaft zuerkannt, phantasievoll zu spielen.
Kann eine Untersuchung des Deutschlandbildes in der italienischen Sport-Berichterstattung diesen ersten Eindruck empirisch belegen?
Eine Analyse von knapp 200 Artikeln des Corriere della Sera über die Weltmeisterschaften 2006, 2010 und die Europameisterschaft 2008 soll Aufschluss über das Deutschlandbild im Spiegel der italienischen Sport-Berichterstattung geben.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- THEORETISCHER RAHMEN
- Was versteht man unter Fremdwahrnehmung?
- Stereotype und benachbarte Begriffe
- Stereotype und nationale Stereotype
- Das Stereotyp als sozial- und sprachwissenschaftliches Phänomen
- Nationale Stereotype
- Funktionen und Gefahren von nationalen Stereotypen
- Images und Nationenbilder
- Selbst- und Fremdbilder
- Auto- und Heterostereotype
- Stereotype und nationale Stereotype
- Wandelbarkeit von nationalen Stereotypen und Nationenbildern
- Zusammenfassung - nationale Stereotype und Nationenbilder
- Sprachwissenschaftliche Grundlagen
- Explizite All-Aussagen und Aussagen mit eingeschränkter Verbindlichkeit
- Implizite Stereotype
- Ersatzbezeichnungen und ethnische Schimpfnamen
- Der Gebrauch von Germanismen
- Deutsche und italienische Fremd- und Selbstbilder
- Das Italienbild und das Selbstbild der Deutschen
- Das Selbstbild der Italiener
- Wie die Italiener die Deutschen sehen
- Das geschichtliche Werden des Deutschlandbildes
- Das heutige Deutschlandbild der Italiener
- Nationale Fußballstereotype
- Fußball und nationale Identität
- Typisch deutscher - typisch italienischer Fußball
- Aktuelle Trends
- Massenmedien und nationale Stereotype
- Massenmedien als Vermittler von nationalen Stereotypen
- Sekundärerfahrungen im deutsch-italienischen Verhältnis
- Stand der Forschung
- EMPIRIE: DIE FUẞBALL-BERICHTERSTATTUNG IN DER TAGESZEITUNG, CORRIERE DELLA SERA'
- Erkenntnisziele der Untersuchung
- Methodische Vorgehensweise
- Wahl der Untersuchungsmethode
- Wahl des Untersuchungsmaterials
- Untersuchungszeitraum
- Erschließung des Materials
- Entwicklung eines Kategoriensystems - qualitative Vorgehensweise
- Das Kategoriensystem zur Untersuchung des Deutschlandbildes
- Ergebnisinterpretation – quantitative und qualitative Analyse
- Quantitative Verteilung der Untersuchungsergebnisse
- Fußballspezifische Aussagen
- Aussehen der Spieler und Trainer
- Handlungen und Eigenschaften der Akteure
- Aggressiver und körperbetonter Spielstil
- Ehrgeiz und mentale Stärke
- Unvermeidbarkeit deutscher Siege
- Selbstbewusstsein bis hin zur Arroganz
- Ordnung, Disziplin, Taktik
- Wenn deutsche Tugenden schönem Fußball im Wege stehen
- Untypische Mannschaft
- Fazit Basta con i panzer tedeschi?
- Kultiviertes Deutschland: Anstand, Pünktlichkeit, Gehorsam
- Verallgemeinernde Aussagen
- Aussehen der Deutschen
- Handlungen und Eigenschaften der Deutschen
- Ehrgeiz bis hin zum Größenwahn
- Humorlos, rassistisch, neidisch, frustriert
- Organisation, Effizienz
- Nüchternes, kaltes Deutschland
- Patriotismus und Feierfreude - Ist Deutschland ein normales Land?
- Fazit Verallgemeinernde Aussagen
- Fußballspezifische und allgemeine Ersatzbezeichnungen
- Ersatzbezeichnungen neutraler Art
- Die Germanismen, Mannschaft und,Nationalmannschaft
- Ethnisch geprägte Ersatzbegriffe
- Verschiedene Metaphern
- Junges, multiethnisches und untypisches Deutschland
- Germanismen in der Berichterstattung
- Fazit - Das Deutschlandbild in der italienischen Fußball-Berichterstattung
- SCHLUSSBEMERKUNGEN
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht das Deutschlandbild in der italienischen Sport-Berichterstattung, wobei der Fokus auf der Fußball-Berichterstattung des "Corriere della Sera" zur WM 2006, EM 2008 und WM 2010 liegt. Die Arbeit zielt darauf ab, die Entstehung und Vermittlung nationaler Stereotype in diesem Kontext zu analysieren und zu verstehen, wie deutsche Spieler und die deutsche Mannschaft im Vergleich zu italienischen Akteuren dargestellt werden.
Die wichtigsten Themenschwerpunkte der Arbeit sind:- Die Rolle von Stereotypen in der Fremdwahrnehmung und das Funktionieren von nationalen Stereotypen im Kontext von Sport und Medien.
- Die sprachwissenschaftlichen Grundlagen der Stereotypisierung, einschließlich der Verwendung von Ersatzbezeichnungen, ethnischen Schimpfnamen und Germanismen.
- Die Analyse des Deutschlandbildes in der italienischen Fußball-Berichterstattung auf Grundlage der Untersuchung des "Corriere della Sera" zu den genannten Fußball-Turnieren.
- Die Herausarbeitung von spezifischen Stereotypen, die im Zusammenhang mit dem deutschen Fußball und der deutschen Mannschaft verwendet werden.
- Die Untersuchung, wie die Medien durch die Darstellung von Spielstil, Charaktereigenschaften und kulturellen Merkmalen die Wahrnehmung der deutschen Mannschaft und des deutschen Fußballs beeinflussen.
Zusammenfassung der Kapitel
- **Einleitung:** Dieses Kapitel stellt die Thematik der Arbeit vor und erklärt die Relevanz der Untersuchung des italienischen Deutschlandbildes im Kontext der Fußball-Berichterstattung. Es zeigt auf, dass die Medien eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Informationen und Stereotypen über andere Länder spielen, insbesondere in Bezug auf den Fußball, der eine starke emotionale und nationale Bedeutung hat.
- **Theoretischer Rahmen:** In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Untersuchung gelegt. Es werden die Konzepte der Fremdwahrnehmung, Stereotype und nationale Stereotype erklärt. Die Funktionsweise von Stereotypen im Kontext von Sprache und Kultur wird beleuchtet und es werden die sprachwissenschaftlichen Grundlagen der Stereotypisierung, wie z.B. die Verwendung von Ersatzbezeichnungen, ethnischen Schimpfnamen und Germanismen, vorgestellt. Des Weiteren werden die Selbst- und Fremdbilder von Deutschen und Italienern sowie die Geschichte des deutschen Bildes in Italien näher beleuchtet.
- **Empirie: Die Fußball-Berichterstattung in der Tageszeitung, Corriere della Sera':** Das Kapitel beschreibt die methodische Vorgehensweise der Arbeit, die Wahl des Untersuchungsmaterials und die Entwicklung eines Kategoriensystems für die Analyse der Berichterstattung. Es werden die Erkenntnisse aus der quantitativen und qualitativen Analyse des Materials vorgestellt, wobei der Fokus auf fußballspezifische Aussagen und allgemeine Verallgemeinerungen im Zusammenhang mit dem Deutschlandbild liegt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Thema nationaler Stereotype in der italienischen Sport-Berichterstattung, mit einem Fokus auf das Deutschlandbild in der Fußball-Berichterstattung des "Corriere della Sera". Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Fremdwahrnehmung, Stereotype, nationale Stereotype, Fußball, Sport, Medien, Sprache, Kultur, Deutschlandbild, Italienbild, Selbstbild, Fremdbild, Ersatzbezeichnungen, Germanismen, "Corriere della Sera", WM 2006, EM 2008, WM 2010. Die Arbeit untersucht die sprachlichen Mittel der Stereotypisierung und analysiert, wie die Medien die Wahrnehmung der deutschen Mannschaft und des deutschen Fußballs beeinflussen.
- Quote paper
- Helena Pleier (Author), 2011, Nationale Stereotype in der italienischen Sport-Berichterstattung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175567