Sören Kierkegaards Schrift Entweder - Oder nimmt aus kultur-historischer Perspektive eine bedeutende Stellung ein. Im Jahre 1843 erschienen, steht Kierkegaards Hauptwerk in ästhetischer und philosophischer Hinsicht auf der Schwelle von Aufklärung und Spätromantik einerseits und geistes-geschichtlicher Moderne andererseits. Die Resonanz romantischer Ästhetik und Theoriebildung ist in der Auseinandersetzung mit der Kernthematik von Poesie und Ganzheit/ Unmittelbarkeit/ Ursprünglichkeit deutlich spürbar. Gleichzeitig antizipiert Kierkegaard mit dem Psychogramm und Charakterbild des Ästhetikers, wie er es zeichnet, einen Typus von schlagender Modernität. Dekadence-Syndrom und Ästhetizismus der Jahrhundertwende als Reflexbilder einer allgemeinen Lebens- und Wirklichkeits-Erfahrung ideeller und existentieller Verlassenheit sind hier vorweggenommen. Eingebunden im epochalen und systematischen Spannungsfeld von Romantik und Moderne soll Kierkegaards Begriff des Ästhetischen definiert werden. Spezifisch zeit-historische Diskurse und literarische Paradigmen werden hierzu herangezogen. Als text-immanenter Bezugspunkt stützt sich die Analyse dabei weitestgehend auf das Tagebuch des Verführers als prägnantester Ausdruck der ästhetischen Lebenshaltung. Kontrastiert oder vervollständigt – das wird die Untersuchung zeigen – wird die Bertachtung der ästhetischen Existenzform schließlich durch die Beschreibung des Ethischen. Ziel ist es, beide Begriffe – ästhetisch und ethisch – strukturell und inhaltlich präzise zu durchleuchten, um ihre gegenseitige Beziehung zueinander darlegen zu können.
2.3. Der Ästhetiker: eine romantische Figur?
Das Leben als Versuch, die Aufgabe eines poetischen Lebens zu realisieren [vgl. S. 353] – die Einführung zum Tagebuch des Verführers proklamiert das ambitionierte Lebensprogramm des Ästhetikers. Was meint aber poetisches Leben, was sind seine Kennzeichen? Das Poetische ist Charakterisiert als das Subjektive, das in die Wirklichkeit hineingetragen wird. So heißt es, das Poetische sei das Mehr, das der Ästhetiker mitbringe [vgl. S. 354]. Hier sind also subjektive und objektive Welt voneinander unterschieden. Die Poesie als die innerliche Schöpfungskraft verklärt und verfehlt die Wirklichkeit als das Äußere. Der Ästhetiker gehört somit „nicht der Wirklichkeit an, und doch hat er viel mit ihr zu tun“ [S. 355]. Sie ist der Impuls- und Reizgeber für seine verfeinerte Phantasie, das Inzitament eines Lebens, das sich dem Genuss verschreibt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Ästhetiker als romantische und als moderne Figur - Kierkegaards „Entweder – Oder“ in kultur-historischer Perspektive
- Vorüberlegung: der metaphysische Unterbau - ideelles und empirisches Dasein
- Tagebuch des Verführers - der Ästhetiker in pointierter Form
- Der Ästhetiker: eine romantische Figur?
- Der Ästhetiker: eine moderne Figur!
- Der Ethiker: das moralische Gegengewicht.
- Resümee – die Aporien der Freiheit und Unmittelbarkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Analyse von Sören Kierkegaards „Entweder – Oder“ und der darin dargestellten Figur des Ästhetikers in kulturhistorischer Perspektive. Sie untersucht die ästhetische Lebenshaltung in Verbindung mit der metaphysischen Tradition und den Spannungen zwischen Romantik und Moderne. Die Arbeit zielt darauf ab, die Beziehung zwischen dem Ästhetischen und dem Ethischen in Kierkegaards Werk zu beleuchten und zu analysieren.
- Die Bedeutung von „Entweder – Oder“ in der Kulturgeschichte
- Die Rolle des Ästhetikers in der Romantik und Moderne
- Der metaphysische Unterbau des Ästhetischen und Ethischen
- Der Einfluss des „Tagebuchs des Verführers“ auf die Analyse der ästhetischen Lebenshaltung
- Die Beziehung zwischen dem Ästhetischen und dem Ethischen bei Kierkegaard
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet eine Einführung in das Thema und stellt die Bedeutung von Kierkegaards „Entweder – Oder“ in der kulturhistorischen Perspektive heraus. Sie beleuchtet die Spannungen zwischen Romantik und Moderne, die im Werk thematisiert werden. Die Arbeit zeigt auf, wie der Begriff des Ästhetischen in Bezug auf die damalige Zeit und die literarischen Paradigmen zu verstehen ist.
Das erste Kapitel analysiert den metaphysischen Unterbau des Ästhetischen und Ethischen. Hier werden die Prämissen der Präsenz-Philosophie und die Unterscheidung von Substanz und Akzidens erläutert, um die systematischen Grundlagen des Werks zu verstehen. Das Kapitel zeichnet die Spuren dieses metaphysischen Schemas durch die abendländische Philosophiegeschichte nach.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Schlüsselwörter Ästhetik, Romantik, Moderne, Metaphysik, Substanz, Akzidens, „Entweder – Oder“, „Tagebuch des Verführers“, Sören Kierkegaard, Ethisches, Präsenz-Philosophie.
- Quote paper
- Christian Rausch (Author), 2011, Der Ästhetiker als romantische und als moderne Figur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175606