Einleitung
Es ist die Quintessenz der Kunstgeschichte genau hinzusehen, was in einem Gemälde verborgen ist, welche Details, Symbole oder Allegorien es enthält. Doch ebenso ist es ein weitverbreitetes Problem der Kunsthistoriker, sich des unvoreingenommenen Blickes durch das Lesen & Recherchieren zu einem Werk selbst zu berauben oder schlicht anhand des eigenen Vorwissens manipuliert zu sein. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem Erfassen impliziter Aussagen eines Gemäldes & der Überinterpretation. So birgt die Arbeit in einem Seminar, welches unter dem Titel Kunstgeschichte & Psychoanalyse zwei hochgradig induktive, hermeneutische Disziplinen vereint, die Tücke, genau diesem Rausch des wilden Deutens, Verbindens & Schlussfolgerns zu verfallen & ein Werk seines genuinen Sinnes zu entfremden.
Um jener Problematik zumindest teilweise vorzubeugen, habe ich beschlossen, mich dieser Arbeit auf etwas andere Weise zu näheren, als es den üblichen Methoden der Kunstgeschichte entspricht: mittels eines kurzen Probandenbefragung.
Mit Hilfe dieser Kurzinterviews erhoffe ich mir, ein breites Meinungsspektrum zum allgemeinen Primäreindruck des Bildes selbst, speziell aber zur Wahrnehmung der eroti-schen Wirkung der Venus von Urbino zu erhalten & damit meine Forschungsthese zu überprüfen. Diese statuiert, dass sich das vorliegende Gemälde durch eine Vielzahl an Dopplungen auszeichnet und diese wiederum mit der Wahrnehmung, Verarbeitung & Interpretation des Gemäldes beim Betrachter korrelieren.
Mein Vorgehen wird nach der Arass´schen Methode der Detailbetrachtung, jedoch auf Basis psychoanalytischer sowie wahrnehmungs- & allgemeinpsychologischer Erkenntnisse erfolgen. Im Anschluss daran werde ich zudem einen knappen Einblick in die Untersuchung des Gemäldes nach der psychoanalytischen Bildtheorie Lacans geben, was aber aus Gründen des begrenzten Umfangs der vorliegenden Arbeit nur einem knappen Exkurs gleichen soll.
Ziel dieser Untersuchung ist es, eine Bild- & Psychoanalyse der Venus von Urbino vor-zunehmen, meine Argumente dabei in größtmöglichem Maße selbst zu generieren & schließlich die Dopplungen im Werk aufzudecken, kritisch zu hinterfragen & psycho-analytisch zu verknüpfen. Dabei beschäftigt sich das anschließende Kapitel vornehmlich mit perzeptiven Prozessen; nachfolgend werden eindeutige & inhärente sexuelle An-spielungen & Komponenten im Gemälde diskutiert, um schlussendlich Konjekturen über emotionale & psychische Prozesse beim Betrachter treffen zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die zwei Bilder in der Venus von Urbino
- Die zwei erotischen Avancen in der Venus von Urbino
- Die zwei Betrachter der Venus von Urbino
- Interner und externer Betrachter
- Der Betrachter und das Objekt klein a
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einer Bild- und Psychoanalyse von Tizians „Venus von Urbino“. Dabei wird die Mehrdeutigkeit des Gemäldes als zentrale Herausforderung betrachtet und durch die Fokussierung auf die Dopplungen im Werk analysiert.
- Analyse der Dopplungen im Gemälde
- Deutung der erotischen Avancen der Venus
- Untersuchung der unterschiedlichen Betrachterperspektiven
- Anwendung der psychoanalytischen Bildtheorie Lacans
- Verbindung von perzeptiven Prozessen und emotionalen Reaktionen des Betrachters
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Herausforderungen der Kunstinterpretation und den Umgang mit der Gefahr der Überinterpretation. Sie stellt die methodische Herangehensweise der Arbeit vor, welche durch eine kurze Probandenbefragung zum Primäreindruck des Bildes ergänzt wird.
Das zweite Kapitel analysiert die Dopplungen im Bild, die in den verschiedenen Bildelementen wie Kissen, Matratzen, Truhen, Bäumen, sowie den Dienstmädchen im Hintergrund deutlich werden. Die Dopplungen werden im Kontext der Hochzeits- und Liebessymbolik interpretiert.
Kapitel drei beleuchtet die erotischen Avancen der Venus, die durch ihre Pose, ihren Blick und die Geste ihrer Hand deutlich werden. Es wird ein Vergleich zu Giorgiones „Schlummernden Venus“ gezogen, um die bewusste und offensive erotische Anspielung in Tizians Werk hervorzuheben.
Kapitel vier befasst sich mit den unterschiedlichen Betrachterperspektiven und den emotionalen und psychischen Prozessen, die beim Betrachter durch das Werk ausgelöst werden. Die psychoanalytische Bildtheorie Lacans wird im Detail erläutert.
Schlüsselwörter
Venus von Urbino, Tizian, Psychoanalyse, Bildinterpretation, Dopplungen, Erotische Avancen, Betrachterperspektive, Psychoanalytische Bildtheorie, Lacan, Perzeptive Prozesse, Emotionale Reaktionen
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- Laura Näder (Author), 2011, Venus von Urbino , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175608