"Was ist von diesem Engel mit geblieben?
Ein starker Geist in einem zartem Leib,
Ein Zwitter zwischen Mann und Weib,
Gleich ungeschickt zum Herrschen und zum Lieben.
Ein Kind mit eines Riesen Waffen,
Ein Mittelding von Weisen und von Affen!..
F. Schiller „Die berühmte Frau“ (1788)"
Das Zitat bietet ein hervorragendes Beispiel für das moderne Geschlechterverständnis,
welches sich im 18. Jahrhundert herausbildete und dessen Wirkung auch noch heute
zu spüren ist. Nachdem durch die Ammenkultur in gehobenen Schichten (sowie durch
die Tradition des Salonièrens und den Einfluss der s.g. „gelehrten Damen“) immer mehr
Säuglinge von ihren Mütter in die Fremdbetreuung und Erziehung übergeben wurden,
was zu einer sehr hohen Säuglingssterblichkeit führte, kam es allmählich dazu, dass der
Schutz der Familie und Wahrung der Mutterpflicht für eine wichtige
Staatsangelegenheit erklärt wurden. Es verbreitete sich die Auffassung, dass sich die
Aufgabe der Frau im Staat auf die Fortpflanzungsfunktion beschränkt und ihr Wesen
komplett ausmacht. Es wurde ein Ideal der Mutterschaft und Häuslichkeit den Frauen
nahe gelegt, welches mancherorts sogar mit gesetzlichen Maßnahmen einher ging. So
wurde z. B in Preußen gesetzlich vorgeschrieben, dass eine gesunde Mutter ihr Kind
selbst zu stillen hat. Außerdem entstand in der Zeit das moderne Verständnis von Ehe
als einem Bund zweier Liebender d.h. es ging um eine Liebesbeziehung und Sympathie,
kein finanzielles oder politisches Nutzenkalkül.
Die fortschreitende Domestizierung der Frau hatte ein soziales Ziel- die
gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten, die angeblich durch wachsende
kulturelle Bedeutung der Frauen (Salons etc.) unterzugehen drohte.
Mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft gingen einige wichtige
Veränderungen einher. Die Trennung zwischen Arbeits- und Wohnstätte und somit die
Herausbildung der Familie im eigentlichen Sinne, die ansetzende Industrialisierung und der aufkeimende Kapitalismus sowie die fortschreitende Säkularisierung brachten
enorme soziale und kulturelle Umwälzungen mit sich, aber auch einen enormen
Sicherheitsverlust und Desorientierung der Menschen. Die bis dahin vorherrschende
religiöse Verortung des Menschen im sozialen Raum wurde durch das Naturrecht
ersetzt. Die Polarisierung der Geschlechter und die Kategorisierung der
Geschlechtercharaktere wurde auf eine natürliche Basis zurückgeführt und durch
Wissenschaft kontinuierlich unterstützt und bestätigt.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung in das moderne Geschlechterverständnis...3
- Geschlecht im geisteswissenschaftlichen Diskurs der Moderne...5
- Theorie der Geschlechterpolarität...5
- Moderne Geschlechtertheorien...7
- Wissenschaft und Geschlecht...9
- Fazit: Geschlechterpolarität- ein längst überflüssiges Phänomen?...11
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die im 18. Jahrhundert entstandene Theorie der Geschlechterpolarität und ihre Relevanz im heutigen Kontext. Sie befasst sich mit der historischen Entwicklung des Geschlechterverständnisses und analysiert die Auswirkungen der Geschlechterpolarität auf die gesellschaftliche Ordnung.
- Die Entstehung der Geschlechterpolarität im 18. Jahrhundert
- Die Rolle der biologischen Determinierung im Geschlechterdiskurs
- Die Ausdifferenzierung von öffentlichen und privaten Sphären
- Die Entwicklung der modernen Geschlechtertheorien
- Die Relevanz des Geschlechterverständnisses für die Wissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung in das moderne Geschlechterverständnis
Dieses Kapitel beleuchtet die Entstehung des modernen Geschlechterverständnisses im 18. Jahrhundert. Es analysiert die Rolle der Ammenkultur, die Bedeutung der Mutterrolle für den Staat und die Herausbildung des Ideals der bürgerlichen Liebe. Das Kapitel verdeutlicht, wie die fortschreitende Domestizierung der Frau zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung beitrug und eine biologische Grundlage für die Geschlechterpolarität legte.
Geschlecht im geisteswissenschaftlichen Diskurs der Moderne
Dieses Kapitel behandelt die Theorie der Geschlechterpolarität, die von Jean-Jacques Rousseau vertreten wurde. Es erklärt die Annahme einer dreifachen Komplementarität zwischen Mann und Frau in geistiger, körperlicher und sozialer Hinsicht. Das Kapitel untersucht die Auswirkungen der Geschlechterpolarität auf die Entwicklung von Geschlechtercharakteren und die Einteilung von Mann und Frau in öffentliche und private Sphären.
Schlüsselwörter
Geschlechterpolarität, Geschlechterverständnis, Geschlechtertheorien, biologische Determinierung, Geschlechtercharaktere, öffentliche Sphäre, private Sphäre, gesellschaftliche Ordnung, Wissenschaft, Moderne
- Arbeit zitieren
- Natalja Kvast (Autor:in), 2011, Polaritätstheorie der Geschlechter- ein längst überflüssiges Phänomen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175737