Der junge Hegel

Religionsphilosophie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Frage 1: Vergleich des Religionsbegriffs bei Kant und Hegel
1.1 Religionsbegriff bei Kant
1.2 Vergleich: Religionsbegriff bei Hegel

Frage 2: Transformationen des Begriffs „Liebe“ bei Hegel
2.1 Fragmente über Volksreligion und Christentum
2.2 Vergleich: Entwürfe über Religion und Liebe 1

Literaturverzeichnis

Frage 1: Vergleich des Religionsbegriffs bei Kant und Hegel

Frage 1: Vergleichen Sie die Funktion und Reichweite des Religionsbegriffs bei Kant (in seiner Religionsschrift) und Hegel (in den Fragmenten über Volksreligion und Christentum). Welche Analogien und / oder Differenzen sind zu erkennen?

1.1 Religionsbegriff bei Kant

Zentral in Kants Religionsschrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft ist der Begriff der Moral. Der Mensch als vernünftiges beziehungsweise als grundsätzlich vernunftfähiges Wesen ist durch den Gebrauch der eigenen Vernunft in der Lage, moralisch zu handeln. Hierfür bedarf es nach Kant keiner Religion. Wir haben das moralische Gesetz sozusagen in uns, wir benötigen folglich keine äußere Instanz, die unserem Willen ein Gesetz geben muss. In der ersten Vorrede zu seiner Religionsschrift betont Kant in diesem Zusammenhang die Autonomie der Vernunft und den Umstand, dass der Mensch eben keiner Religion bedarf, um moralisch zu sein. Das kantische Sittengesetz begründet demzufolge unsere Freiheit, da die Moralität keine andere Triebfeder als eben das selbst auferlegte Gesetz benötigt, welches wir Kraft unseres Gebrauchs von der praktischen Vernunft besitzen. In diesem Kontext verweist Kant darauf, dass die Moral, da sie aus dem autonomen Subjekt selbst heraus wirkt, keine Zwecksetzung braucht und als solche abstrakt ist. Wäre durch Religion ein Zweck a priori gegeben, widerspräche dies dem Sittengesetz nach Kant. Folglich darf Moral keine Zwecksetzung beinhalten. Dennoch muss eine Beziehung zu einem Zweck bestehen, um Moral wirksam werden zu lassen. Nach Kant brauchen wir eine gewisse Zweckvorstellung, weil die Moral sonst zu abstrakt wäre und keinen Bezug zur wahren Welt, also zu realen Phänomenen hätte.[1]

Zu Beginn seiner Abhandlung macht Kant in diesem Sinne sehr deutlich, dass Religion und Religiösität keine Bedingung für moralisches Handeln darstellt, da das Sittengesetz als formale Bedingung für den Gebrauch der individuellen Freiheit keinen materiellen Bestimmungsgrund bedarf. Dennoch führt Moral nach Kant zur Religion, er gesteht demnach notwendige Berührungspunkte zu. Moral erweitert sich in diesem Sinne in der Religion zu einem moralischen Gesetzgeber, sprich zu einer Idee, die außerhalb des Menschen gesetzt ist.[2] Auf diese Weise betrachtet Kant die „Idee des höchsten Gutes“ als moralischen Endzweck, welcher durch eine Religion im Sinne einer Vernunftreligion erreicht werden kann. Der Vernunftbegriff ist von großer Bedeutung für die religionsphilosophischen Schriften Kants. Er fordert den Gebrauch der praktischen Vernunft in der Religion, da nur über den Weg der Vernunft zur Moral gelangt werden kann. Für die Religion muss demzufolge ein öffentlicher Vernunftgebrauch erzielt werden, den Kant in Abgrenzung von einem rein dogmatischen Religionsverständnis begründet. Neben der biblischen Theologie fordert er deshalb eine philosophische Religionslehre. Religion ist im kantischen Sinne nur gut, wenn sie moralisch ist. Er grenzt die moralische Religion von der „Gunstbewerbung“ ab, die für ihn im Sinne eines bloßes Kultus zu verstehen ist. Nur eine moralische Religion kann demnach dem Ideal der Vollkommenheit näherkommen und damit zur Glückseligkeit führen. Die Anlage zu moralischem Handeln verortet Kant im Menschen, der neben den eigentlich sinnlichen auch über eine moralische Triebfeder verfügt. Über den Weg einer Vernunftmoral kann demzufolge eine umfassende Vernunftreligion erreicht werden, die für Kant die einzig wahre und anzustrebende Form der Religion darstellt.[3] Wie Hegel lehnt auch Kant in Bezug auf Religion vor ihm alles ab, was mit Offenbarung, Dogmen oder mit jeglicher Form von Wunderglauben zutun hat. Der moralische und damit gute Lebenswandel ist somit der alleinige Zweck der Vernunftreligion.

Für Kant impliziert Religion die „Erkenntnis aller unserer Pflichten als göttliche Gebote“.

In diesem Kontext stellt er die offenbarte der natürlichen Religion gegenüber. Während erstere eine Offenbarung benötigt um ihren Glauben zu begründen und auf Grundlage eines positiven göttlichen Gebotes seine Pflicht ableitet, erkennt der Gläubige einer natürlichen Religion aufgrund seiner praktischen Vernunft zuerst die Pflicht, und erklärt sie danach als Gebot Gottes. Den Offenbarungsglauben braucht der Mensch demnach nur so lange, wie er sozusagen noch unmündig ist. Den reinen Vernunftglauben setzt Kant deshalb mit Freiheit gleich. Die natürliche Religion ist die „vernünftige“, da das Subjekt seine Pflicht aus sich selbst heraus erkennt und Gott als moralischen Gesetzgeber sozusagen im Nachhinein einsetzt. Kant betrachtet den reinen praktischen Vernunftbegriff in der natürlichen Religion verankert und die christliche Religion, im Gegensatz zur gelehrten Religion, setzt er als Vertreter dieser Natürlichkeit voraus. Seine Forderung ist die Errichtung eines ethischen Gemeinwesens, das sich von einem bloßen Kirchen- zu einem Religionsglauben hin entwickelt.

„Wahre Religion“ ist für Kant in diesem Zusammenhang nur das, was durch jeden einzelnen Menschen selbst aus reiner Vernunft erschließbar und nachvollziehbar ist. Er setzt somit den Vernunftglauben und eine darauf basierende vernünftige Religion dem Offenbarungsglauben kritisch gegenüber.[4]

1.2 Vergleich: Religionsbegriff bei Hegel

In Rückgriff auf die kantischen Begriffe kann Hegels Schrift Fragmente über Volksreligion und Christentum als eine Art von Weiterentwicklung der Religionsphilosophie Kants betrachtet werden.

Im Gegensatz zu Kant, der die Religion als eine Art verstärkende Instanz für die autonome Moral betrachtet, betont Hegel die große Bedeutung der Religion für die Gesellschaft insgesamt und die einzelnen Mitglieder. Religion als „wichtigste Angelegenheit“[5] füllt demnach einen großen Teil unseres Lebens aus und hat von Kind auf eine stark prägende Wirkung. Stärker als Kant bewertet Hegel die Wirkung der Religion auf die Moral. Während für Kant die Moral zwar notwendige Bezüge zur Religion aufweist, aber grundsätzlich als selbstständig zu betrachten ist, kann die Religion nach Hegel eine positive Wirkung auf Moral in dem Sinne ausüben, dass sie den rein sinnlichen Antrieben entgegenwirkt, beziehungsweise in eine sozusagen moralische Richtung lenkt.

Eine Parallele zwischen Kant und Hegel besteht meiner Ansicht nach darin, dass Hegel eine objektive der subjektiven Religion gegenüberstellt und auf dessen Grundlage sein Konzept einer anzustrebenden „Volksreligion“ entwirft. Im Gegensatz zur objektiven Religion, die sie auf den Glauben an religiöse Kenntnisse beschränkt und die er mit Theologie gleichsetzt, stellt für ihn die subjektive Form die eigentliche Religion dar. Nur die subjektive Religion ist demnach „lebendig“ und als einzig wahre Form zu betrachten. Damit wendet sich Hegel wie Kant vor ihm gegen einen reinen Dogmatismus und der Positivität der Religionen. Wie auch Kant legt Hegel den Fokus darauf, dass das Gesetz für moralisches Handeln und zur Bestimmung unseres Willens aus dem Subjekt selbst kommt, also keinen Bestimmungsgrund in einer äußeren Instanz wie der Kirche hat. Ein Unterschied zu Kants Thesen sehe ich vor allem darin, dass Hegel einen großen Raum der Sinnlichkeit einräumt. Die wahre Religion soll auf die Empfindungen wirken und sie dadurch sozusagen für die Moral fruchtbar machen und sittliche Handlungen befördern. Demnach kann nur innerhalb der subjektiven Religion das moralische Gesetz ausgeführt werden. Im Gegensatz zu Kant betont Hegel in diesem Kontext, dass religiöse Triebfedern, hier greift er die kantische Terminologie auf, gerade sinnlich sein müssen, um auf die Empfindungen wirken zu können.[6] Kant hingegen unterscheidet die moralische von den gewöhnlich sinnlichen Triebfedern, die der praktischen Verstandestätigkeit entgegenwirken. Nur die Anlage zu der einen moralischen Triebfeder kann zum Endzweck der Vollkommenheit führen. Für Kant ist das moralische Gesetz gerade ohne die Mitwirkung sinnlicher Antriebe fruchtbar. Trotz dieser Unterschiede haben beide das gleiche Ziel: Moralität. In diesem Ziel sehen beide den Zweck der Religion begründet, sie unterscheiden sich lediglich in der Form der Erreichung dieses Ziels. Während für Hegel das Zusammenwirken der moralischen Triebfeder mit den Empfindungen unabdingbar ist, weist Kant jede Mitwirkung sinnlicher Antriebe zurück, indem der das moralische Gesetz an sich als Triebfeder sittlicher Handlungen bestimmt. Hegel hingegen greift gerade die Sinnlichkeit als Hauptelement moralischer Handlungen heraus. Während Kant die Vernunft als Bestimmungsgrund für Moral erklärt, geht Hegel von einer notwendigen Verbindung von Vernunft und Sinnlichkeit aus. Religion ist demzufolge „Sache des Herzens“, was wiederum dem Grundbedürfnis der praktischen Vernunft entspricht.[7] Auch Kant spricht in diesem Zusammenhang von einem Gefühl, dem Gefühl der Achtung für das moralische Gesetz. Allerdings kann man dieses Gefühl nicht mit der Sinnlichkeit bei Hegel gleichsetzen, da das kantische Gefühl der Achtung ein moralisches ist, das der Intellekt hervorgebracht hat.

Eine weitere Gemeinsamkeit in den religionsphilosophischen Lehren von Kant und Hegel sehe ich in den Bezügen zur christlichen Religion. Hegel kritisiert die Positivität der christlichen Religion und setzt ihr das Ideal der griechischen Polis entgegen. Er verweist auf den Entfremdungszustand der bürgerlichen Gesellschaft, der nur durch die Konstitution einer subjektiven Religion entgegengewirkt werden kann. Das Christentum stellt für Hegel ursprünglich eine Privatreligion dar, der er das Ideal einer Volksreligion entgegenstellt.[8] Auch Kant kritisiert in diesem Kontext die Positivität der christlichen Religion. Er fordert eine Art Vermittlung zwischen Vernunft und Positivität. Im Bezug auf die christlichen Lehren räumt er ein, dass es sich bei der christlichen Religion ursprünglich um eine „natürliche“ handelt, aber eben auch um eine „gelehrte“, also eine Verbindung von Vernunft und Offenbarung darstellt.[9] Dennoch betrachtet Kant die christliche Religion als die einzig moralische, die er als Vorbild einer gelingenden Verknüpfung von Vernunft und Offenbarung setzt. Hegel hingegen betont die Positivität der christlichen Lehre und in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit von der Gnade Gottes.

Darüber hinaus nehmen beide, Hegel und Kant, die praktische Vernunft als Ausgangspunkt für den Glauben an Gott und die Unsterblichkeit und damit als Ansatzpunkt für die Religion. Der Mensch hat in diesem Sinne nicht nur eine naturgegebene Anlage zum Moralischen, also eine moralische Triebfeder, sondern gleichsam auch eine Anlage zum Religiösen. Moralität ist also keine bloße Frage des Sollens, sondern eine konkrete Forderung beziehungsweise eine logische Konsequenz aus dem praktischen Gebrauch der Vernunft, die jedes Individuum als Vermögen ursprünglich besitzt. Kant spricht hier von einer Anlage zum „Menschsein“, die die Möglichkeit zum Vernunft- und damit zum Freiheitsgebrauch impliziert.[10]

[...]


[1] Vgl. Kant 1793: 650 f.

[2] Vgl. Kant 1793: 652

[3] Vgl. Kant 1793: 657

[4] Vgl. Kant 1793. 822 f.

[5] Hegel 1793/94: 9

[6] Vgl. Hegel 1793/94: 12 f.

[7] Vgl. Hegel 1793/94: 17

[8] Vgl. Hegel 1793/94: 71

[9] Vgl. Kant 1793: 833

[10] Vgl. Kant 1793: 672

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der junge Hegel
Untertitel
Religionsphilosophie
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Der junge Hegel
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
16
Katalognummer
V175901
ISBN (eBook)
9783640971060
ISBN (Buch)
9783640970681
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hegel, Kant, Religion, Religionsschrift, Volksreligion, Christentum, Liebe, Vernunft, Moral, Glaube, Sittengesetz, Triebfedern
Arbeit zitieren
Nicole Borchert (Autor:in), 2011, Der junge Hegel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175901

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