Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
I. Ein Leben in der Postdemokratie? – Ein problematisches Konzept und seine Einordnung
II. Literaturbericht
III. Demokratie als Prozess - Die Entwicklung einer Regierungsform
III.1. Frühe Formen
III.2. Die Demokratie in ihrer modernen Ausprägung.
IV. Von der Demokratiedefinition zur Charakterisierung der Postdemokratie
V. Die (post)demokratische Konstellation – Zahlen und Trends
V.1. Partizipation
V.2. Populismus
V.3. Outputseite
VI. Ein Leben in der Postdemokratie
VII. Ausblick und positive Optionen für eine Stärkung der Demokratie
IIX. Literaturverzeichnis
Demokratie oder Postdemokratie? – Zustandsbestimmung einer offenen Herrschaftsform im Kontext ihrer historischen Entwicklung
I. Ein Leben in der Postdemokratie? – Ein problematisches Konzept und seine Einordnung
Wenn man sich mit dem Phänomen der Postdemokratie beschäftigen möchte, welches einem bei der Lektüre von Zeitungsartikeln der Politikressorts immer häufiger begegnet, sieht man sich zunächst mit einem eher diffusen Bild konfrontiert. Die Bandbreite derjenigen Anklagepunkte, die sich auf eine angeblich postdemokratische Konstellation in Politik und Gesellschaft berufen, reicht von einer Kritik der Kommerzialisierung medialer Inhalte, bis hin zur Diskussion um ein Trockenlegen von Steueroasen.[1],[2] Eine ähnliche Situation erwartet den Konsumenten medialer Inhalte auch hinsichtlich der Diskussion um das Konzept der Postdemokratie in der Politikwissenschaft selbst. Dabei dürfte sich der interessierte Beobachter bei einem Thema, welches seinen unmittelbaren Alltag an einer Vielzahl von Stellen betrifft oder -vorsichtiger ausgedrückt- zu betreffen scheint, sicherlich nichts mehr wünschen, als Klarheit über den tatsächlichen „Gesundheitszustand“ desjenigen Systems, in welchem er sein Leben als Bürger zubringt.
Woher kommt also dieses undeutliche Bild eines kontrovers diskutierten Phänomens, welches trotz seiner scheinbar vorhandenen Omnipräsenz nur schwer eingegrenzt werden kann? Die Hauptursache für dieses scheinbare Paradoxon liegt sicherlich in der Tatsache begründet, dass die Demokratie selbst, die der Postdemokratie bzw. der Diskussion um dieselbe ja als Bezugspunkt dient, kein abgeschlossenes System ist und ihre Grenzen somit fließend sind. Sie ist das Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen und damit mindestens ebenso vielgestaltig, wie jene selbst. Blendet man diese Vielschichtigkeit aus, kann es –wie in der aktuellen Debatte zu beobachten ist- leicht dazu kommen, dass die Gesprächsteilnehmer aneinander vorbeireden. Eine tatsächliche Zustandsbestimmung des Status quo wird so zur Unmöglichkeit.
In der folgenden Arbeit soll, trotz der Vielschichtigkeit und Vielgestaltigkeit, welche die Demokratie in ihrer gelebten Form in der Lage ist, anzunehmen, der Versuch unternommen werden, das postdemokratische Phänomen an eben dieser Entwicklung festzumachen. Der Autor bietet in dem Zusammenhang –nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick auf die Entwicklungsgeschichte der Demokratie- eine Definition derselben an, welche zum einen der Prozesshaftigkeit dieser Herrschaftsform Rechnung trägt und welche zum anderen dazu geeignet ist, eine Abgrenzung zur Postdemokratie vorzunehmen. Anschließend soll mit Hilfe aktueller Tendenzen und Trends der Zustand eines repräsentativen Querschnitts demokratischer Systeme analysiert werden. Abschließend sollen diese Analysen zu einem Gesamtbild vereint werden, das eine konkrete Aussage über die Qualität der Demokratie zulässt, in der gegenwärtig ein bedeutender Anteil der Weltbevölkerung lebt.
Worum es bei dieser Untersuchung letztendlich geht, ist die Frage, ob die sich vollziehenden Entwicklungen und ihre teils äußerst negative Perzeption dadurch zu erklären sind, dass „[…] wir – die Bürgerinnen und Bürger demokratischer Gesellschaften- immer noch zu eng an das alte Gerüst der repräsentativen Demokratie gebunden [sind]“, oder doch eher mit einem objektiv schlechten Zustand konfrontiert sind.[3] Oder anders ausgedrückt: Sind wir es, die die Demokratie falsch wahrnehmen, oder ist es eine „falsche“ Demokratie, die uns im Alltag begegnet?
II. Literaturbericht
Die Literaturauswahl ist in mehreren Schritten erfolgt, wobei zur Einarbeitung in das Thema mehrere Zeitungsartikel herangezogen worden sind, welche sich mit der Problematik der Postdemokratie auseinandergesetzt haben. Anschließend hat sich der Autor über das Bild der Postdemokratie in der Politikwissenschaft informiert. Dazu verwendet worden sind unter anderem die Ausgabe 1-2/2001 der Zeitschrift „Aus Parlament und Zeitgeschichte“ (APuZ), in welchem die Postdemokratiedebatte aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet wird. Das oftmals als Standardwerk zum Thema bezeichnete Buch „Postdemokratie“ von Colin Crouch, auf welches sich auch Dirk Jörke in seinem Text „Auf dem Weg zur Postdemokratie“ bezieht, hat ebenfalls Eingang in diese Arbeit gefunden. Der zweite große Teilbereich der Untersuchung, die Entwicklung der Demokratie, ist mit Hilfe der Werke von Hans Vorländer, Manfred G. Schmidt und Luciano Canfora ausgearbeitet worden, welche mit ihren Ausführungen einen profunden Einblick in diese Prozesse ermöglicht haben. Zum Abgleich der daraus gebildeten Begriffsbestimmung von Demokratie und Postdemokratie mit der aktuellen Lage, wurden zeitnahe Trends und Zahlen herangezogen, die –wegen der zeitlichen Aktualiät- überwiegend dem Internet stammen. Wichtige Impulse haben darüber hinaus die Arbeiten von Frank Decker zum Thema Populismus in Europa, sowie ein Aufsatz von Richard von Weizsäcker gegeben, in welchem die Rolle der Freiheit in und für eine demokratische Gesellschaft auf anschauliche Art und Weise dargestellt wird.
III. Demokratie als Prozess - Die Entwicklung einer Regierungsform
III.1. Frühe Formen
Als Urform der Demokratie kann mit Sicherheit die Selbstverwaltung Athens durch die Bürger der Stadt im antiken Griechenland betrachtet werden.[4] In dieser hat sich die Bevölkerung des Stadtstaates auf direktdemokratische Art und Weise, d.h. in öffentlich ausgeschriebenen Versammlungen getroffen, um über die Gesetzgebung und weitere, für die Organisation des Gemeinwesens relevante Themen zu entscheiden.[5] Ursächlich für die Herausbildung der athenischen Demokratie ist insbesondere das Einbeziehen der unteren Bevölkerungsschichten gewesen, die beim Aufbau und dem Erhalt der Position als überregionale Seemacht unerlässlich gewesen sind.[6] Als Folge einer verbreiterten Inklusion hat sich diese Regierungsform klar von einer „Herrschaft der Wenigen“, wie sie etwa in der Oligarchie praktiziert wird, abgegrenzt.[7] Trotz einer solcherart verwirklichten Partizipation der Vielen, die weit über das Maß einer Oligarchie oder gar Tyrannis hinausgereicht hat, kann von einer tatsächlichen „Volks-Herrschaft“, wie sie eine wörtliche Übersetzung des Begriffs „Demokratie“ nahelegen würde, noch keine Rede sein.[8] Die integrierende Kraft der politischen Selbstverwaltung der Bürger hat ihre Grenzen an der scharfen Einengung des Bürgerbegriffes, sowie deren strikter Trennung von den übrigen, nicht stimmberechtigten Bewohnern der Stadt gefunden.[9] Unstrittig ist auch, dass das im antiken Athen begonnene, soziale Experiment, für das bis zu jenem Zeitpunkt „[…] keine Blaupause, kein Modell, keine Theorie [existiert hat], nach der die Institutionen entworfen […]“ werden hätten können, direkt von seiner lokalen Begrenztheit gelebt hat und sich insofern stark von unserer heutigen Massendemokratie unterscheidet.[10] Ein zusätzliches, aus heutiger Sicht gravierendes Defizit im Modell der Athener, nämlich der weitgehende Mangel einer klaren Rechtssicherheit für das Individuum durch einen verbindlichen und umfassenden Rechtekanon, ist in der Folge von den Römern teilweise behoben worden.[11]
Das stetige Wachstum an Größe und damit auch Komplexität des römischen Reiches, hat eine Ausweitung der rechtlichen Basis zur Stabilisierung alltäglicher Beziehungen unumgänglich gemacht und damit die Geburtsstunde des Republikanismus eingeläutet.[12] Besonders die Stellung des Individuums gegenüber staatlicher Willkür ist deutlich gestärkt worden, auch wenn das maßgeblich aristokratisch geformte Herrschaftsgebilde Roms, insgesamt sicherlich in großen Teilen als nicht kompatibel zum modernen Rechts- und Freiheitsverständnis bewertet werden muss.[13] „Rom selbst war [zwar] keine Demokratie“, hat für den weiteren Entwicklungsweg derselben aber trotzdem eine wichtige Rolle gespielt.[14]
[...]
[1] vgl.: http://www.medienheft.ch/de/nc/14/date/0000/00/00/warum-der-journalismus-ueberleben muss/article/6.html, 03.05.2011
[2] vgl.: http://www.zeit.de/2009/41/Wahl, 03.06.2011
[3] vgl.: Nolte, S. 11
[4] vgl.: Canfora, S. 15 ff.
[5] vgl.: Schmidt, S. 27 ff.
[6] vgl.: Vorländer, S. 16
[7] vgl.: Schmidt, S. 27
[8] vgl.: Canfora, S. 17 ff.
[9] vgl.: Schmidt, S. 28 ff.
[10] vgl.: Vorländer, S. 16
[11] vgl.: Schmidt, S. 28 ff.
[12] vgl.: Vorländer, S. 41
[13] ebda.
[14] vgl.: Vorländer, S. 39 ff.