Der ungewöhnliche Titel dieser Magisterarbeit beinhaltet alle fünf grundlegenden Sinne menschlicher Wahrnehmung, wenn man bereit ist, das Schmecken dem Riechen zu subsumieren. Will der geneigte Leser das Gustatorische als eigenständigen Sinn betrachtet wissen, dann sei darauf verwiesen, daß nach dem zweiten Bild des zweiten Aktes der Oper La Traviata von Giuseppe Verdi, also genau in dem Moment als die Existenz von Alfredos Eklat auf dem Fest von Flora eingefroren wird, ein Gang an das Büffet zu Stärkung und zu Genuß anempfohlen wird. Allerdings reichen cirka 20 Minuten Pause selten um das erhoffte Glas Champagner zu ergattern, zumal wenn man nur die billigen Karten des vierten Rangs sein eigen nennen kann. Dafür kann die Hoffnung auf ein distinguiertes Abendessen nach der
Vorstellung, also nach der Rückkehr der Personen und der Handlung in das Kontinuum der Geschichtlichkeit, oder einfacher: nachdem der rote Vorhang, natürlich nach Stürmen des Applauses, gefallen ist, aufkeimen. Nicht selten kommt es dann vor, daß nach kulturellem Genuß, oder Konsum – je nachdem – der Streß des Arbeitstages dem Gefühl der Erholung Platz machen muß. Dann noch ein gutes Gespräch über die stimmlichen Qualitäten der
Violetta und des Alfredos, natürlich auch über die Inszenierung, das Bühnenbild, die Beleuchtung und man ist sich einig: ein Opernbesuch kann viel mehr Kunstgenuß bieten als der perfekte Pavarotti aus der Retorte. Gerade die kleinen Unsauberkeiten in der Höhe sind ja geradezu die Expertise für das Erleben des Originals. Hat man leider keine Begleitung für den Opernbesuch und das nachfolgende Abendessen, schließlich gelangen Opern nicht morgens um Viertel Zehn zur Aufführung, gefunden, dann schreibt man seine Erlebnisse in einem Brief nieder oder flüchtet sich nach Hause vor den heimischen Fernseher. Dann bleibt aber wenigstens die Erinnerung an eine Opernaufführung und die Erinnerung an die Atmosphäre,
die in der Garderobe herrschte, als alle Operngäste, meist zu zweit, sich eilig auf den Weg machten. Vielleicht war es die Atmosphäre der Einsamkeit, schließlich hüllten sich die meisten Paare in ihr feinstes Tuch. Oder aber es war eine Atmosphäre der Erhabenheit – der Stuck an den Wänden wurde so feinsinnig ausgeleuchtet und man atmete ja pure Geschichte: denn die Skulpturen an der Wand sind aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Synästhesie ein Begriff mit 11 Buchstaben
- Erklärungsmodelle
- Über die Häufigkeit des Auftretens von Synästhesie
- Synästhesie ist (k)eine Krankheit
- Audiovisuelle Wahrnehmung, Synästhesie und Gesamtkunstwerk
- Film, Gesamtkunstwerk und Synästhesie
- Synästhesie, intermodale Analogie und Paradigma
- Audiovisualität
- Die Synmodalästhetik
- Zur Standortbestimmung einer Synmodalästhetik
- Die Ästhetik der Atmosphären
- Subjekt und Objekt in der Atmosphäre
- Subjektiv, Objektiv, Synjektiv
- Synästhet und Synästhetiker
- Die Eigenschaft eines Objekts als dessen Bestimmung
- Die Wahrnehmung der ästhetischen Atmosphären
- Musik und Atmosphäre
- Kommunikative Atmosphären
- Resümee
- Literaturverzeichnis
- Selbstständigkeitserklärung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Rezeption von Kunst, insbesondere von Oper, unter Berücksichtigung aller sinnlichen Wahrnehmungen. Das zentrale Anliegen ist die Entwicklung des Konzepts der "Synmodalästhetik", welches die Rolle der Atmosphäre in der ästhetischen Erfahrung betont.
- Die Rolle der Synästhesie in der Wahrnehmung von Kunst
- Die Bedeutung der Atmosphäre für die ästhetische Erfahrung
- Eine Erweiterung des ästhetischen Verständnisses über den Rahmen werkimmanenter Analysen hinaus
- Die Integration aller Sinne in die ästhetische Rezeption
- Die Anwendung des Konzepts der Synmodalästhetik auf die Oper
Zusammenfassung der Kapitel
Synästhesie ein Begriff mit 11 Buchstaben: Dieses Kapitel führt in das Thema Synästhesie ein, beleuchtet verschiedene Erklärungsmodelle, untersucht die Häufigkeit ihres Auftretens und widerlegt die Annahme, dass Synästhesie eine Krankheit darstellt. Es bildet die Grundlage für die spätere Entwicklung der Synmodalästhetik, indem es die Vielfalt und Komplexität der menschlichen Wahrnehmung betont und die Grenzen traditioneller, auf einzelne Sinne fokussierter Ansätze aufzeigt. Der Bezug zur Oper wird durch die Beschreibung eines Opernbesuchs hergestellt, der die Vielschichtigkeit sinnlicher Eindrücke hervorhebt, welche die Synmodalästhetik erfassen soll.
Audiovisuelle Wahrnehmung, Synästhesie und Gesamtkunstwerk: Dieses Kapitel untersucht den Zusammenhang zwischen audiovisueller Wahrnehmung, Synästhesie und dem Konzept des Gesamtkunstwerks, wobei der Film als Beispiel dient. Es analysiert, wie die Verschmelzung von auditiven und visuellen Reizen, verstärkt durch synästhetische Erfahrungen, zu einem umfassenden ästhetischen Erlebnis beiträgt, das über die Summe seiner Teile hinausgeht. Die intermodale Analogie und das Paradigma werden als relevante Konzepte zur Beschreibung dieser komplexen Interaktionen eingeführt. Der Fokus liegt auf der ganzheitlichen Natur der Wahrnehmung und ihrer Auswirkungen auf die ästhetische Bewertung von Kunstwerken.
Die Synmodalästhetik: In diesem Kapitel wird das zentrale Konzept der Synmodalästhetik eingeführt und seine methodologische Grundlage erläutert. Es wird argumentiert, dass eine umfassende Ästhetik alle Sinne berücksichtigen muss und die Atmosphäre als integraler Bestandteil der ästhetischen Erfahrung verstanden werden sollte. Der Abschnitt positioniert die Synmodalästhetik im Kontext der Geschichte der Ästhetik und heisst die Auflösung traditioneller Kunst- und Formbegriffe durch die Moderne und Postmoderne willkommen. Der technologische Fortschritt und der Wandel von Werten und Normen werden als Ursachen für diese Entwicklungen angeführt.
Die Ästhetik der Atmosphären: Dieser Abschnitt widmet sich ausführlich dem Konzept der Atmosphäre als zentralem Element der Synmodalästhetik. Er differenziert zwischen subjektiven, objektiven und "synjektiven" Aspekten der Atmosphärenwahrnehmung und untersucht die Rolle von Subjekt und Objekt in deren Entstehung. Die unterschiedlichen Arten und Eigenschaften von Atmosphären werden analysiert, wobei der Fokus auf deren Wahrnehmung und Einfluss auf die ästhetische Erfahrung liegt. Die Anwendung dieser Konzepte auf die Musik und die kommunikative Funktion von Atmosphären wird ebenfalls behandelt. Der Abschnitt verbindet die bisherigen Kapitel und veranschaulicht die praktische Relevanz der Synmodalästhetik.
Schlüsselwörter
Synästhesie, Synmodalästhetik, Atmosphäre, Ästhetik, Wahrnehmung, Sinne, Oper, Gesamtkunstwerk, Audiovisuelle Wahrnehmung, Rezeption, Kunst, Kultur.
Häufig gestellte Fragen zur Magisterarbeit: Synmodalästhetik
Was ist das zentrale Thema der Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit entwickelt das Konzept der „Synmodalästhetik“, welches die Rolle der Atmosphäre in der ästhetischen Erfahrung betont und die Rezeption von Kunst, insbesondere Oper, unter Berücksichtigung aller sinnlichen Wahrnehmungen untersucht.
Was ist Synmodalästhetik?
Synmodalästhetik ist ein in dieser Arbeit entwickeltes Konzept einer umfassenden Ästhetik, die alle Sinne berücksichtigt und die Atmosphäre als integralen Bestandteil der ästhetischen Erfahrung versteht. Es geht über traditionell werkimmanente Analysen hinaus und integriert alle Sinne in die ästhetische Rezeption.
Welche Rolle spielt Synästhesie in der Arbeit?
Synästhesie, die Verschmelzung verschiedener Sinneswahrnehmungen, dient als Ausgangspunkt für die Entwicklung der Synmodalästhetik. Die Arbeit untersucht, wie synästhetische Erfahrungen die audiovisuelle Wahrnehmung und die ästhetische Erfahrung im Gesamtkunstwerk beeinflussen.
Welche Bedeutung hat die Atmosphäre in der Synmodalästhetik?
Die Atmosphäre ist das zentrale Element der Synmodalästhetik. Die Arbeit analysiert die subjektiven, objektiven und „synjektiven“ Aspekte der Atmosphärenwahrnehmung und deren Einfluss auf die ästhetische Erfahrung. Die Untersuchung umfasst verschiedene Arten und Eigenschaften von Atmosphären, deren Wahrnehmung und deren Rolle in der Musik und Kommunikation.
Wie wird das Konzept der Synmodalästhetik auf die Oper angewendet?
Die Arbeit untersucht die Rezeption von Oper unter dem Blickwinkel der Synmodalästhetik, wobei die Vielschichtigkeit sinnlicher Eindrücke und die Rolle der Atmosphäre in der ästhetischen Erfahrung hervorgehoben werden. Ein Opernbesuch wird als Beispiel für die Komplexität sinnlicher Eindrücke beschrieben, die die Synmodalästhetik erfassen soll.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zu Synästhesie, audiovisueller Wahrnehmung und Gesamtkunstwerk, der Einführung der Synmodalästhetik, der Ästhetik der Atmosphären sowie einem Resümee, Literaturverzeichnis und einer Selbstständigkeitserklärung. Jedes Kapitel wird in der Zusammenfassung der Kapitel ausführlich beschrieben.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Synästhesie, Synmodalästhetik, Atmosphäre, Ästhetik, Wahrnehmung, Sinne, Oper, Gesamtkunstwerk, Audiovisuelle Wahrnehmung, Rezeption, Kunst, Kultur.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, das Konzept der Synmodalästhetik zu entwickeln und dessen Relevanz für die ästhetische Erfahrung zu demonstrieren. Sie erweitert das ästhetische Verständnis über den Rahmen werkimmanenter Analysen hinaus und integriert alle Sinne in die ästhetische Rezeption.
- Quote paper
- Stephan Aderhold (Author), 2002, Warum sitzt man in Opernhäusern auf gepolsterten Sitzen, riecht Geschichte und hörtsieht Musik? - Gedanken zu einer Synmodalästhetik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17603