Was geschieht, wenn Fotografien eine der Hauptrollen im Film bekleiden? Susan Sontag nennt dies
eine subtile[re] und strenge[re] Methode, Fotos zu bündeln. Sowohl die Reihenfolge als auch die Zeit, die der Betrachter jedem einzelnen Bild widmen soll, ist festgelegt; außerdem erhöhen sich die visuelle Qualität und die emotionale Wirkung, weil die Fotos größer, lesbarer, stärker in den Mittelpunkt gerückt sind.
In seinem Filmessay Bilder der Welt und Inschrift des Krieges von 1988 versucht Harun Fa-rocki sich und die ZuseherInnen der Shoah mit Hilfe solch eines Verfahrens anzunähern. Statt dem Blättern im Geschichtsbuch, wo wir, zumindest innerhalb der aufgeschlagenen Seiten, relativ frei von einem Bild zum andern wandern, wahlweise den dazugehörigen Text lesen oder auch nicht, ergibt sich eine exakt vorgegebene, auch zeitlich eingegrenzte Bildreihenfolge mit Kommentar, was in eins zu setzen ist mit einer bestimmten Perspektive. Auch die technischen Möglichkeiten der Kamera, vor allem der Zoom, werden zur Untermauerung die-ser genutzt. Noch lässt sich anhand der formellen Darlegung kein klarer Unterschied zum konventionellen Dokumentarfilm, welcher nicht selten auf Fotografien zurückgreift, feststel-len. Ein solcher tut sich erst auf, wenn man/frau sich den Blickwinkel, aus dem der Holocaust bei Farocki betrachtet wird bzw. werden soll, verdeutlicht. Denn in der Auswahl der Bilder, der Dauer und Methodik wie sie präsentiert werden und besonders durch ihre Kommentierung erfolgt eine Art Fremdstellung des Blicks.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der fremdgestellte Blick
- Das Auschwitz-Album
- Conclusio
- Quellenverzeichnis
- Bibliografie
- Filmografie
- Internetquelle
- Bildquellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text untersucht Harun Farockis Filmessay "Bilder der Welt und Inschrift des Krieges" und analysiert, wie er historische Fotografien mit filmischen Mitteln verfremdet. Der Fokus liegt dabei auf der Konzeption des "fremdgestellten Blicks" und seiner Bedeutung für die Rezeption des Holocaust im Film.
- Verfremdung von Fotografien im Film
- Der "fremdgestellte Blick" als Konzept der Verfremdung
- Rezeption des Holocaust im Film
- Der Einfluss von Brechts Verfremdungskonzept
- Kracauers Filmästhetik und die Darstellung physischer Realität
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des Films als Mittel zur Verfremdung historischer Fotografien ein und stellt den Film "Bilder der Welt und Inschrift des Krieges" von Harun Farocki vor. Das zweite Kapitel analysiert das Konzept des "fremdgestellten Blicks" und seine Relevanz im Kontext von Brechts Verfremdungstheorie und Kracauers Filmästhetik. Das dritte Kapitel untersucht eine Sequenz aus dem Film, die sich mit dem Auschwitz-Album auseinandersetzt und zeigt, wie Farocki die Fotografien aus einer ungewöhnlichen Perspektive präsentiert.
Schlüsselwörter
Verfremdung, Fotografie, Film, Holocaust, Auschwitz, Harun Farocki, Brecht, Kracauer, "fremdgestellter Blick", Dokumentarfilm, Bildanalyse, Filmästhetik, Rezeption, Geschichtsdarstellung.
- Arbeit zitieren
- Sandra Folie (Autor:in), 2011, Der Film als Mittel zur Verfremdung historischer Fotografien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176036