Die Europäische Union ist trotz der angestoßenen Harmonisierungs-bestrebungen des Steuerrechts noch weit von einer binnenmarktgerechten Besteuerung entfernt. So existiert im Status quo ein Spannungsverhältnis zw. der zunehmenden Internationalisierung unternehmerischer Wirtschaftstätigkeit und der durch das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip gestützten Gestaltungsfreiheit innerstaatlicher Steuergesetzgebungen: „Business goes global, taxes stay local“. Diese Diskrepanz hat sowohl auf der Ebene multinational tätiger Unternehmen als auch auf der Staatenebene verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten und demnach einen Handlungsbedarf zur Folge.
Vorstehendes hat für multinationale Unternehmen dazu geführt, dass sich die internationale Unternehmens- und damit auch Steuerplanung zu einem wichtigen Aspekt und zur gängigen Praxis entwickelt hat. Dementsprechend versucht jedes steuerpflichtige Unternehmen mittels einer „aggressiven Steuerplanung“, seinen relativen Steuerbarwert zu minimieren oder seine KSQ zu optimieren und damit letztendlich die Bezahlung von „Dummensteuern“ zu vermeiden. Hierzu stehen dem Steuerpflichtigen bzw. Steuerplaner eine Vielzahl legaler Möglichkeiten zur Verfügung, mit Hilfe derer er die Struktur seiner Geschäftstätigkeiten i. S. einer möglichst geringen Steuerlast gestalten kann. Dazu zählt insbes. die künstliche Verlagerung von Buchgewinnen in Niedrigsteuerländer, mit der das internationale Steuersatzgefälle zwischen den Staaten ausgenutzt werden kann. Ein bedeutendes Instrument, diese gewünschte Verschiebung zur Nutzung der internationalen Steuerarbitrage herbeizuführen, ist die Abschöpfung der Gewinne aus Hochsteuergebietskörperschaften mittels alternativer, steuersensitiver Finanzierungsentscheidungen. Die Mutmaßung, dass multinational agierende Unternehmen von diesem Kunstgriff, ihre Kapitalstruktur nach den jeweiligen, diversen Steuersystemen auszurichten, tatsächlich Gebrauch nehmen, konnte in der jüngeren Vergangenheit auch empirisch belegt werden. Es darf allerdings nicht darüber hinweggesehen werden, dass steuerlich motivierte Überlegungen i. d. R. nur eine vieler Determinanten bei der Bestimmung der Kapitalstruktur sind und unter diesen nicht generell der dominierende Bezugspunkt sein müssen...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Problemstellung
- Situationsanalyse auf Ebene multinational tätiger Unternehmen
- Situationsanalyse auf Ebene der europäischen Staaten
- Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
- Untersuchungsziel
- Gang der Untersuchung
- Grundlagen der Untersuchung
- Definition und Abgrenzung elementarer Begriffe
- Gesellschafter-Fremdfinanzierung vs. Unterkapitalisierung
- Aggressive Steuerplanung vs. Steuerhinterziehung
- Der homo oeconomicus neoclassicus als Untersuchungsprämisse
- Steuerliche Attraktivität der Unterkapitalisierung
- Finanzierungsfreiheit
- Fehlende Finanzierungsneutralität
- Internationales Steuersatzgefälle
- Niedrigsteuerland vs. Steueroase
- Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung in den EU-Mitgliedstaaten
- Hintergrund und geschichtliche Entwicklung
- Überblick der gegenwärtigen Regelungen
- EU-Mitgliedstaaten ohne Unterkapitalisierungsvorschriften
- EU-Mitgliedstaaten mit allgemeinen steuerlichen Unterkapitalisierungsregeln
- Irland
- Luxemburg
- Österreich
- EU-Mitgliedstaaten mit spezialgesetzlichen steuerlichen Unterkapitalisierungsregeln
- Systematisierung der spezialgesetzl. Unterkapitalisierungsregeln
- Tatbestandskonzepte
- Verschuldungsgrad
- Die Niederlande als Vertreter des globalen Verschuldungsgrads
- Polen als Vertreter des einheitlich-individuellen Verschuldungsgrads
- Portugal als Vertreter des individuellen Verschuldungsgrads
- Ergebnisgrenze
- Bulgarien
- Dänemark
- Deutschland
- Frankreich
- Italien
- Aktivagrenze
- Einfache Aktivagrenze
- Differenzierte Aktivagrenze
- Die Sonderform der Standardverzinsung des Aktivvermögens am Bsp. Dänemark
- Verrechnungspreise
- Rechtsfolgenkonzepte
- Internationale Steuerarbitrage
- Begriffsdefinition
- Faktorenanalyse innerhalb der EU
- Höhe der kombinierten Ertragsteuersätze
- Fallgestaltung 1: Deutsche Muttergesellschaft mit zyprischer Tochtergesellschaft
- Fallgestaltung 2: Zyprische Muttergesellschaft mit deutscher Tochtergesellschaft (unschädliche Fremdfinanzierung)
- Freiheitsgrade der Unterkapitalisierungsregeln
- Sachlicher Anwendungsbereich
- Verschuldungsgrad
- Ergebnisgrenze
- Persönlicher Anwendungsbereich
- Vermeidung potentieller Doppelbesteuerung
- Fallgestaltung 3: Deutsche Muttergesellschaft mit britischer Tochtergesellschaft
- Fallgestaltung 4: Zyprische Muttergesellschaft mit deutscher Tochtergesellschaft (schädliche Fremdfinanzierung)
- Rechtsunsicherheit durch dynamische Gesetzgebungsprozesse
- Zusammenführung der Einzelfaktoren
- Der Steuerstandort Deutschland
- Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit den Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Ländervergleich und den daraus resultierenden Möglichkeiten zur Erzielung internationaler Steuerarbitrage. Sie untersucht die steuerlichen Implikationen der Unterkapitalisierung, die sich durch unterschiedliche Regelungen in den EU-Mitgliedstaaten ergeben, und analysiert die Möglichkeiten zur Gestaltung des Finanzierungsaufbaus von Unternehmen, um Steuervorteile zu generieren.
- Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung in den EU-Mitgliedstaaten
- Identifizierung von Unterschieden in den Unterkapitalisierungsvorschriften und deren Auswirkungen auf Steuerplanungen
- Bewertung der Möglichkeiten zur Steuerarbitrage im europäischen Kontext
- Betrachtung der Herausforderungen und Chancen der Steuerharmonisierung in der EU
- Untersuchung des Steuerstandorts Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, in der die Problemstellung, die Zielsetzung und der Aufbau der Untersuchung vorgestellt werden. Im zweiten Kapitel werden die Grundlagen der Untersuchung erörtert, indem die relevanten Begriffe definiert und die steuerlichen Attraktivitäten der Unterkapitalisierung beleuchtet werden. Das dritte Kapitel analysiert die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung in den EU-Mitgliedstaaten, wobei sowohl allgemeine als auch spezialgesetzliche Unterkapitalisierungsregeln betrachtet werden. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten werden herausgestellt und systematisch dargestellt. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Thematik der internationalen Steuerarbitrage und analysiert die Faktoren, die zur Entstehung von Steuervorteilen durch die Ausnutzung von Rechtsunterschieden führen. Dabei werden verschiedene Fallgestaltungen untersucht, um die Möglichkeiten und Grenzen der Steueroptimierung zu verdeutlichen.
Schlüsselwörter
Gesellschafter-Fremdfinanzierung, Unterkapitalisierung, Steuerarbitrage, internationales Steuersatzgefälle, EU-Mitgliedstaaten, Steuerharmonisierung, Steueroptimierung, Finanzierungsfreiheit, Rechtsunsicherheit, Steuerstandort, homo oeconomicus neoclassicus, Aggressive Steuerplanung, Steuerhinterziehung.
- Arbeit zitieren
- Philipp Adam (Autor:in), 2010, Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Ländervergleich und daraus resultierende Möglichkeiten zur Erzielung internationaler Steuerarbitrage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176248