Handlungsleitende Sinnbilder und darin implizierte Personencharakteristik, anhand der Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von Gottfried Keller


Hausarbeit, 2010

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erstes Sinnbild: Das Puppenmotiv
2.1. Einführung in die Szene
2.2. Personencharakteristik: die Mädchenfigur „Vrenchen“ im Kindesalter
2.3. Personencharakteristik: Sali im Kindesalter
2.4. Deutungen des „Puppenmotivs“

3. Zweites Sinnbild: das „Haus“
3.1. Bedeutung des Dingsymbols „Haus“ in der gesamten Novelle
3.2. Weiterführende Charakterisierung von Vrenchen als junge Erwachsene
3.3. Weiterführende Charakterisierung von Sali im Jugendalter
3.4. Symbolische Bedeutung des „Hauses“ für Vrenchens und Salis Zukunft

4. Schlussteil

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Romeo und Julia auf dem Dorfe“ ist eine von Gottfried Keller verfasste Novelle. Erschienen ist sie in der Novellensammlung „Die Leute von Seldwyla“ und wurde erstmals 1856 veröffentlicht. Sie erzählt die Geschichte des jungen Liebespaares Salomon „Sali“ Manz und Vrenchen Marti, die, auf Grund der verfeindeten Väter und dem fehlenden Rückhalt in der Gesellschaft, schließlich gemeinsam Suizid begehen. Die folgende Ausarbeitung wird sich mit den folgenden Fragestellungen befassen:

Enthält der Text leitende Sinnbilder, die bereits das Ende der Geschichte andeuten?

Geben diese Sinnbilder Aufschluss über die Persönlichkeiten der beiden Hauptfiguren?

Was sagt die Persönlichkeitsstruktur, in Verbindung mit dem jeweiligen Sinnbild, über die Zukunft des Paares aus?

Da die Bildsymbolik in der Novelle sehr ausgeprägt ist, wird nur das „Puppenmotiv“ und das Dingsymbol „Haus“ ausführlich untersucht werden. Weitere Motive, wie zum Beispiel der „Acker“ oder der „schwarze Geiger“, würden den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Die Vorgehensweise wird sich ein wenig unterscheiden. Das Puppenmotiv umfasst eine Szene in der Kindheit, das Symbol „Haus“ zieht sich jedoch durch die gesamte Handlung, vor allem aber durch die Jugend der Beiden. Das gemeinsame Ergebnis sollte jedoch sein, dass sich nach der Analyse der Sinnbilder, die Protagonisten charakterisieren lassen. Außerdem sollte deutlich werden, welche Bedeutung sie im Hinblick auf die Zukunft des Paares haben werden. Zitiert wird dabei hauptsächlich aus folgendem Primärtext:

Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe : mit Materialien / Gottfried Keller. Ausgew. u. eingel. von Peter Haida. -1. Aufl., [Nachdr.] Stuttgart: Klett, 2003.

Sämtliche Zitate aus diesem Text werden mit Klammernotationen kenntlich gemacht, Zitate aus Sekundärliteratur durch Fußnoten am Ende der jeweiligen Seite.

Im Schlussteil soll dann festgestellt werden, ob die Eingangsfragen beantwortet werden konnten und Keller tatsächlich solche Sinnbilder verwendet. Möglicherweise ergibt sich durch die Personencharakteristik außerdem eine Antwort darauf, warum ein junges Liebespaar keinen anderen Ausweg, als den gemeinsamen Freitod sieht.

2. Erstes Sinnbild: Das Puppenmotiv

Nachfolgend wird ein kurzer Überblick über den zu untersuchenden Handlungsabschnitt gegeben. Es folgen die Charakterisierungen der Hauptfiguren und die komplexe Bedeutung des Puppenmotiv für die gesamte Novelle.

2.1. Einführung in die Szene

Sali und Vrenchen sind mit ihren beiden verfeindeten Vätern auf dem „wilden Acker“ (S. 7, Zeile 14). Im Gegensatz zu den beiden Bauern, besteht zwischen den Kindern eine tiefe Einigkeit, sie halten sich an den „verschlungenen Händen“ (S. 7, Zeile 17/18) und genießen „belustigt“ (S. 7, Zeile 17) den Tag.“ Die Liebe von Sali und Vrenchen ist schicksalhaft vorbestimmt[1]“ so scheint es. Doch nur wenige Augenblicke später lassen sich die Kinder nieder. Vrenchen beginnt mit ihrer Puppe zu spielen. Sie kleidet sie an und verwandelt sie in eine „Zauberfrau“ (S.7, Zeile 26). Sali wird das Zusehen schnell langweilig, er beginnt die Puppe mit Steinen abzuwerfen, wodurch Vrenchen sich gezwungen sieht, sie schnell wieder vernünftig herzurichten. Doch Sali ist schneller und entwendet ihr die, noch nackte, Puppe und beginnt sie zu zerstören. Obwohl Vreni zunächst bitterlich weint und Sali sogar mit der misshandelten Puppe schlägt, hilft sie schließlich bei der „Zerstörung und Zerlegung“ (S. 8, Zeile 28). Den Höhepunkt bildet die Beerdigung der Puppe, die die beiden Kleinen zusammen mit einer lebenden Fliege begraben.

2.2. Personencharakteristik: die Mädchenfigur „Vrenchen“ im Kindesalter

Vreni ist in dieser Szene fünf Jahre alt. Sie ist ein hübsches und gesundes „Dirnchen“, dass vor allem durch die „ganz krausen dunklen Haare“ und der „bräunlichen Gesichtsfarbe“ ein „feuriges und treuherziges Ansehen“ bekommt (Vgl. Seite 5). Vrenchen wird sehr liebevoll beschrieben, sie ist die einzige Mädchenfigur in der Novelle, die an der Handlung aktiv beteiligt ist. Obwohl ihre Väter zerstritten sind, verbringt sie die Zeit auf dem Acker gemeinsam mit Sali. Sie verhält sich dabei sehr mädchenhaft, hält Sali an der Hand und sieht den Acker als aufregendes Spielfeld. Obwohl nicht direkt erwähnt wird, dass die Kinder über den Streit der Väter im Bilde sind, wird der Acker als „wild“ und die Wildnis als „merkwürdig“ beschrieben. Das Adjektiv „wild“ umschreibt den „Mangel an zivilisatorischer Ordnung[2]“ und zeigt die offensichtliche Verkommenheit, die in Ansätzen bereits zu erahnen ist. Dementsprechend sieht Vreni „Unkräuter, Stauden und Steinhaufen“.

Vreni scheint das allerdings nicht weiter zu verwundern, so scheint sie längst akzeptiert zu haben, dass auf dem Feld keine harmonischen Zustände herrschen, weder in der Natur, noch im Verhältnis der beiden Bauern Manz und Marti. Vreni könnte somit über eine für ihr alter untypische Reife und Beobachtungsgabe besitzen und dadurch schon als Kind in der Lage sein, die sensiblen empathischen Zusammenhänge zu bemerken. Das zeugt von einer recht hohen Intelligenz, über die das Mädchen zu verfügen scheint. Sie beginnt mit ihrer Puppe zu spielen und kleidet sie an. Aus Blättern bastelt sie „einen schönen grünen und ausgezackten Rock“, womit sie ihre Kreativität, aber auch ihren Sinn und Wunsch nach schönen Dingen darstellt. Denn, dass sie selbst nicht über große materielle Werte verfügt, ist naheliegend. So ist bereits bekannt, dass das Geschäft ihres Vaters nicht mehr genügend Ertrag bringt. Vrenchen scheint aber durchaus mit den wenigen, einfachen Mitteln, mit denen sie ihre Puppe verschönert, zufrieden zu sein. Sie offenbart so ihre Bescheidenheit, im Hinblick auf materiellen Reichtum. Als Sali beginnt, die Puppe zu misshandeln, zeigt Vrenchen offen ihre Gefühle und fängt „laut an zu weinen“ (S. 8, Zeile 19/20). Sie versucht sogar die Puppe vor dem Angreifer, der ja immerhin größer und stärker ist als sie, zu beschützen, indem sie sie in „ihre Schürze hüllt“ (S.8, Zeile 17). Sie zeigt ihren Mut und ihre Unerschütterlichkeit, wenn es darum geht, Dinge zu beschützen, die ihr am Herzen liegen. Als sie dann allerdings feststellt, dass Sali, seine Taten bereut und in ihren Augen Schwäche offenbart, schlägt ihre Bestürzung in Wut um. Sie zeigt, dass sie ebenfalls durchaus zu Grausamkeiten in der Lage ist und beginnt den Jungen mit der Puppe zu schlagen und beteiligt sich an der anschließenden Beerdigung der Puppe, nachdem auch sie Spaß an der systematischen Zerstörung bekommen hat. Dass die Fliege, die die beiden im Kopf der Puppe eingeschlossen haben, lebendig begraben wird, stört Vrenchen zunächst auch nicht weiter. Sie zeigt damit eine kalte Seite, die konträr zu der vorher festgestellten Empfindsamkeit agiert. Erst später wird sie reumütig, rettet die Fliege aber nicht, sondern entfernt sich lieber schnell, verdrängt die Geschehnisse also. Vreni ist insgesamt ein intelligentes, bescheidenes und einfühlsames Mädchen.

Sie zeigt jedoch schon in jungen Jahren, eine gewisse Rücksichtslosigkeit und Entschlossenheit, die sich im Laufe der Jahre noch weiter ausprägen werden.

2.3. Personencharakteristik: Sali im Kindesalter

Anders als Vrenchen, wird Sali eher knapp beschrieben und sehr viel weniger komplex. Man erfährt nur wenige Dinge über sein Äußeres. Auch er hat „sehr hübsche Augen“ (S.6, Zeile 9) und wird als „gesund und munter“ (S.6, Zeile 6/7) bezeichnet. Sali ist zwei Jahre älter als Vrenchen und versucht seine Überlegenheit auf Grund des höheren Alters ihr gegenüber zu zeigen, indem er ihre Puppe regelrecht zerstört. Vrenchen kann nichts anderes machen, als zunächst zu schauen und versuchen sie zurück zu erobern. Sali scheint das Spiel mit dem kleinen Mädchen zu genießen, er „neckte es auf diese Weise eine gute Zeit“ (S.9, Zeile 38/39) und steigert sich immer mehr in die Zerlegung der Puppe hinein, so „ruhte er nicht eher, bis das ganze Bein dürr und leer herabhing“. (S. 8, Zeile 16) und zeigt danach sich betont „frech und gleichgültig“ (S.8, Zeile 16). Diese Fassade bricht jedoch schnell in sich zusammen, als Vreni anfängt zu weinen. Sali empfindet Reue und macht so deutlich klar, dass er über erheblich mehr Sensibilität und Einfühlungsvermögen verfügt, als es zunächst den Anschein hatte. Als Vreni anfängt ihn mit der Puppe zu schlagen, lässt er dieses geduldig geschehen, nur um ihr die Freude zu lassen. Hier wird deutlich, dass er nicht nur über ein mitfühlendes Wesen verfügt, sondern auch, dass Vrenchens Zufriedenheit, ihm mehr am Herzen liegt als die Eigene. Erst als das Mädchen die Initiative ergreift und nun ihrerseits beginnt, sich an der Puppe zu vergehen, steigt er wieder in das Spiel mit ein. Sali scheint also eher ein zurückhaltender Charakter zu sein und agiert erst auf Zeichen der dominanteren Vreni. Trotzdem flammt die „menschliche Grausamkeit“ (S.9, Zeile 16) kurze Zeit später wieder auf. Sali fängt eine Fliege, die er in den entleerten Puppenkopf einsperrt. Die Puppe wird anschließend vergraben, die noch lebendige Fliege mit ihr. Ähnlich wie Vrenchen, empfindet auch er wenig später „einiges Grauen“ und verlässt gemeinsam mit ihr die Begräbnisstätte. Sali ist, im Gegensatz zu Vreni, ein besonnenerer Charakter. Er versucht sich zwar ihr gegenüber zu profilieren, doch sind das nur oberflächliche Handlungen, die ihm ihre Aufmerksamkeit sichern soll. Er ist sensibel, selbstlos und rücksichtsvoll, besonders Vrenchen gegenüber, scheint aber insgesamt der Unterlegende der Beiden zu sein.

[...]


[1] Gottfried Keller, Romane und Erzählungen / hrsg. von Walter Morgenthaler Stuttgart: Reclam, 2007. S.58

[2] Koebner, Thomas: „Gottfried Keller: ,Romeo und Julia auf dem Dorfe‘. Die Recherche nach den Ursachen eines Liebestods“, in: Erzählungen und Novellen des 19. Jahrhunderts, zwei Bände. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1990, Bd. 2, S. 203-234.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Handlungsleitende Sinnbilder und darin implizierte Personencharakteristik, anhand der Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von Gottfried Keller
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
14
Katalognummer
V176514
ISBN (eBook)
9783640978526
ISBN (Buch)
9783640978953
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
handlungsleitende, sinnbilder, personencharakteristik, novelle, julia, dorfe“, gottfried, keller
Arbeit zitieren
Manuela Drews (Autor:in), 2010, Handlungsleitende Sinnbilder und darin implizierte Personencharakteristik, anhand der Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von Gottfried Keller, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176514

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