Die Stimmung Anfang des 20. Jahrhunderts ist geprägt vom Antagonismus. In Folge der zwei Weltkriege und fortschreitender wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Entwicklung, die eine nie zuvor dagewesene Vielfalt an Möglichkeiten offenlegt und bisher gültige Naturgesetze ins Wanken bringt, kündigt sich die Erschütterung eines verbindlichen Weltbildes an. Zunehmender Werteverlust, Depersonalisierung und Realitätsverlust kennzeichnen den Zustand eines „Zu viel“ an Erlebnissen und enden mit dem gesellschaftlichen Zerfall bis hin zu psychoseähnlichem Befinden des Einzelnen.
Kandinsky reagiert auf den überladenen Prunk des Fin de Siècle mit asketisch anmutenden Bildern und dem Versuch die zerbrochenen Elemente der Wirklichkeit zu einem neuen Weltbild zusammen fügen zu wollen. Streng kompositionell ausgerichtete Gemälde, die Reduktion auf das Wesentliche und die Berufung auf das einfühlende Denken -den Intellekt- bilden die Grundpfeiler seiner Theorie von der Abstrakten Kunst. Auch die Werke der Kubisten sind starren Gesetzmäßigkeiten von Horizontalen und Vertikalen unterlegen. Bis André Breton 1924 in seinem surrealistischen Manifest den Psychischen Automatismus als die neue, wegführende Methode und unverzichtbare Inspirationsquelle begründet. André Masson wird wohl der bedeutendste Vertreter dieser Theorie, da er nicht zuletzt auch die gesetzten Grenzen des Surrealismus und „die Sackgasse der schlichten surrealistischen Symbole“ überwindet. Es entstehen organische Formen und Körper, die sich in stetiger Metamorphose zwischen Figuration und Abstraktion befinden. Doch was sind die unterschiedlichen malerischen Herangehensweisen des Automatismus und der Abstraktion, die sich bis in die Gegenwart gehalten haben? Warum entstand das Bedürfnis die „Geometrie“ der Abstrakten zu brechen? In was gehen die beiden Prinzipien konform und was entwickelt sich aus der Theorie des Automatismus? Dies soll hier erörtert werden. Im Mittelpunkt stehen dabei der geschichtliche Hintergrund und die malerisch-technischen Verfahren der beiden Theorien. Die Fragen nach einer Malerei ohne Gegenstand waren jedoch nicht nur die Fragen der Malerei des 20. Jahrhunderts. Denn Kandinsky bemerkt zu Recht, „daß man nie die Möglichkeit haben wird, Malerei ohne Farben und Linien zu machen, daß es aber eine Malerei ohne Gegenstände in unserer Zeit seit langem gebe.“
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Der Antagonismus des 20. Jh. und seine Folgen für die Gesellschaft
- Herkunft der Theorien der Abstrakten Kunst und des Automatismus
- Abstraktion und Automatismus in der Malerei
- Schlussteil
- Quellen / Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Das Seminar analysiert die unterschiedlichen Herangehensweisen der Abstrakten Kunst und des Automatismus in der Malerei. Es untersucht die geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründe dieser beiden Strömungen sowie die malerisch-technischen Verfahren, die sie prägen.
- Der Antagonismus des 20. Jahrhunderts als Ausgangspunkt für die Kunst
- Die Krise des Sinns und die Entleerung traditioneller Werte
- Die Rolle der Abstraktion als Reaktion auf die gesellschaftliche Überladung
- Die Bedeutung des Psychischen Automatismus für die Malerei
- Der Vergleich der beiden Strömungen in Bezug auf ihre malerischen Ansätze und Ergebnisse
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung
Die Einführung skizziert den gesellschaftlichen Kontext der frühen Moderne, der durch Antagonismus, Werteverlust und eine wachsende Verwirrung geprägt ist. Kandinsky wird als ein wichtiger Vertreter der Abstrakten Kunst vorgestellt, dessen Werke als Reaktion auf den überladenen Prunk des Fin de Siècle verstanden werden können. Der Automatismus wird als neue Inspirationsquelle für die Malerei vorgestellt, die den Grenzen des Surrealismus entgegentritt und organische Formen und Körper in stetiger Metamorphose erzeugt.
Der Antagonismus des 20. Jh. und seine Folgen für die Gesellschaft
Dieser Abschnitt beleuchtet die gesellschaftlichen Umbrüche des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die eine tiefe Sprach- und Bewusstseinskrise hervorrufen. Die Bourgeoisie leidet unter dem Verlust traditioneller Werte, die durch die Moderne in Frage gestellt werden. Die Überladung und der Prunk des Fin de Siècle führen zu einer beengenden Situation und einem Gefühl des „Zu viel“. Die anhaltende Ungewissheit stürzt die Menschen in Verzweiflung und führt zu einem Kulturschock. Hofmannsthal kritisiert die Hoffnungslosigkeit der modernen Gesellschaft, während Kubin in seinem Roman „Die andere Seite“ die Verlorenheit und den Verlust der Sprache in einer sinnentleerten Welt thematisiert.
Schlüsselwörter
Abstrakte Kunst, Automatismus, Antagonismus, Werteverlust, Fin de Siècle, Überladung, Kulturschock, Sprachkrise, Bewusstseinskrise, Kandinsky, Breton, Masson, Hofmannsthal, Kubin, Malerei, Technik, Form, Metamorphose
- Arbeit zitieren
- Carolin Piontek (Autor:in), 2011, Abstraktion und Automatismus als unterschiedliche Herangehensweisen der Malerei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176632