Tocotronic gelten gemeinhin als die „angry young men des deutschen Indie-Pop“ und als „Musterknaben“ der sogenannten Hamburger Schule, eine musikalisch-künstlerische Bewegung, die sich durch gesellschaftskritische und diskursiv-reflexive Songtexte
auszeichnet. Tocotronic verbinden in ihren Songtexten Protestbekundungen mit Reflexionen zur Kunst im Allgemeinen, als auch mit Reflexionen zur Popmusik im Speziellen.
Das Forschungsinteresse der hier vorliegenden Arbeit besteht in der literaturwissenschaftlichen Analyse der Songtexte
Tocotronics hinsichtlich der Protestbekundungen und der eingenommenen gegenkulturellen Haltungen auf der einen Seite und der Reflexionen zur Kunst auf der anderen. Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit lautet konkret: Welche Protestbekundungen und gegenkulturelle Haltungen und welche Reflexionen zur Kunst beziehungsweise zur
Popmusik sind in den Songtexten zu finden und durch welche Stilmittel werden diese literarisch produktiv gemacht?
Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen ausgewählte, repräsentative Songtexte der Konzeptalben "Pure Vernunft darf niemals siegen", "Kapitulation" und "Schall und Wahn". Die Arbeitshypothese bezüglich der zu analysierenden Songtexte dieser drei Musikalben lautet, dass die Songtexte Tocotronics nicht dem klassischen Schema eines Protestsongs folgen. Vielmehr ist den Songtexten, beispielsweise mittels der Verwendung von Metaebenen und ironischen Brechungen, eine reflexive und diskursive Eigenheit immanent, welche, um mit einer Textzeile Tocotronics zu sprechen, „Hinein in einen Wald aus Zeichen“ führt. Hinter diesem durchaus semiotisch zu deutenden „Wald aus Zeichen“ verbergen sich ersten Schlussfolgerungen nach unter anderem Reflexionen über die kritischen Artikulationsmöglichkeiten
eines Songs beziehungsweise eines Songtextes. Vor dem Hintergrund
des gescheiterten jugendkulturellen Protests des Grunge und wie sich noch zeigen wird auch der Hamburger Schule, scheinen Tocotronic daran interessiert zu sein, eine neue popmusikalische Form der Kritik, der Dissidenz – neben Liebe beziehungsweise Sex das ureigenste Thema des Rock beziehungsweise Pop – auszuarbeiten und reflexiv auszuhandeln.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Grundlagen zur Songtextanalyse
- 2.1 Zur Problematik der Songtextanalyse in der Literaturwissenschaft
- 2.2 Zum Forschungsstand literaturwissenschaftlicher Songtextanalysen
- 2.2.1 Allgemeiner Forschungsstand
- 2.2.2 Forschungsstand zum Thema
- 2.3 Zur methodischen Vorgehensweise dieser Arbeit
- 3. Analyse ausgewählter Songtexte der Musikgruppe Tocotronic
- 3.1 Analysekontext
- 3.1.1 Der Diskurs-Rock der Hamburger Schule
- 3.1.2 Bandbiographie und Diskographie von Tocotronic (1993-2002)
- 3.1.3 „Für einen Witz sind wir immer zuhaben“: Das performative, selbstironische Bandkonzept
- 3.1.4 Die grundlegende Textcharakteristik: Reflexion, Ironie, Subversion, Intertextualität
- 3.2 Analyse: Pure Vernunft darf niemals siegen (2005)
- 3.2.1 Vorbemerkungen
- 3.2.2 Wider dem Spießbürgertum - „Aber hier leben, Nein Danke“
- 3.2.3 Ein leeres Heilsversprechen? - „Keine Angst für niemand“
- 3.2.4 Stirb, alte Welt! - „Gegen den Strich“
- 3.2.5 Die Leichtigkeit des Seins - „Pure Vernunft darf niemals siegen“
- 3.2.6 Mein System kennt keine Grenzen - „Ich habe Stimmen gehört“
- 3.3 Analyse: Kapitulation (2007)
- 3.3.1 Vorbemerkungen
- 3.3.2 Das tocotronische Manifest
- 3.3.3 Komik ist Tragik in Spiegelschrift - „Mein Ruin“
- 3.3.4 Widerstand ist zwecklos - „Kapitulation“
- 3.3.5 Bartlebys Vermächtnis - „Sag alles ab“
- 3.3.6 Wie war das da bei Dada? - „Luft“
- 3.3.7 Selbstschöpfung und Selbstvernichtung - „Explosion“
- 3.4 Analyse: Schall und Wahn (2010)
- 3.4.1 Vorbemerkungen
- 3.4.2 Zum popmusikalischen Widerstand - „Die Folter endet nie“
- 3.4.3 Vom Tod der Originalität - „Das Blut an meinen Händen“
- 3.4.4 Nur Schall und Rauch? - „Schall und Wahn“
- 3.4.5 Against Interpretation - „Keine Meisterwerke mehr“
- 3.4.6 An alle Außenseiter - „,Stürmt das Schloss“
- 3.4.7 Wahn gewordene Dichtung - „Gesang des Tyrannen“
- 3.4.8 Das bescheidene Regime - „Bitte oszillieren Sie“
- 3.5 Zwischen Protest und Reflexionen zur Kunst - Resultate der Analyse
- 3.1 Analysekontext
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Songtexte der deutschen Band Tocotronic, um die Verbindung von Protest und Reflexionen zur Kunst, insbesondere im Kontext der Popmusik, herauszuarbeiten. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf ausgewählte Songs aus den Alben „Pure Vernunft darf niemals siegen“, „Kapitulation“ und „Schall und Wahn“, die die zentralen Anliegen der Band repräsentieren.
- Analyse der Verbindung von Protest und Reflexion in den Songtexten
- Einordnung der Band in den Kontext der „Hamburger Schule“ und der „Indie-Pop“-Szene
- Interpretation der Songtexte im Hinblick auf ihre Ironie, Subversion und Intertextualität
- Betrachtung der Rolle von Popmusik in der Gesellschaft und ihrer Funktion als Medium für Gesellschaftskritik
- Untersuchung der Bedeutung von Metaebenen und Brechungen in den Songtexten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Hausarbeit ein und stellt die Band Tocotronic und ihre Bedeutung in der deutschen Musikszene vor. Kapitel 2 befasst sich mit den theoretischen Grundlagen der Songtextanalyse und diskutiert die Problematik ihrer Einordnung in die Literaturwissenschaft. Kapitel 3 analysiert ausgewählte Songtexte aus den Alben „Pure Vernunft darf niemals siegen“, „Kapitulation“ und „Schall und Wahn“ und zeigt die Verbindung von Protest und Reflexion in den Texten auf. Der Fokus liegt dabei auf den Themen Ironie, Subversion, Intertextualität und der Rolle von Popmusik in der Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Tocotronic, Songtextanalyse, Hamburger Schule, Indie-Pop, Protest, Reflexion, Kunst, Popmusik, Ironie, Subversion, Intertextualität, Metaebenen, Brechungen, Gesellschaftskritik.
- Arbeit zitieren
- Jonas Kirstein (Autor:in), 2011, „Bitte oszillieren Sie“ – Zwischen Protest und Reflexionen zur Kunst. , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176675