Der Germanistik stellt sich nach Moritz Baßler bei der Analyse von deutschen
Popsongs ein methodisches Problem. Für Baßler ist eine lediglich textimmanente
Interpretation des herkömmlichen deutschen Pop-Songs nicht ausreichend um das
Wesentliche des Werkes zu fassen, da Musik und Text separat betrachtet keine
aussagekräftigen Eigenständigkeiten besitzen. Vielmehr ist die Symbiose aus Musik
und Text, besonders in der Pop-Musik, von enormer Wichtigkeit. Ferner ist der
semiotische Hintergrund von üblicher Popmusik nicht die Hochkultur der literarischen
oder musikalischen Tradition, sondern die Popkultur anglo-amerikanischen Ursprungs.
Baßler zur Folge fand allerdings durch die musikalischen Strömungen des Punk, des
New Wave, der Neuen Deutschen Welle und der Hamburger Schule ein
Paradigmenwechsel statt. Der deutsche, popmusikalische Diskurs pflegte fortan einen
neuartigen Umgang mit den übermächtigen anglo-amerikanischen Vorbildern. Keine
Imitation oder Verabschiedung, sondern ein expliziter und reflektierter Umgang mit den
dominanten Pop-Paradigmen schlägt sich im Zuge der Entwicklung nieder. Diese neue
Identität des deutschen Pop-Songs rechtfertigt eine literaturwissenschaftliche Analyse,
auch ohne dabei tiefer in die Materie des anglo-amerikanischen Popsongs oder der
Musikwissenschaft einzudringen.
Die deutsche Pop-Rock-Band „Tocotronic“ ist neben weiteren Vertretern der
sogenannten Hamburger Schule ein zweckdienliches Beispiel für eine ergiebige,
literaturwissenschaftliche Analyse. „Tocotronic“ intellektualisierten den deutschen Pop-
Song im Verlauf der Bandgeschichte zunehmend. In Folge dessen basiert der
semiotische Hintergrund der Texte neben popkulturellen Verweisen auch auf der
Hochkultur der literarischen und philosophischen Tradition. Weiterhin nähert sich die
Lyrik von „Tocotronic“ aufgrund ihrer selbstreflexiven und intertextuellen Ausrichtung
der Literatur der Postmoderne an und findet betreffs der verwendeten Ironie
Verwandtschaften in der deutschen Pop-Literatur. Schwerpunkt dieser Hausarbeit ist die Analyse ausgewählter und repräsentativer Lyrik
des Musikalbums „Kapitulation“ von „Tocotronic“. Ein besonderes Interesse gilt dabei
der Frage nach einem übergeordneten Konzept. Zu diesem Zweck sollen voranstehend
der Begriff der Hamburger Schule und das von Grund auf ironische Bandkonzept
erläutert werden. Es folgen zwei spezifische Beispiele früherer Song-Lyrik um die
Textbildungsstrategien von „Tocotronic“ einleitend zu beschreiben.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Begriffsklärung „Hamburger Schule“
- 3. Das ironische Bandkonzept
- 4. Frühe Lyrik - zwei Auswahlbeispiele
- 4.1,,Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“
- 4.2,,Let There Be Rock”
- 5. „Kapitulation“
- 5.1 Das tocotronische Manifest
- 5.2 Die Schönheit des Untergangs - „MEIN RUIN“
- 5.3,,Fuck it all\" - Der Titelsong „KAPITULATION“
- 5.4 Ausflug in die Glückseligkeit - „AUS MEINER FESTUNG“
- 5.5 Von Zauberern und Chiffren - „DEIN GEHEIMER NAME“
- 5.6 Bartlebys Nachlass - „SAG ALLES AB“
- 5.7 Die Staubzucht als Kunst -,,LUFT“
- 5.8 „,Kein Wille triumphiert“ - „EXPLOSION“
- 6. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Lyrik des Tocotronic-Albums "Kapitulation" und befasst sich mit dem Konzept der "Kapitulation" als Diskurs in der Popmusik. Das Ziel ist es, die Textbildungsstrategien der Band zu beleuchten und den übergeordneten Kontext der Hamburger Schule zu ergründen.
- Das Konzept der "Kapitulation" in der Lyrik von Tocotronic
- Die Rolle der Hamburger Schule im deutschen Pop-Diskurs
- Die Verbindung von Popkultur und Hochkultur in der Musik von Tocotronic
- Die Verwendung von Ironie und Selbstironie in den Texten
- Die Analyse ausgewählter Lieder aus dem Album "Kapitulation"
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das methodische Problem bei der Analyse deutscher Popsongs dar und führt die Hamburger Schule als Beispiel für einen Paradigmenwechsel im deutschen Pop-Diskurs ein. Das zweite Kapitel erläutert den Begriff der "Hamburger Schule" und ihre Bedeutung für die Entwicklung des deutschen Pop-Songs. Das dritte Kapitel beschreibt das ironische Bandkonzept von Tocotronic und seine verschiedenen Facetten.
Die Kapitel 4.1 und 4.2 analysieren zwei frühe Beispiele von Tocotronic-Lyrik und verdeutlichen die Textbildungsstrategien der Band. Die Kapitel 5.1 bis 5.8 befassen sich mit der Analyse von ausgewählten Liedern aus dem Album "Kapitulation".
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Themenbereiche dieser Hausarbeit sind: Hamburger Schule, Tocotronic, Popmusik, Lyrik, Diskurs, Ironie, Kapitulation, Selbstironie, Jugendkultur, Intellektualität, Textanalyse, Postmoderne.
- Quote paper
- M.A. Jonas Kirstein (Author), 2008, Der Wille zum Nichts als Diskurs in der Popmusik. Tocotronic und das Konzept der „Kapitulation“ (2007), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176722