Während der 1970er Jahre entstand im Hinblick auf die strategische Gewaltanwendung eine umfängliche Literatur, in der bewaffnete Konflikte als wesentlich asymmetrisch beschrieben werden (Münkler 2006). Insbesondere durch die jüngeren Formen des Terrorismus hat der Begriff der Asymmetrie bezüglich der Organisationsstruktur,
Kriegsführung und Gewaltanwendung in den Sozialwissenschaften erneut Konjunktur erfahren. In der Rede des ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten Bill Clinton zur Eröffnungssitzung der 53. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 21. September 1998 wurde diesem Umstand wie folgt Ausdruck verliehen:
„Terrorismus hat in den 1990er Jahren ein neues Gesicht erhalten. Die heutigen Terroristen machen sich die größere Offenheit und die explosionsartigen Entwicklungen in der Informations- und Waffentechnik zunutze. Die neuen Technologien des Terrors
und ihre steigende Verfügbarkeit, gepaart mit einer steigenden Mobilität der Terroristen, schaffen beunruhigende Aussichten in Bezug auf die Verletzbarkeit gegenüber chemischen, biologischen und anderen Anschlägen und bringen so jeden von uns in die
Rolle eines möglichen Opfers. Dies ist eine Bedrohung für die gesamte Menschheit“ (Rinke, Woyke 2004: 92).
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist transnationaler Terrorismus?
3. Begriff und Geschichte der asymmetrischen Gewaltanwendung
3.1 Asymmetrische Gewaltanwendung als strategisches Element im transnationalen Terrorismus
4. Wissenschaftlicher Nutzen des Asymmetriebegriffs oder Etikettierung?
5. Literatur
1. Einleitung
Während der 1970er Jahre entstand im Hinblick auf die strategische Gewaltanwendung eine umfängliche Literatur, in der bewaffnete Konflikte als wesentlich asymmetrisch beschrieben werden (Münkler 2006). Insbesondere durch die jüngeren Formen des Terrorismus hat der Begriff der Asymmetrie bezüglich der Organisationsstruktur, Kriegsführung und Gewaltanwendung in den Sozialwissenschaften erneut Konjunktur erfahren. In der Rede des ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten Bill Clinton zur Eröffnungssitzung der 53. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 21. September 1998 wurde diesem Umstand wie folgt Ausdruck verliehen: „Terrorismus hat in den 1990er Jahren ein neues Gesicht erhalten. Die heutigen Terroristen machen sich die größere Offenheit und die explosionsartigen Entwicklungen in der Informations- und Waffentechnik zunutze. Die neuen Technologien des Terrors und ihre steigende Verfügbarkeit, gepaart mit einer steigenden Mobilität der Terroristen, schaffen beunruhigende Aussichten in Bezug auf die Verletzbarkeit gegenüber chemischen, biologischen und anderen Anschlägen und bringen so jeden von uns in die Rolle eines möglichen Opfers. Dies ist eine Bedrohung für die gesamte Menschheit“ (Rinke, Woyke 2004: 92).
Die asymmetrische Gewalt durch bewaffnete Konfliktparteien, wie sie derzeit im Bezug auf die transnationale Dimension des Terrorismus diskutiert wird, ist jedoch keineswegs ein völlig neues Phänomen. Über einen langen Zeitraum hinweg wurde der Asymmetriebegriff nahezu als Synonym für die Strategien des Partisanen- bzw. Guerillakampfes verwandt (Münkler 2006, Kaldor 2000). Die Geschichte bewaffneter Gewaltanwendung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich als eine sukzessive Herauslösung untergeordneter taktischer Elemente des Gewaltgebrauchs im Rahmen einer genuinen militärischen Strategie begreifen, in der der Asymmetrisierung der Gewalt eine neue Dimension hinsichtlich der Kriegsführung zukommt. Vor dem Hintergrund, dass der Asymmetriebegriff bereits in der Vergangenheit in Verbindung mit anderen militärischen Strategien zur Anwendung kam[1] stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Zuschreibungen der Asymmetrien auf transnationale terroristische Gewaltakte überhaupt zutreffen und welche Erklärungen bzw. Erkenntnisse sich dadurch gewinnen lassen. Anders gefragt: Handelt es sich hierbei um ein bloßes Etikett oder lässt sich darüber hinaus ein wissenschaftlicher Nutzen formulieren? Um dieser Frage nachzugehen ist es zunächst einmal notwendig das hinsichtlich der asymmetrischen Gewaltanwendung zu analysierendes Phänomen des transnationalen Terrorismus näher zu bestimmen (2.). Im Anschluss daran wird die Konnotation des Asymmetriebegriffs sowohl im semantischen als auch im historischen Rahmen dargestellt (3.). Darauf aufbauend wird die asymmetrische Gewaltanwendung im transnationalen Terrorismus zu analysieren und von anderen asymmetrischen Gewaltstrategien (Guerilla-, Partisanenkampf) abzugrenzen sein (3.1). Abschließend wird diskutiert, inwieweit die Begriffszuschreibung der Asymmetrie sinnvoll auf den transnationalen Terrorismus angewendet werden kann und welcher wissenschaftliche Erkenntnisgewinn daraus resultiert (4.).
2. Was ist transnationaler Terrorismus?
Kaum ein anderer Begriff wird variantenreicher und kontroverser definiert als Terrorismus. Eine international einheitliche Definition dessen was Terrorismus eigentlich ist konnte noch nicht gefunden werden. Bevor die transnationale Dimension des Terrorismus insbesondere in der jüngeren Erscheinungsform terroristischer Anschläge erläutert wird, soll hier zunächst einmal auf die Definitionsproblematik eingegangen werden, die sowohl sachlichen als auch machtpolitischen Elemente impliziert. Zu den sachlichen Gründen zählt die Schwierigkeit einer verbindlichen Abgrenzung zu anderen Formen kollektiver Gewalt namentlich dem Partisanenkrieg oder dem Guerillakampf: Terroristen reklamieren häufig für sich selbst Guerilleros zu sein und einen Partisanenkampf zur Befreiung sozialer oder ethnischer Minderheiten zu führen (Münkler 2002: 175). Zudem kann Terrorismus in Kombination mit anderen Formen kollektiver Gewalt auftreten[2].
In der machtpolitische Dimension fungiert Terrorismus als Ausschließungsbegriff: Indem bestimmte Gewalttaten als terroristisch bezeichnet werden, will man ihnen in der Regel jegliche politische Legitimität absprechen. „Den Akteuren wird damit bedeutet, dass ihre Anliegen nicht verhandelbar sind“ (Münkler 2002: 175). Häufig hängt die Sichtweise vom politischen Standpunkt des Betrachters ab. Die Definition, welche Handlungen als terroristisch angesehen werden und welche nicht, ist somit zu einer subjektiven Angelegenheit geworden[3].
Ein möglicher Definitionsvorschlag lautet: „Terrorismus sind planmäßige vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge gegen eine politische Ordnung aus dem Untergrund. Sie sollen allgemeine Unsicherheit und Schrecken, daneben aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft erzeugen“ (Waldmann 1998:11). Andere Autoren wie z.B. Bruce Hoffmann betonen die politische Dimension von Terrorismus: „Terrorismus ist […] seiner ganzen Natur nach eine politische Angelegenheit. Es geht dabei unvermeidlich um Macht: Um das Streben nach Macht, den Erwerb von Macht und den Gebrauch von Macht zur Durchsetzung politischen Wandels“ (Hoffmann 1998:15)[4].
Einigkeit herrscht unter den Autoren bezüglich der schockierenden Wirkung terroristischer Anschläge: „Terroristische Aktionen setzten sich gezielt über die jeweils geltenden rechtlichen und moralischen Konventionen hinweg und zeichnen sich durch besondere Unmenschlichkeit, Brutalität und Willkür[5] aus“ (Waldmann 1998: 11). Daraus folgt, dass Terrorismus immer gewalttätig ist. Denn in der Regel wird Terrorismus mit einer Ideologie begründet, die der angegriffenen Gesellschaft entgegensteht und mit friedlichen Mitteln nicht durchsetzbar sei[6]. Der eigentliche Zerstörungseffekt ist dabei uninteressant und ist nur das Mittel, um vielen Menschen etwas mitzuteilen. Terrorismus gilt als typische Form des low-intensity-war, da die Aktionen- um die „schockierende“ Wirkung nicht zu relativieren- keiner inflationären Mehrung bedürfen (Waldmann 1998).
Aus soziologischer sowie politikwissenschaftlicher Sicht stellt der transnationale Terrorismus keine eigenständige Form des Terrorismus dar. Er speist sich aus drei Basisformen: dem sozialrevolutionären, ethnisch-nationalistischen und religiösen Terrorismus. Mangels eigener Qualität hängt die weitere Entwicklung der Transnationalisierung terroristischer Aktionen davon ab, ob die drei Basisformen eher schrumpfen oder expandieren werden (Thamm 2002).
[...]
[1] Beispiele für asymmetrische Gewaltanwendung sind u. a. antikolonialistische Kriege (Befreiung- bzw. Unabhängigkeitskriege), der Vietnamkrieg, der Afghanistan-Krieg (2001/2002) und Irak-Krieg der USA, die Kriege Russlands in Tschetschenien oder die palästinensische Intifada.
[2] Terroristische Anschläge können beispielsweise den Auftakt zu einem Guerillafeldzug bilden oder auch dessen Ausklang markieren.
[3] Wobei die jeweils zugrunde gelegte Definition respektive Charakteristik die Prioritäten und Interessen der jeweiligen staatlichen Behörenden reflektiert.
[4] Staatsterrorismus ist in dieser Definition nicht mit enthalten, da es sich hierbei nicht um eine bestimmte Art gewaltsamen Vorgehens gegen eine politische Ordnung handelt; staatliche Machteliten können zwar ein Terror-Regime errichten, aber gegenüber der eigenen Bevölkerung keine terroristische Strategie verfolgen.
[5] Die Wahl der Opfer erfolgt dabei zumeist nach dem Zufallsprinzip, ohne sie persönlich zu hassen.
[6] Bsp.: Fundamentalismus, Extremismus
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