Mit diesem Text wird ein Kapitel aufgeschlagen, das bis in die Biografie der Autorin hineinreicht. Das Geschehen verlagert sich daher in einen Bereich, der zunehmend autobiografische Anteile umfasst. Dies geschieht jedoch sehr verhalten und ohne
Namensnennungen. Die Großmutter der Autorin wird lediglich als "Schriftstellerin" bezeichnet, und die Autorin spricht von sich selbst als "Enkelin". Die Figuren erhalten weiche Konturen und werden auf einige markante Merkmale reduziert, so dass sie nicht scharf und plastisch abgebildet werden. Das Geschehen scheint sich hinter einem halbdurchsichtigen Vorhang abzuspielen, der hin und wieder Einblicke in ausgewählte Bereiche der Familiengeschichte gewährt und anderes eher verhüllt, so dass der Leser aufgefordert ist, seine Eindrücke zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen, das letztlich aber nur ausschnitthaft bleibt. Daher werden hier einige Hintergrundinformationen zu den wichtigsten Gestalten eingefügt, die vielleicht zur Erhellung beitragen können.
Jenny Erpenbecks Großmutter, die "Schriftstellerin" Hedda Zinner, wird am 20.05.1905 in Lemberg (Ukraine) geboren. Wegen ihrer jüdischen Mutter und ihrer "kupferroten Haare" (119) wird sie in ihrer Kindheit von ihren Mitschülern gehänselt. 1928 heiratet sie den deutschen Schriftsteller und Publizisten Fritz Erpenbeck, der
seit 1927 Mitglied der KPD ist. Ab 1929 lebt sie in Berlin, wird ebenfalls KPD-Mitglied und schreibt Gedichte. 1933 emigriert sie zunächst nach Wien, dann nach Prag und schließlich, 1935, in die Sowjetunion. Dort arbeitet sie als Hörspielautorin für den
Moskauer Rundfunk.
Am 29.04.1942 wird ihr Sohn John, der zukünftige Vater Jenny Erpenbecks, in Ufa, Baschkirien, geboren. Die Familie bleibt bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion und kehrt 1945 nach Berlin zurück, wo sie im östlichen Teil der Stadt lebt. Hedda Erpenbeck-Zinner arbeitet als Schriftstellerin und beim Rundfunk bis zu ihrem Tode am 04.07 1994 in Berlin.
Inhaltsverzeichnis
- Die Schriftstellerin (113 - 124)
- Die Besucherin (128 - 139)
- Der Unterpächter (143 - 155)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Text analysiert Jenny Erpenbecks Roman „Heimsuchung“ und beleuchtet insbesondere die Darstellung von Familiengeschichten und die Verknüpfung mit der Biografie der Autorin. Der Fokus liegt auf der Erforschung der individuellen Lebensgeschichten und der Auswirkungen historischer und gesellschaftlicher Entwicklungen auf die Protagonisten.
- Die Bedeutung von Familiengeschichten und ihre Verbindung zu biografischen Erfahrungen
- Die Auswirkungen von Krieg, Flucht und Vertreibung auf die Identitätsfindung
- Die Suche nach Heimat und Zugehörigkeit im Kontext von sozialer und politischer Umwälzungen
- Die Herausforderungen des Alterns und der Entwurzelung
- Die Problematik von Beziehungen und ihre Entwicklung in unterschiedlichen Lebensabschnitten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Schriftstellerin (113 - 124)
Dieses Kapitel beschreibt die Zeit Anfang der Siebziger Jahre, als Jenny Erpenbecks Familie (Großeltern, Eltern und sie selbst) im Haus am See in der DDR lebt. Der Fokus liegt auf der Figur der Großmutter, Hedda Zinner, einer Schriftstellerin, die als überzeugte Kommunistin mit den veränderten politischen Verhältnissen in der DDR kämpft. Die Idylle der Familienszene steht im Kontrast zu den politischen Realitäten und den persönlichen Herausforderungen, denen die Familie begegnet.
Die Besucherin (128 - 139)
Die „Besucherin“ ist Jenny Erpenbecks Urgroßmutter aus Ostpreußen. Das Kapitel beleuchtet ihre Lebensgeschichte, geprägt von Flucht und Vertreibung, und ihren Kampf mit der neuen Umgebung in der DDR. Sie fühlt sich nicht zur Familie zugehörig und erblickt das Leben in der DDR mit Resignation und Skepsis, da es im Kontrast zu ihrem bäuerlichen Hintergrund in Ostpreußen steht.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Themenbereiche des Textes umfassen Familiengeschichte, Biografie, Krieg, Flucht, Vertreibung, Heimat, Identitätsfindung, Alter, Entwurzelung, Beziehungen, politische und gesellschaftliche Verhältnisse in der DDR und die Suche nach Zugehörigkeit.
- Arbeit zitieren
- Hans-Georg Wendland (Autor:in), 2011, Jenny Erpenbecks Roman "Heimsuchung" - Eine kritische Untersuchung -Teil III, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176819