Am Ende des 19. Jahrhunderts formte sich im Nahen und Mittleren Osten eine Welle von verschiedenen Bewegungen, die sich gegen den imperialistischen Westen auflehnten und nach Unabhängigkeit strebten. Diese Bewegungen waren der säkulare Nationalismus, der panarabische Nationalismus und letztlich der Panislamismus. Unter der osmanischen Herrschaft waren diese Begriffe für viele Menschen fremd. Es handelte sich hierbei um einen Vielvölkerstaat, in dem die Herkunft und die Kultur gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielte. Doch nach und nach wurde das Reich instabiler. Noch vor dem ersten Weltkrieg formierte sich eine nationalistische Reformbewegung mit dem Namen „Jungtürken“ (bpb Jungtürken). Das Reich wurde von den Autonomieforderungen der verschiedenen Nationalitäten bedroht aus denen es sich zusammensetzte. Infolge dessen stürzten die Jungtürken den damaligen Sultan Abdülhamid II. und führten eine Nationalisierungspolitik (bpb, Jungtürken).
Als das Osmanische Reich 1918 unter der Kontrolle der Alliierten stand, organisierte Mustafa Kemal Pascha von Zentralanatolien aus den „türkischen Befreiungskampf“. Am 29.Oktober 1923 wurde letztendlich die türkische Republik gegründet. Es war ein historisches Ereignis, da Mustafa Kemal Atatürk aus der Türkei das erste republikanische und laizistische muslimische Land gemacht hat (bpb, Atatürk). Die frühen Reformen des ersten türkischen Präsidenten stellten einen großen Umbruch des politischen und gesellschaftlichen Systems dar. Atatürk wollte die Türkei in der Moderne verankern und war deshalb stark für eine Westorientierung.
Aus diesem Grund sah er im Islam ein Hindernis in diesem Vorhaben. Die Religion wurde zurückgedrängt und unter staatlicher Kontrolle gestellt. Diese Maßnahmen wurden gegen den Willen der Bevölkerung durchgeführt und sollten die national-türkische Identität schaffen und stärken. Dies blieb nicht ohne Folgen. Es bildete sich eine islamische Gegenbewegung, die sich gegen die kemalistische Elite und deren Reformen auflehnte. Bis heute sehen die Kemalisten in den islamischen Gruppen den größten Feind für das Projekt der modernen Türkei. Doch seit 2002 ist die religiös-konservative Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) an der Macht, die trotz der andauernden Kritik und Vorwürfe seitens der Kemalisten den bis dato größten Schritt Richtung Europa gemacht hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffserläuterung
- Historische Entwicklung des Islamismus und Nationalismus im Nahen und Mittleren Osten
- Islam in der frühen Republik
- Der politische Islam
- Post-Islamisten oder Islamisten? Die Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung und dem Einfluss des Islamismus in der Türkei. Dabei werden die historischen Wurzeln des Islamismus und des Nationalismus im Nahen und Mittleren Osten beleuchtet, um die türkische Situation besser zu verstehen. Der Fokus liegt insbesondere auf der Rolle des Islamismus in der modernen Türkei, speziell im Hinblick auf die Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) und deren Einfluss auf die EU-Beitrittsverhandlungen.
- Entwicklung des Islamismus und Nationalismus im Nahen und Mittleren Osten
- Der Einfluss des Kemalismus auf die türkische Gesellschaft
- Die Rolle der Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) in der Türkei
- Die Beziehung zwischen Islamismus und Europäischer Union
- Der Konflikt zwischen Kemalisten und Islamisten in der Türkei
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung bietet einen Überblick über die Entstehung von verschiedenen Bewegungen im Nahen und Mittleren Osten, die sich gegen den imperialistischen Westen richteten. Es wird die Rolle des Kemalismus in der Türkei und die Entstehung einer islamischen Gegenbewegung erläutert.
- Im Kapitel „Begriffserläuterung“ werden die zentralen Begriffe des Kemalismus und des Islamismus erläutert. Es werden die sechs Pfeiler des Kemalismus, sowie die Geschichte und die Ziele des Islamismus und des Panislamismus erklärt.
- Das Kapitel „Historische Entwicklung des Islamismus und Nationalismus im Nahen und Mittleren Osten“ beleuchtet die unterschiedlichen Ebenen der politischen Einheit im Nahen und Mittleren Osten: Säkularer Nationalismus, Panarabischer Nationalismus und Panislamismus. Die Entwicklung des Panislamismus unter Jamal al-Din al-Afghani und die panarabische Ideologie unter Michel Aflaq werden dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Islamismus, Nationalismus, Kemalismus, Panislamismus, Panarabismus, Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP), Türkei, Europäische Union und dem Verhältnis von Religion und Politik.
- Quote paper
- Tayfun Aydin (Author), 2010, Die islamistische Bewegung in der Türkei – Ist die türkische Republik von Islamisten gefährdet? , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177048