Erziehung im Nationalsozialismus


Vordiplomarbeit, 2003

25 Seiten, Note: 2.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Pädagogische Theorien im NS-Staat
2.1 Hitlers Erziehungsvorstellungen
2.2 Ernst Krieck und sein völkischer Erziehungsstaat
2.3 Alfred Baeumler und seine politische Pädagogik

3. Schule im Dritten Reich
3.1 Die Vereinheitlichung des Schulsystems
3.2 Die Umerziehung der Lehrer
3.3 Neue Lehrpläne und Richtlinien

4. Die Hitler Jugend
4.1 Entwicklung und Struktur der Hitler Jugend
4.2 Funktion und Maßnahmen der Hitler Jugend
4.3 Der Bund Deutscher Mädel

5. Schlussbetrachtung

1. Einleitung

Während der Zeit des Dritten Reiches hatte die Erziehung einen unglaublich hohen Stellenwert, denn die Jugend war die Zukunft des deutschen Volkes, und diese galt es zu formen.

„Der Staat ist ein Erziehungsstaat geworden, wie der Führer durch die Schöpfung seines Reiches die Kraft eines Volkes in einem einzigen politischen Wollen, in einer einzigen, alle durchdringenden Weltanschauung zusammenfasst und damit wieder große und sinnvolle Erziehung möglich machte.“ (Steinhaus, 1981, 50).

Die Erziehungsfrage stand im Mittelpunkt des innenpolitischen Geschehens und wurde politisiert, man wollte kritiklose Gefolgsleute „züchten“ und gleichzeitig die NS-Elite fördern. Um dies durchzusetzen nutzte man die Perspektivlosigkeit des deutschen Volkes, hervorgerufen durch die Wirtschaftsrezession und die darauf folgende Massenarbeitslosigkeit. Nach der Machtergreifung im Jahre 1933 besaß die NSDAP die Erziehungshoheit in Deutschland.

Hitler formulierte seine Pädagogik kurz nach der Machtergreifung folgendermaßen:

„Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden. In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene Jugend will ich. Schmerzen muss sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und nichts zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muss erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. Ich werde sie in allen Leibesübungen ausbilden lassen. Ich will eine athletische Jugend. Das ist das erste und wichtigste. So merze ich die tausende von Jahren der menschlichen Domestikation aus. So habe ich das reine, edle Material der Natur vor mir. So kann ich das Neue schaffen. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend.“ (Rauschning, 1940, 213 f.; zit. aus Blankertz, 1982, 274).

Der Sinn aller deutschen Erziehung war demnach das deutsche Volk, seine Größe, sein Leben und seine Veredelung. Die Familie galt als Keimzelle des deutschen Volkes, hatte jedoch, wie sich im Verlaufe der nationalsozialistischen Herrschaft zeigen sollte, keine tragende Rolle im Erziehungsgeschehen. Der Dienst im „Bund Deutscher Mädel“ oder der „Hitler Jugend“ galt als bedeutsamste Sozialisationsinstanz neben Schule und Familie. In diesen Institutionen zeigen sich die geschlechtsspezifischen Erziehungsprämissen deutlich. In der vorliegenden Arbeit möchte ich die Erziehungsziele der Nationalsozialisten und die Methoden mit denen sie durchgesetzt wurden aufzeigen. Anschließend werde ich mich mit den verschiedenen Sozialisationsinstanzen, Schule, HJ und BDM, und ihrer jeweiligen Bedeutung für die Erziehung befassen. Die Betrachtung der Rolle der Familie in der Pädagogik des Dritten Reiches habe ich ausgeklammert, da sie meiner Ansicht nach keine tragende Rolle im Erziehungsgeschehen gespielt hat, damit möchte ich herausstellen inwiefern die Erziehung verstaatlicht und verzweckt wurde.

2. Pädagogische Theorien im NS-Staat

Die Erziehung spielte eine große Rolle im NS-Staat, man sprach sogar von einer Revolution der Erziehung. Doch zur Zeit der Machtergreifung lag noch kein konkretes Konzept zur nationalsozialistischen Pädagogik vor, lediglich Hitlers Vorstellungen aus seinem Werk „Mein Kampf“ dienten als Grundlage. Die Aussage Hitlers, erst müsse man die Macht haben, dann werde man weitersehen, war auch auf den Bereich Schule und Erziehung gerichtet. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung war in der Erziehungswissenschaft ein Vakuum entstanden, bzw. herrschte große Unsicherheit, wie es weitergehen sollte. Ernst Krieck und Alfred Baeumler fühlten sich dazu berufen, dieses erziehungstheoretische Vakuum zu füllen. Sie versuchten beide, unabhängig voneinander, eine originär nationalsozialistische Erziehungswissenschaft zu entwickeln, bzw. ihre eigenen Konzepte mit der Programmatik der NSDAP und Hitlers Vorstellungen zu vereinen. Durch ihre Arbeit konnten sie Einfluss nehmen auf die Implementierung einer neuen gesellschaftlichen Aufgabe der Erziehung. Im Nationalsozialismus gab es kein wirkliches Konzept für ein Erziehungsprogramm, die Eingriffe in das Erziehungssystem hingen eng mit den wechselnden machtpolitischen Interessen zusammen. Zunächst waren während der Zeit der Machtergreifung noch Ansätze einer sozialrevolutionären Erziehung auszumachen, doch in der Periode der Machtkonsolidierung und Kriegsvorbereitung dominierte der Wille zu lückenloser Erfassung, Kontrolle und politischer Instrumentalisierung der gesamten Generation. In diesem Kapitel möchte ich mich mit den drei pädagogischen Chefideologen befassen, die mit ihren Schriften, Aussagen und Standpunkten die Erziehung im Nationalsozialismus entscheidend geprägt haben. Beginnen möchte ich dabei mit dem wohl einflussreichsten dieser Männer, Adolf Hitler.

2.1 Hitlers Erziehungsvorstellungen

„Was früher vorübergehend zwei Jahre lang eine Schulung der Nation war, um dann im Leben und durch die politische Tätigkeit der Parteien wieder verloren zu gehen, das wird jetzt treuen Händen übergeben und aufbewahrt werden für das deutsche Volk. Dann wird sich erst der Kreis der Erziehung unseres Volkes schließen. Der Knabe, er wird eintreten in das Jungvolk, und der Pimpf er wird kommen zur Hitlerjugend, und der Junge der Hitlerjugend, er wird dann einrücken in die SA, in die SS und die anderen Verbände, und die SA-Männer und die SS-Männer werden eines Tages einrücken zum Arbeitsdienst und von dort zur Armee; und der Soldat des Volkes wird zurückkehren wieder in die Organisationen der Bewegung, der Partei, in die SA und SS, und niemals mehr wird unser Volk dann so verkommen, wie es einst leider verkommen war!“ (Domarus, 1965, 723; zit. aus Steinhaus, 1981, 48).

Dieses Zitat Hitlers zeigt, dass die traditionelle Zuordnung des Begriffes Erziehung zu den Lebensphasen Kindheit und Jugend aufgehoben wurde. Das Leben im Dritten Reich war eine nicht abreißende Erziehungskette, die die Erwachsenen nicht ausschloss, sondern impliziert, dass jeder als erziehungsbedürftig und lebenslang unmündig galt. Durch die Erziehung bezweckte man die totale Beeinflussung des Volkes, man sollte zu einem überzeugten Nationalsozialisten heranwachsen. Die Frage der weiblichen Erziehung schloss Hitler aus seinen Überlegungen weitgehend aus, von größerer Bedeutung war für ihn die Erziehung der Jungen. Die Mädchen mussten in ihrer Erziehung auf ihre spätere Rolle als Mutter vorbereitet werden, dies geschah unter anderem in der Schule und vor allem im „Bund Deutscher Mädel“ (vgl. Lingelbach, 1987, 31).

Hitler legte eine klare Rangfolge seiner Erziehungsziele fest. An erster Stelle stand im Gegensatz zur Bildung das Heranzüchten kerngesunder Körper (ebd., 29). Der Staat muss die Erziehung so einteilen, dass die jungen Körper schon in frühester Kindheit zweckentsprechend behandelt werden und die notwendige Stählung für das spätere Leben erhalten (vgl. Lingelbach, 1987, 29). Besonders begeistert war Hitler vom Boxsport, denn er fördere den Angriffsgeist, die Entschlusskraft und stähle den Körper. Er sah in diesem Sport ein probates Mittel für die Jungen Schläge ertragen zu lernen (vgl. Giesecke, 1993, 23)

Die körperliche Ertüchtigung war nicht Sache des Einzelnen, sondern eine Forderung der Selbsterhaltung des gesamten Volkes (ebd.,23). Das Ziel der Leibeserziehung war nicht die physische Ergänzung des Entwicklungsvorganges, sondern vielmehr die Vorbildung für den späteren Heeresdienst, die letzte und höchste Stufe vaterländischer Erziehung (vgl. Steinhaus, 1981, 69).

Erst in zweiter Linie sollten die geistig-seelischen Fähigkeiten ausgebildet werden, die Betonung hierbei lag auf der Charaktererziehung, die Hitler im wesentlichen als Förderung der Willens- und Entschlusskraft auffasste, verbunden mit der Erziehung zur „Verantwortungsfreudigkeit“ (Lingelbach, 1987, 29). Tugenden, die seiner Meinung nach zu fördern waren, sind Treue, Opferbereitschaft und Verschwiegenheit. Diese Eigenschaften sollen unter anderem in der Schule anerzogen werden, denn sie seien wichtiger als andere Dinge, die in den Lehrplänen vorgesehen waren (vgl.Giesecke, 1993, 23). Hitler war der Annahme, dass die wesentlichen Charaktermerkmale genetisch bedingt seien.

„...Der geborene Verbrecher wird Verbrecher sein und bleiben; aber zahlreiche Menschen, bei denen bloß eine gewisse Hinneigung zum Verbrecherischen vorhanden ist, können durch richtige Erziehung noch zu wertvollen Gliedern der Volksgemeinschaft werden; während umgekehrt durch schlechte Erziehung aus schwankenden Charakteren wirklich schlechte Elemente werden können.“ (Steinhaus, 1981, 71 f.).

Die Charaktererziehung sollte folgende Eigenschaften fördern und anerziehen: Gehorsam, Treue, Opferwilligkeit, Verschwiegenheit, völkisches Selbstbewusstsein, Verzicht auf Wehleidigkeit, Verantwortungsfreude sowie Willens- und Entschlusskraft (ebd., 72). Selbstvertrauen muss schon von frühester Kindheit her anerzogen werden, die gesamte Erziehung soll darauf ausgerichtet sein, dass man den Glauben hat anderen, insbesondere anderen „Rassen“, gegenüber überlegen zu sein (vgl. Lingelbach, 1987, 31). Die moralische Charaktererziehung wird völlig ausgeklammert, die Charakterbildung ist lediglich eine Fortsetzung der körperlichen Ertüchtigung, beide haben zum Ziel einen gesunden Soldaten hervorzubringen.

Erst an dritter und letzter Stelle sah Hitler die wissenschaftliche Schulung (ebd., 29). Seiner Meinung nach war die Schule zu sehr auf das bloße Eintrichtern von Wissen zugeschnitten, dieses Wissen sei zu 95% überflüssig und werde daher auch wieder vergessen (ebd.). Man solle lieber ein allgemeines in großen Zügen gehaltenes Wissen vermitteln, welches als Grundlage für das spätere Leben dienen soll.

Der Staat hat die Verpflichtung aus dem gesamten Volk das von Natur aus befähigste Material auszusieben und dieses für den Dienst an der Allgemeinheit zu nutzen (vgl. Lingelbach, 1987, 30). In dieser Aussage zeigt sich der von Hitler vertretene sozialdarwinistischer Ansatz ganz deutlich, der Stärkere ist grundsätzlich der Höherwertige. Er überträgt hierbei die Theorie von Darwin, die sich ausschließlich auf Pflanzen und Tiere bezieht, auf den Menschen und ging davon aus, dass es eine natürliche Auslese im Kampf ums Dasein gebe, bei der sich die rassisch wertvollste durchsetzt (ebd., 27).

Der Lehrplan der Schulen wurde zu Gunsten der Ausbildung des Körpers, des Charakters und der Willens- und Entschlusskraft verändert, doch dazu später.

Adolf Hitlers Erziehungsvorstellungen müssen zweifellos vor ihren biologisch-rassistischen Hintergrund betrachtet werden, durch die intensive ideologische Beeinflussung soll das rassische Ziel der Erziehung erreicht werden. Sinn aller deutschen Erziehung war das deutsche Volk, seine Größe, sein Leben und seine rassische Veredelung. Die erste Aufgabe des Staates ist demnach den rassisch wertvollsten Kern des Volkes und seine Fruchtbarkeit zu steigern. Erziehen heißt also die besten rassischen Elemente zu entwickeln, die Tatsache, dass jemand einer anderen „Rasse“ angehört, schloss ihn aus der sogenannten Volksgemeinschaft von vorneherein aus (vgl. Giesecke, 1993, 25).

Bereits in „Mein Kampf“ nennt Hitler als wesentliches Merkmal der nationalsozialistischen Jugend ihre „rassische Qualität“ und ihr „Rassebewusstsein“, beides mache sie zum „wertvollen Glied“ für eine spätere Weitervermehrung (vgl. Keim, 2001, 7). Dementsprechend hatte die Indoktrination der rassischen Prinzipien oberste Priorität in allen Erziehungsinstanzen des Dritten Reiches.

Nachfolgend befasse ich mich mit den Ansätzen der Pädagogik Ernst Kriecks, ich werde nur die Richtung seiner Erziehungstheorie aufzeigen, im Rahmen dieser Arbeit wäre es ansonsten zu umfangreich.

2.2 Ernst Krieck und sein völkischer Erziehungsstaat

Krieck wurde 1882 geboren, er besuchte die Realschule und ließ sich danach zum Lehrer ausbilden. Er stammte aus einer bürgerlichen Familie und konnte aus finanziellen Gründen nicht studieren, daher war dies die einzige Möglichkeit für eine höhere Ausbildung. Im Alter von 18 Jahren war er bereits Junglehrer, bis 1928 war er Volkschullehrer. In diesem Beruf fühlte er sich jedoch unterfordert, daher bildete er sich fort und publizierte für den Deutschen Lehrerverein. In seinen Veröffentlichungen beschäftigte er sich vornehmlich mit den Fragen der Konfessionalität und Chancengleichheit in Volksschulen.

Kriecks Hauptanliegen war politischer Natur, durch eine Aufarbeitung der deutschen Geschichte versuchte er die „Eigenart der Deutschen“ aufzuzeigen und dementsprechende Vorschläge für die Neuformierung von Volk und Staat zu entwickeln.

Im Jahre 1922 erschien sein pädagogisches Hauptwerk „Philosophie der Erziehung“, seine Thesen waren für die damalige Zeit ungewöhnlich, denn er vertrat die Ansicht, dass die intentionale Erziehung einzelner Personen, wie beispielsweise von Eltern und Lehrern, nicht die Entscheidende sei, sondern vielmehr die funktionale Erziehung der sozialen Gemeinschaft. Dadurch werden keine Individuen geformt, es entstehen Typen, die nach einem kollektiven Leitbild geprägt sind, d.h. von den Sitten und Normen der jeweiligen Gesellschaft beeinflusst (vgl. Giesecke, 1993, 35; Lingelbach, 1987, 73). Die funktionale Erziehung ereignet sich nach Krieck in drei Schichten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Erziehung im Nationalsozialismus
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Pädagogik)
Note
2.3
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V17705
ISBN (eBook)
9783638222044
ISBN (Buch)
9783638691192
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erziehung, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Mareike Speck (Autor:in), 2003, Erziehung im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17705

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