Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung
2. Kreativität und Innovation
2.1 Einführung – „Innovate or evaporate“
2.2 Kreativitätsbegriff
2.3 Rahmenbedingungen und Barrieren für Kreativität
2.4 Ist Kreativität erlernbar?
2.5 Erweiterung des Kreativitätsbegriffs zum Innovationsbegriff
2.6 Innovationsgleichung
2.7 Kreativität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit
3. Der kreative Problemlösungsprozess
3.1 Kreatives Problemlösen
3.2 Divergentes und konvergentes Denken
3.3 Aufnahme der Kreativität in den Problemlösungsprozess
4. Kreative Problemlösungstechniken
4.1 Umweltanalyse
4.2 Problemerkennung
4.3 Problemidentifikation / -bestimmung
4.4 Festlegung von Annahmen
4.5 Generierung von Alternativen / Problemlösungen (Einzelpersonen)
4.6 Generierung von Alternativen / Problemlösungen (Gruppen)
4.7 Bewertung und Auswahl von Alternativen
4.8 Implementierung
4.9 Kontrolle
5. Anwendung der Techniken
6. Kritische Würdigung
Literaturverzeichnis
1. Problemstellung
In der Einleitung des Buches spricht der Autor von vielen Veränderungen, die sich in den letzten Jahren in der Wirtschaft und der Gesellschaft ereignet haben und nach wie vor geschehen. Zu diesen Veränderungen zählt er neben dem drastischen Anstieg und Stärke der Wettbewerber und verkürztes Time-to-market neuer Technologien auch die instabilen Marktbedingungen und das Verhalten der Unternehmer gegenüber der globalen Erwärmung. Alle diese Ereignisse basieren darauf, dass das gesamte wirtschaftliche Umfeld immer komplexer wird und Veränderungen sich in einer immer schneller werdenden Geschwindigkeit ereignen.
Wenn man von der Vielzahl der Veränderungen liest, so würde in jedem Leser zunächst die Meinung aufkommen, dass der Autor von erstzunehmenden Problemen spricht. Ein Problem ist bekanntlich eine Aufgabe, deren Lösung mit Schwierigkeiten verbunden ist und für die befriedigende Zielsituation ein Hindernis ist.[1] Doch der Autor sieht die Veränderungen nicht als ein Problem, sondern als eine Herausforderung. Higgins sieht sie nämlich nicht von ihrer negativen Seite als Tatsache eines bestehenden Problems, sondern von ihrer positiven Seite als außergewöhnliche Aufgaben, deren Lösung ein angenehmes Gefühl wie Eifer, Aufregung und Hochstimmung auslöst. Denn wenn eine Aufgabe als Herausforderung angesehen wird, kann durch diese auch eine befriedigende Zielsituation erreicht werden. Ein Unternehmen, das das verstanden hat, wird auch in der Lage sein, den stetigen Veränderungen zu begegnen und Probleme aufs Neue lösen zu können.
Den genannten Herausforderungen begegnen viele Unternehmen, indem sie die Gelegenheit der kreativen Problemlösung und Innovation verstärkt ergreifen. Der Schlüssel für die effiziente Nutzung der Kreativität, liegt nach Higgins in der methodischen Erlernung von Kreativitätstechniken.
Der Autor hat sich der kreativen Problemlösung angenommen und ein umfassendes Werk über verschiedene Techniken des Problemlösungsprozesses geschrieben. Dieses Buch beschreibt neben den Grundlagen des kreativen Problemlösungsmodells 101 Techniken für die Entfaltung von individueller und gruppenbezogener Kreativität, wobei das eigentliche Lösen des Problems bzw. Generierung von Alternativen zur Problemlösung im Vordergrund steht. Damit können nicht nur Führungskräfte und Manager, sondern auch Mitarbeiter ihren Arbeitserfolg und die Gruppenleistung verbessern.
2. Kreativität und Innovation
2.1 Einführung – „Innovate or evaporate“
Als Ansatzpunkt für Kreativität und Innovation bezeichnet Higgins einige zukünftige strategische Herausforderungen, vor denen Unternehmensorganisationen stehen werden. Beispiele hier für sind kürzere Zyklen, zunehmender Wettbewerb, das Fortschreiten der Globalisierung, neue Technologien, instabile Marktbedingungen oder wachsende Anforderungen der Stakeholder. Neben diesen grundlegenden Herausforderungen ist weiterhin auch noch das Tagesgeschäft zu bewältigen.
Als Hauptmöglichkeit, sich diesen Herausforderungen erfolgreich zu stellen, werden Kreativität und Innovation angesehen. Der von Higgins propagierte Slogan „Innovate or evaporate“[2] bringt dies auf den Punkt.[3]
2.2 Kreativitätsbegriff
Der Begriff „Kreativität“ leitet sich vom lateinischem Wort creare ab, das mit (er)schaffen bzw. hervorbringen, aber auch mit erzeugen übersetzt werden kann.[4] Er ist seit Jahren in aller Munde und wird mit einer Vielzahl von Dingen, Ereignissen und Verhaltensweisen assoziiert. Sowohl Zeichnungen von Kindergartenkindern als auch Darwins Evolutionstheorie werden als kreativ bezeichnet.[5] Laut Simon existieren über 400 verschiedene Definitionen des Kreativitätsbegriffs. Er bestätigt auch die Meinung des amerikanischen Forschers Ausubel, der Kreativität für „eine[n] der vagsten, mehrdeutigsten und verwirrendsten Begriffe der modernen Psychologie“ hält.[6] Brodbeck geht sogar so weit, dass Kreativität seiner Ansicht nach eigentlich nicht positiv definiert werden kann.[7] Für ihn existiert nur eine vorläufige Definition: „Kreativität ist die Hervorbringung von etwas Neuen, das auf irgendeine Weise wertvoll ist“.[8] Weiterhin vertritt er die Meinung, dass der Begriff Kreativität auch im persönlichen Sinn verwendet werden kann, nämlich wenn eine Person zum ersten Mal nur für sich etwas entdeckt bzw. probiert.[9] Diese Begriffsbeschreibung, wie sie in Brodbecks vorläufiger Definition genannt wird, ist in der Literatur häufig zu finden[10], und auch Higgins definiert Kreativität als etwas Neues und Werthaltiges. Für ihn ist Kreativität sowohl ein Prozess, als auch eine Fähigkeit.[11]
2.3 Rahmenbedingungen und Barrieren für Kreativität
Um Kreativität und damit auch sinnvolle Problemlösungen hervorzubringen, ist es notwendig, ein entsprechendes Umfeld zu schaffen. Die Teilnehmer des Masterstudiengangs „Innovation im Mittelstand“ an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt haben u.a. folgende Rahmenbedingungen für das „Kreativ-sein“ erarbeitet: Offenheit, Ambiente, Möglichkeit des Abschaltens, Konzentration, Freiheit, einen Auslöser.[12] Wichtig ist auch, aus der Alltags-Routine auszubrechen. In Unternehmen sollten den Mitarbeitern eine gewissen Zeit für kreative Aufgaben, entsprechende Arbeitsräume und vielfältige Weiterbildungs- und Änderungsprogramme (z.B. Austauschprogramme, Job-Rotation, Vorträge) zur Verfügung stehen. Weiterhin ist an das Bestimmen von Verantwortlichen für das Thema „Neue Ideen“ sowie an besondere Kreativitätsgruppen zu denken. Nicht zu vergessen ist auch eine entsprechende Organisationskultur, in der Kreativität wahrgenommen und anerkannt wird.[13] Bei der Anwendung von Kreativitätstechniken ist es von entscheidender Bedeutung, dass bei kreativen Vorgängen zunächst einmal auf eine Bewertung verzichtet wird.[14]
Leider sind, sowohl bei Organisationen als auch bei Einzelpersonen, Kreativitätsbarrieren zu beobachten. Die o.g. Teilnehmer des Masterstudiengangs erarbeiten bspw. folgende Aspekte: Bewertung, Starrsinn, eingefahrene Denkweisen, Zwänge, Druck, fehlende Ressourcen.[15] Diese Punkte werden durch Mencke noch ergänzt. Er nennt zusätzlich das Erwarten des Scheiterns, negative Gefühle, „Killerphrasen“, vorschnelle Urteile und blinden Aktionismus als Beispiele für solche Barrieren.[16] Ein großes Kreativitätshemmnis ist auch der alleinige Einsatz von konvergentem Denken, also der Lösungssuche nach analytischem und systematischem Vorgehen. Wichtig ist jedoch auch der Einsatz von divergentem Denken, wodurch der Lösungshorizont erheblich erweitert wird.[17] De Bono verwendet statt dem Begriff „divergentes Denken“ den Ausdruck „laterales Denken“.[18] Einen weiteren Ansatz zum Thema „Barrieren der Kreativität“ bietet Spinola, der die folgenden sechs Hemmnisse identifiziert: die einzig richtige Antwort, die eingebildete Restriktion / Annahme, die Suche nach der erwarteten Antwort, die Unfähigkeit, selbstverständliche Dinge zu hinterfragen bzw. in Frage zu stellen, die Freude am sofortigen Einwand sowie die Angst der Menschen, sich lächerlich zu machen.[19]
2.4 Ist Kreativität erlernbar?
Im Hinblick auf die Möglichkeit des Erlernens von Kreativität gibt es zwei wesentliche Ansätze. Die sog. „Genie-Theorie“ sieht Kreativität als Tätigkeit besonders talentierter und begabter Menschen, wobei diese auch vererbt werden kann.[20] Nach diesem Ansatz ist Kreativität also nicht erlernbar.[21]
Der andere Ansatz, die sog. „Computer-Theorie“ geht hingegen davon aus, dass sich Kreativität technisch herstellen lässt und dass es keine speziellen schöpferischen Fähigkeiten von Menschen gibt.[22] Hier wird propagiert, dass es Prozesse gibt, die Kreativität hervorrufen.[23] Dieser Ansicht folgt auch Higgins, der Kreativität in den Problemlösungsprozess einführt.[24] Autoren, die dem Ansatz der „Computer-Theorie“ folgen, propagieren, dass Kreativität erlernbar ist und dass jeder Mensch kreativ sein kann. Mencke nennt hierfür drei Voraussetzungen: Man muss kreativ sein wollen und dürfen sowie das notwendige Können besitzen.[25]
Brodbeck sieht beide Ansätze als zweifaches Missverständnis an und propagiert, dass „Kreativität [... ] – wenn auch sicherlich nach Art und Inhalt sehr stark differenziert – bei allen Menschen vorhanden“[26] ist. Er versteht kreatives Lernen als das Erlernen von Fertigkeiten sowie deren Veränderungen und stellt fest, dass Kreativität in diesem Sinne durchaus erlernbar ist.[27]
2.5 Erweiterung des Kreativitätsbegriffs zum Innovationsbegriff
Auch zum Begriff „Innovation“ gibt es zahlreiche Definitionen. Simon empfiehlt, sich am Aspekt der Neuheit in technischer oder organisatorischer Hinsicht zu orientieren.[28] Brodbeck geht sogar so weit, „Innovation“ und „technischen Fortschritt“ nur als in der Wirtschaft gebräuchlichen Namen für den Begriff „Kreativität“ zu bezeichnen.[29] In betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern hingegen wird oft auf die ökonomischen Aspekte von Produkten und Dienstleistungen bzw. Problemlösungen abgezielt. Vahs bspw. definiert Innovation als „erstmalige wirtschaftliche Anwendung einer neuen Problemlösung“.[30]
Bei Higgins wird der Kreativitätsbegriff zur Definition der „Innovation“ hergenommen. Für ihn ist eine Innovation etwas Kreatives mit einem signifikanten Wert für eine Organisation. Jedoch weist auch er auf den ökonomischen Hintergrund von Innovationen hin, nämlich dass Innovation als der Prozess beschrieben werden kann, etwas Kreatives durch erfolgreiche Anwendung profitabel zu machen. Wie auch andere Autoren[31] bezeichnet Higgins Kreativität als Sprungbrett für Innovationen.[32]
2.6 Innovationsgleichung
Nach Higgins ist es das ultimative wirtschaftliche Ziel von Kreativität, Innovationen hervorzubringen. Zum besseren Verständnis hat er die sog. „Innovationsgleichung“ aufgestellt, die das Verhältnis von Kreativität und Innovation besser beschreiben soll. Sie lautet:[33]
In Worten ausgedrückt bedeutet dies: Kreativität (K), in einer innovationsfördernden Organisationskultur (IOK), unterstützt durch gesellschaftliches Umfeld (GU), führt zu Innovation (I). Wichtige Aspekte zu jedem Faktor sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aspekte der Innovationsgleichung
Quelle: angelehnt an Higgins (2006), S. 8, Ü.d.A.
Zu erwähnen ist noch dass die einzelnen Faktoren multiplikativ miteinander verbunden sind. D.h. wenn bei einer Organisation jeder Faktor nur zur Hälfte ausgeprägt ist, beträgt seine Innovationsfähigkeit nur noch 1/8.[34]
2.7 Kreativität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit
Basis für den Wettbewerb von Unternehmen sind die relative Differenzierung sowie der relative Kostenvorteil der eigenen Produkte gegenüber denen der Konkurrenz. Nach dem Wettbewerbsmodell von Hall sind die Produktmargen umso höher, je höher die relative Differenzierung und je niedriger die relativen Kosten sind. Weiterhin nennt Higgins noch die folgenden Ergebnisse verschiedener Studien:
- Die Fähigkeit, kreativ und innovativ zu sein sichert das Überleben und den langfristigen Erfolg von Unternehmen.
- Hoch innovative Unternehmen haben tendenziell einen besseren Shareholder Value, ein höheres Wachstum und eine bessere Rendite.
- Eine innovative Organisationskultur führt zu einer hohen Zufriedenheit der Mitarbeiter.[35]
[...]
[1] http://de.wikipedia.org (31.05.2009, 23:27).
[2] Higgins (2006), S. 3.
[3] Vgl. Higgins (2006), S. 2-3, Ü.d.A.
[4] Vgl. Schröder (2008), S. 10 und Kasper; Emlein (2003), S. 20.
[5] Vgl. Schuler/Görlich (2007), S. 1.
[6] Vgl. Simon (1999), S. 59.
[7] Vgl. Brodbeck (2000), S. 188.
[8] Brodbeck (1998a), in: Brodbeck (1998b) o.S.
[9] Vgl. Brodbeck (1998a), in: Brodbeck (1998b) o.S.
[10] Vgl. z.B. Schuler; Görlich (2007), S. 105 und Schröder (2008), S. 10.
[11] Vgl. Higgins (2006), S. 4 sowie S. 6, Ü.d.A.
[12] Vgl. Streit (2009), o.S.
[13] Vgl. Mencke (2006), S. 17 und S. 36-37.
[14] Vgl. Brodbeck (1998a), in: Brodbeck (1998b) o.S.
[15] Vgl. Streit (2009), o.S.
[16] Vgl. Mencke (2006), S. 26-27.
[17] Vgl. Schröder (2008), S. 10-11.
[18] Vgl. de Bono (1995), S. 71 ff.
[19] Vgl. Spinola (1997), S. 8.
[20] Vgl. Schuler; Görlich (2007), S. 10 ff.
[21] Vgl. Brodbeck (1998a), in: Brodbeck (1998b) o.S.
[22] Vgl. Scheiper (2009), o.S.
[23] Vgl. z.B. Mencke (2006), S. 11-12 und Schuler; Görlich (2007), S. 28 ff.
[24] Vgl. Higgins (2006), S. 34-36, Ü.d.A.
[25] Vgl. Mencke (2006), S. 25.
[26] Brodbeck (1998a), in: Brodbeck (1998b) o.S.
[27] Vgl. Brodbeck (1998a), in: Brodbeck (1998b) o.S.
[28] Vgl. Simon (1999), S. 170.
[29] Vgl. Brodbeck (1998a), in: Brodbeck (1998b), o.S.
[30] Vahs (1999), in: Pepels (1999), S. 181.
[31] Vgl. z.B. Simon (1999), S. 171.
[32] Vgl. Higgins (2006), S. 4 und S. 6, Ü.d.A.
[33] Higgins (2006), S. 8, Ü.d.A.
[34] Vgl. Higgins (2006), S. 7-8, Ü.d.A.
[35] Vgl. Higgins (2006), S. 14-16, Ü.d.A.