Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Diagnosekriterien nach Petermann
2.1 Definition der Trennungsangst
2.2 Diagnosekriterien nach DSM-III-R
3. Auseinandersetzung mit den Entstehungsprozessen der Trennungsangst
3.1 Ätiologiemodell nach Federer
3.2 Ätiologiemodell nach Petermann: Lernprozesse als Ursache sozialer Angst
3.3 Ätiologiemodell nach Zlotovicz: Elterliches Verhalten als Ursache kindlicher Trennungsangst
4. Therapie- und Interventionsmöglichkeiten
4.1 Kompakte Trainings nach Petermann
4.1.1 Einzelsitzungen nach Petermann
4.1.2 Gruppensitzungen nach Petermann
4.1.3 Mitarbeit der Eltern
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„“Weil sie manchmal Sachen sagen, wozu sie imstande wären...uns zum Beispiel ins Internat zu schicken“ (Junge, 11 Jahre)“1
In dieser Aussage eines 11-jährigen Jungen findet sich eine mögliche Ursache für die Trennungsangst. Betrachtet man den Satz genau, so könnte man folgende Aussage machen: Das Kind versteht sich als Objekt, das dem Handeln der Eltern schutzlos ausgeliefert ist. In diesem Fall bezieht sich das Handeln der Eltern auf die Androhung, die Kinder ins Internat zu schicken. Aus welcher Motivation heraus die Eltern diese Androhung aussprechen, sei für den Moment dahingestellt. Das Kind jedoch macht die Erfahrung, dass es jederzeit von seinen Eltern getrennt werden könnte. Eine mögliche Trennung wird also gezielt eingesetzt, um bei dem Kind eine Angst hervorzurufen. Die Angst, dass es bei unpassendem Verhalten von zu Hause weg muss.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, sich unter Einbeziehung der Autoren Federer2 Petermann3 und Zlotovicz4 mit den Entstehungsprozessen der Trennungsangst auseinanderzusetzen. Im Anschluss hieran sollen ursachenbezogene Interventionsmöglichkeiten aufgezeigt und kritisch überprüft werden. Der Verfasser dieser Arbeit stellt zudem folgende These auf:
„ Die maßgebliche Ursache für die Entstehung der kindlichen Trennungsangst sind in erster Linie nicht Trennungserfahrungen, sondern Aussagen von nahestehenden Personen die eine Trennungsangst entweder forcieren oder ungewollt hervorrufen “.
Im Anschluss an diese Arbeit sollen in einem abschließenden Fazit die vorgeschlagenen Interventionsmöglichkeiten auf ihre Anwendbarkeit sowie die vom Verfasser dieser Arbeit aufgestellte These auf ihre Haltbarkeit hin überprüft werden.
2. Diagnosekriterien nach Petermann
Vor der Auseinandersetzung mit den Entstehungsprozessen der Trennungsangst sollte eine kurze Definition sowie eine Einordnung nach DSM-III-R5 6 vorgenommen werden.
2.1 Definition der Trennungsangst
Unter Trennungsangst versteht man eine massive Angst vor einer bevorstehenden Trennung von der Bezugsperson. Diese Angst muss jedoch über einen Zeitraum von zwei Wochen anhalten, um als Trennungsangst eingeordnet werden zu können. Des Weiteren ist die Angst vor etwas Neuem festzustellen. Das Kind hat z.B. Angst vor Freizeiten oder sonstigen Aktivitäten, die es über einen längeren Zeitraum von seinen Eltern trennt. Ist das Kind über längere Zeit alleine in einem Raum, so können ebenfalls Ängste entstehen. Bei bevorstehender oder bereits vollzogener Trennung treten zudem „psychophysiologische Reaktionen“7 wie Bauch- und Kopfschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen ein.
2.2 Diagnosekriterien nach DSM-III-R
DSM-III-R legt neun Merkmale für die Trennungsangst fest, von denen mindestens drei erfüllt sein müssen8. Hier sollen drei Kriterien genannt werden, die für den Focus der Arbeit von Bedeutung sind9:
- Unrealistische und andauernde Besorgnis darüber, dass nahestehende Bezugspersonen Schaden nehmen oder sie fortgehen und nicht mehr wiederkommen könnten
- Unrealistische und andauernde Besorgnis darüber, dass unvorhersehbar das Kind von einer nahestehenden Bezugsperson getrennt wird
- Wiederholte Albträume bezüglich Trennung
3. Auseinandersetzung mit den Entstehungsprozessen der Trennungsangst
Im folgenden Teil sollen drei verschiedene Ätiologiemodelle für die Trennungsangst vorgestellt und kritisch überprüft werden. Diese Ätiologiemodelle bilden die Grundlage für die im Anschluss an diesen Teil folgenden Interventionsmöglichkeiten. Da es sich bei der Therapie der Trennungsangst immer um Ursachenbezogene Interventionsmöglichkeiten handelt, ist es fundamental sich im Vorfeld mit diesen auseinanderzusetzen.
3.1 Ätiologiemodell nach Federer
Matthias Federer untersucht in seiner Abhandlung10 mögliche Zusammenhänge von Agoraphobie und Trennungsangst und befasst sich in einem weiteren Schritt mit möglichen Ursachen der Trennungsangst. Die von Matthias Federer durchgeführte Studie untersuchte 826 Kinder, von denen 230 für eine diagnostische Einzeluntersuchung ausgewählt wurden. Die Studie ergab für Angststörungen eine Prävalenz von 9,5 %, von denen 2,8 % an Trennungsangst und 2,5 % an einer spezifischen Phobie in agoraphobischen Situationen litten. Die Abhandlung von Matthias Federer befasst sich im Hinblick auf die oben angeführten Prävalenzen mit drei zentralen Fragen:
- Bestehen Zusammenhänge zwischen Trennungsangst und Agoraphobie?
- Handelt es sich bei der Trennungsangst um einen prädisponierenden Faktor der Panikstörung?
- Leiden Kinder, die in einer aktuellen Trennungssituation leben, häufiger unter Trennungsangst oder Agoraphobie als andere Kinder?
Die Untersuchung von 32 Panikpatienten ergab, dass die Hälfte bereits in der Kindheit unter Trennungsangst litt, die nach einer realen Trennungserfahrung einsetzte.
[...]
1 Zitiert nach Zlotovicz, Michel: Warum haben Kinder Angst?, Stuttgart 1983, S. 65
2 Federer, Matthias: Panik, Agoraphobie und Trennungsangst bei Achtjährigen (Die Dresdner KinderAngst-Studie), Zürich 2000
3 Petermann, Ulrike: Training mit sozial unsicheren Vor- und Grundschulkindern. In: Franz Petermann (Hg.), Kinderverhaltenstherapie, Hohengehren 1997
4 Zlotovicz, Michel: Warum haben Kinder Angst?, Stuttgart 1983
5 Vgl. Petermann, Ulrike: Training mit sozial unsicheren Vor- und Grundschulkindern. In: Franz Petermann (Hg.), Kinderverhaltenstherapie, Hohengehren 1997, S. 245
6 Vgl. ebd., S. 245
7 Ebd., S. 245
8 Hier besteht eine Diskrepanz zu DSM IV, welches acht Kriterien vorlegt, von denen mindestens drei erfüllt sein müssen
9 Ebd., S. 245
10 Federer, Matthias: Panik, Agoraphobie und Trennungsangst bei Achtjährigen (Die Dresdner KinderAngst-Studie), Zürich 2000