Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Quellenlage
a) Diokletianische Beispiele
2.1 Interpretation von De Caesaribus, 39, 4 - 5
2.2 Interpretation von Res Gestae, 15. 5, 18
b) Vordiokletianische Beispiele
2.3 Interpretation von Histoire Romaine, 58. 11, 2
2.4 Interpretation von Regnum post Marcum, 3. 11, 8
3. Darstellung der Position Andreas Alföldis
4. Darstellung der Position H. Sterns
5. Darstellung der Position W. T. Averys
6. Schlussbemerkung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„woraus ich, so weit meine Einsicht reicht, die Überzeugung schöpfe, dass immer die Niedrigsten, besonders wenn sie eine hohe Stufe der Macht erstiegen haben, in Stolz und Ehrfurcht alles Maß überschreiten.“
AURELIUS VICTOR, De Caesaribus, XXXIX, 5.
Das obige Zitat, dass uns von Aurelius Victor überliefert ist, bezieht sich auf die Regierungszeit Diokletians. Welches Ereignis könnte ihn zu dieser Aussage gebracht haben? Gemäß Aurelius Victor - und anderen Zeitzeugen, auf die später noch eingegangen werden soll - war Diokletian der erste Kaiser „seit Caligula und Domitianus [...] der sich öffentlich „Herr“ nennen und wie eine Gottheit verehren und anreden ließ“.1
Diesen Vorgang bezeichnet man als Proskynese. Für die Forschung gilt dieser Vorgang jedoch nicht als gesichert. Ein Teil der Forschung (namentlich A. Alföldi) sieht den Ursprung der Proskynese bereits früher. In „Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche“2 legt Andreas Alföldi Belege für seine These umfassend und schlüssig dar. Andere Vertreter der Forschung (namentlich H. Stern3 und W. T. Avery4 ) sehen in der Argumentation Alföldis jedoch Mängel; sie glauben diese durch entsprechende Gegenbeispiele entkräftet zu haben.
Diese Arbeit soll anhand ausgewählter Quellen versuchen die Argumentationsstruktur der oben genannten Forscher nachzuvollziehen und ggf. zu ergänzen.
Folgende These stellt der Verfasser dieser Arbeit außerdem auf:
„Diokletian war der erste Kaiser nach Caligula und Dominitian der die Proskynese offiziell (ein-)forderte (request5 ). Der Vorgang der Proskynese - auf freiwilliger Basis - fand jedoch fand schon vor Diokletian statt. Insofern kann nicht gesagt werden, dass
Diokletian der erste Kaiser war, der sich hat adorieren lassen“.
Am Schluss dieser Arbeit soll ein Fazit stehen, in dem die Haltbarkeit der hier augestellten These sowie der ausgewählten Forschungspositionen überprüft werden soll.
2. Quellenlage
Über den Vorgang der Einführung der Proskynese liegen Quellen von den zeitgenössischen Autoren Aurelius Victor6, Ammianus Marcellinus7 sowie Eutropius8 vor. Des Weiteren berichtet Eusebius von Caesarea in der „Chronik der Hyronimus“9 in einer kurzen Passage von diesem Vorgang. Diese Arbeit soll sich jedoch auf den Vergleich der hier genannten Autoren beschränken. Die vordiokletianischen Beispiele beziehen sich - A. Alföldi folgend - auf Cassius Dio10 sowie Herodian11.
a) Die diokletianischen Beispiele
2.1 Interpretation von De Caesaribus, 39, 4 - 5
Folgender Quellenabschnitt ist hinsichtlich der Einführung der Proskynese relevant:
„Denn er (AnmerkungDZ Diokletian) war seit Caligula und Domitianus wieder der Erste, der sich öffentlich „Herr“ nennen und wie eine Gottheit verehren und anreden ließ; woraus ich, soweit meine Einsicht reicht, die Überzeugung schöpfe, das immer die Niedrigsten, besonders wenn sie eine hohe Stufe der Macht erstiegen haben, in Stolz und Ehrfurcht alles Maß überschreiten“12
Es ist zunächst wichtig, diesen Abschnitt im Kontext zu betrachten. Zuvor schildert Aurelius Victor die Ermordung des Aper („Das Verbrechen wurde lange Zeit verheimlicht, da der Leichnam wie ein Kranker, dessen Augen nicht vom Winde belästigt werden sollen, in eine Sänfte eingeschlossen getragen wurde“, 38, 8). Hierauf folgt in Kapitel 39 die Vorstellung des Valerius Diocletianus mit folgenden Worten:
„Als aber durch den Geruch der in Fäulnis übergehender Glieder entdeckt war, [wurde auf den Rath der Heerführer und Kriegsobersten Valerius Diocletianus], der Befehlshaber der Haustruppen, jener Weisheit wegen zum Kaiser erwählt *...+“13 Diese Stelle macht den Eindruck, als wolle Aurelius Victor einen Zusammenhang zwischen der Ermordung Apers und der Erhebung Diokletians zum Kaiser herstellen.
Des weiteren deutet 39, 3 auf eine Diokletian gegenüber ablehnende Haltung hin („Ist nun schon dies ein Zeichen von aufgeblasener [...] Gesinnung, die sich über den Bürger erheben will, so ist es doch nur geringfügig gegen das Übrige.“, 39, 3).
Die gesamte Darstellung Diokletians wirkt aufgrund der oben angegebenen Textstellen stark tendenziös. Es scheint daher zweifelhaft, ob die Angabe über die Einführung der Proskynese durch Diokletian auch den historischen Tatsachen entspricht. Die Quelle als einzigen Beweis für die Einführung der Proskynese anzusehen erscheint daher wenig sinnvoll und nicht angebracht.
2.2 Interpretation von Res Gestae, 15. 5, 18
Ammianus Marcellinus schildert:
„Diokletian hatte als erster Kaiser nach ausländischer Königssitte die adoratio (Anmerkung: Proskynese) eingeführt, während die Herrscher zuvor, wie wir gelesen haben, stets so wie Richter (AnmerkungDZ Salutatio) begrüßt wurden.“14
Amminaus Marcellinus schildert die Einführung der adoratio in einem konkreten Bezugsrahmen15. Er beschreibt den Empfang des Zeremonienmeisters Ursicinus durch Constantinus. Ursicinus wird „der kaiserliche Purpur (Anmerkung: Durch Constatius) viel huldreicher als zuvor zum Kusse dargeboten“16. Bei dem geschilderten Vorgang handelt es sich um eine adoration also um Proskynese17. Die Begriffe adoratio und salutatio werden hier erstmals gegenübergestellt. Hieraus wird deutlich, dass es vor Diokletian eine andere Begrüßungsgeste, die salutatio, gegeben hat (hierauf soll später noch eingegangen werden). Hier ist konkret von einer Einführung der adoratio die Rede.
Da der Quellenabschnitt keine tendenziösen Stellen aufweist, kann davon ausgegangen werden, dass er den historischen Tatsachen entspricht. Er kann daher als Beleg für die Einführung der adoratio durch Diokletian herangezogen werden.
b) Die vordiokletianischen Beispiele
2.3 Interpretation von Histoire Romaine, 58. 11, 2
Cassius Dio berichtet über Seianus (1-4 n. Chr. - 31. n. Chr.), den Befehlshaber der Pretorianer unter Kaiser Tiberius18: „*...+ den sie am Morgen alle wie ein *höheres Wesen] zum Senatsgebäude geleitet hatten, den schleppten sie jetzt wie den schlechtesten Kerl ins Gefängnis, und den sie zuvor zahlreicher Kränze für würdig erachtet hatten, legten sie jetzt in Fessel. [...] ihm, den sie mit purpurumsäumter Toga geschmückt hatten, versetzten sie Schläge ins Gesicht; ihn, dem sie huldigten19 und [gleich einem Gotte opferten], führten sie jetzt zur Hinrichtung weg.“20 Um diese Stelle in einen Kontext einordnen zu können, ist es angebracht sich mit dem Leben des Seianus auseinander zusetzen.
Seianus wurde nach dem Regierungsantritt des Kaiser Tiberius seinem Vater - der Praefectus praetereo war - „als Amtsgenosse beigegeben“21. Das Amt des Befehlshabers der Praetorianer ging ganz auf Seianus über, als sein Vater mit der Verwaltung Ägyptens betraut wurde. Durch seinen Einfluss im Senat konnte er schnell das Vertrauen des Kaisers gewinnen22. Nach einigen erfolglosen Versuchen die Thronfolge zu erringen23, überredete Seianus den Kaiser außerhalb Roms „das Leben zu genießen“24. Der Kaiser leistete dieser Bitte Folge und „zog [...] in Campanien umher“25. Seianus, der zum Stellvertreter des Kaisers in Rom ernannt wurde, erweckte durch sein Benehmen bereits den Anschein als sei er Kaiser, „Tiberius Beherrscher einer Insel“26. Seianus Pläne die Thronfolge zu erringen wurden jedoch durch Antonia, die Witwe des älteren Drusus, verhindert. Sie schickte Tiberius einen Brief, in dem sie ihm von den Plänen des Seianus berichtete. Daraufhin veranlasste der Kaiser die Festnahme des Seianus. Dieser wurde unter dem Vorwand die tribunische Amtsgewalt zu erhalten in den Senat gelockt. Dort wurde ihm ein langer Brief des Kaisers vorgelesen, an dessen Ende die Verhaftung befohlen wurde.
An dieser Stelle setzt die zu interpretierende Textstelle ein. Sie schildert die Huldigungen die dem Seianus durch das Volk dargebracht wurden.
[...]
1 Aurelius Victor, De Caesaribus, 39, 4
2 Alföldi, Andreas: Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, Darmstadt 1970
3 Stern, H: Remarks on the „Adorato“ under Diocletian, in: Journal of the Warburg Institute 17 (1954), S. 184- 189
4 Avery, W. T.: The Adoratio Purpurae, in: Memoirs of the American Academy in Rome 17 (1940), S. 66-80
5 Vgl. Stern, H. (1954)
6 Aurelius Victor, De Caesaribus, 39, 4
7 Ammianus Marcellinus, Res Gestae, 15. 5, 18
8 Eutropius, Breviarium ab urbe condita, 9, 26
9 Eusebius, Chronica, a. 2312, Olymp. 269
10 Cassius Dio, Histoire Romaine, 58. 11, 2
11 Herodianus, Regnum post Marcum, 3. 11, 8
12 Aurelius Victor, De Ceasaribus, 39, 4-5
13 Ebd., 39, 1
14 Ammianus Marcellinus, Res Gestae, 15. 5, 18
15 Vgl. Löhken, Henrik: Ordines Dignitatum. Untersuchungen zur formalen Konstituierung der spätantiken Führungsschicht, Köln [u. a.] 1982, S. 48 (Fußnote 5)
16 Ammianus Marcellinus, Res Gestae, 15. 5, 18
17 Das Küssen des kaiserlichen Purpurs wird als Bestandteil des Adorationszeremoniells angenommen. Vgl. W. T. Avery (1954)
18 Regierungsantritt 19. August 14 n. Chr., vgl. V. Rohden, P.: s.v. L. Aelius Seianus, in: RE 1 (1894), S. 529
19 „den man früher fußfällige Verehrung widmete“, Cassius Dio, Römische Geschichte, hg., übers. u. erl. v. Leonhard Tafel, Stuttgart 1859.
20 Cassius Dio, Histoire Romaine, 58. 11, 1-2
21 V. Rohden, P.: s.v. L. Aelius Seianus, in: RE 1 (1894), S. 529
22 „[...] und dafür ihn (Anmerkung: Seianus) überall als den ihm am nächsten Stehenden rühmte [...]“, ebd., S. 529
23 Vgl. ebd., S. 529
24 Vgl. ebd., S. 529
25 Vgl. ebd., S. 529
26 Vgl. ebd., S. 529