Die transzendentale Ästhetik der ersten Kritik ist eine Wissenschaft der Prinzipien der Sinnlichkeit oder Anschauung a priori. Sie untersucht deshalb nicht die Anschauung insgesamt, sondern nur ihre reinen Formen, Raum und Zeit als Quellen der Erkenntnis.
Die These Kants ist, dass zur Anschauung und damit zur Sinnlichkeit erfahrungsfreie Elemente gehören. Ausgangspunkt der transzendentalen Ästhetik ist demzufolge, dass sich Erkenntnis im logischen, nicht im psychologischen Sinne, dem Zusammenwirken von zwei Erkenntnisstämmen verdankt: der Sinnlichkeit und dem Verstand. In der Anschauung wird Einzelnes in seiner bestimmten Form unmittelbar erfaßt und im Denken zu einer Erfahrung bzw. Erkenntnis verarbeitet. Um Einzelnes erfassen zu können, muss dieses als Gegenstand gegeben sein. Dies ist nur möglich durch die Rezeptivität der Sinnlichkeit, wodurch wir affiziert werden, d.h. Empfindungen haben wie einen bestimmten Geruch, eine bestimmte Farbe oder einen spezifischen Geschmack. Würde der Verstand als kombinatorisches Element fehlen, hätten wir keine konkreten Empfindungen, die sich benennen ließen, sondern lediglich unbestimmte, diffuse Wahrnehmungen. Der Verstand ist die Steuerungseinheit, die das Material bündelt und unter Begriffe bringt, welche uns Zusammenhänge ermöglicht und uns zu Aussagen über die Welt kommen läßt. Sinnlichkeit und Verstand sind in Kants Konzeption als Vermögen gleichberechtigt und wechselseitig aufeinander angewiesen. Diese Annahme von zwei menschlichen Erkenntnisstämmen begründet Kant nicht, aber er vermutet, dass sie "vielleicht aus einer gemeinschaftlichen uns unbekannten Wurzel entspringen" (B29). Es liegt daher nicht in seiner Absicht, eine Letztbegründung der Erkenntnis zu leisten - der methodische Ort seiner Ausführungen ist die Vernunftkritik. In einer Synthese von Rationalismus und Empirismus lautet so auch Kants Grundsatz: "Ohne Sinnlichkeit würde kein Gegenstand uns gegeben und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe blind". (B76)
Dieser Versuch einer Vermittlung zwischen den nach Kant aporetischen Positionen des Empirismus und des Rationalismus wirft Probleme auf, die dann im Deutschen Idealismus zu anderen Entwürfen führen, die über eine Kritik der Vernunft hinausführen sollen.
Inhaltsverzeichnis
- Die transzendentale Ästhetik der ersten Kritik
- Zwei Erkenntnisstämme: Sinnlichkeit und Verstand
- Die metaphysische Erörterung von Raum und Zeit
- Die transzendentale Erörterung: Synthetische Urteile a priori
- Die Frage nach Raum und Zeit
- Kants Argumentation: Raum und Zeit als reine Anschauungsformen
- Das Argument des inneren und äußeren Sinns
- Die Einheitlichkeit von Raum und Zeit
- Die metaphysische Erörterung: Zwei Argumentationspaare
- Erster Teil der Metaphysischen Erörterung
- Zweiter Teil der Metaphysischen Erörterung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Kants transzendentaler Ästhetik aus seiner ersten Kritik der reinen Vernunft. Der Fokus liegt auf der metaphysischen und transzendentalen Erörterung von Raum und Zeit sowie den daraus resultierenden Konsequenzen für die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori.
- Die transzendentale Ästhetik als Wissenschaft der Prinzipien der Sinnlichkeit
- Die Unterscheidung zwischen Sinnlichkeit und Verstand als Erkenntnisstämme
- Die Rolle von Raum und Zeit als reine Anschauungsformen
- Die metaphysische und transzendentale Erörterung von Raum und Zeit
- Die Bedeutung von Raum und Zeit für synthetische Urteile a priori
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die transzendentale Ästhetik als Wissenschaft der Prinzipien der Sinnlichkeit und erörtert Kants Annahme von zwei Erkenntnisstämmen: Sinnlichkeit und Verstand. Anschließend wird die metaphysische Erörterung von Raum und Zeit behandelt, die sich mit der Frage befasst, ob Raum und Zeit objektive Eigenschaften der Dinge sind oder reine Anschauungsformen. Die transzendentale Erörterung konzentriert sich auf die Frage, wie Raum und Zeit synthetische Urteile a priori ermöglichen.
Weiterhin wird Kants Argumentation für die These, dass Raum und Zeit reine Anschauungsformen sind, im Detail analysiert. Dabei werden die Argumente des inneren und äußeren Sinns sowie die Einheitlichkeit von Raum und Zeit behandelt. Abschließend werden die beiden Argumentationspaare der metaphysischen Erörterung vorgestellt, die Kants These unterstützen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der transzendentalen Ästhetik, insbesondere der Unterscheidung zwischen Sinnlichkeit und Verstand, der Rolle von Raum und Zeit als reine Anschauungsformen und den Konsequenzen für synthetische Urteile a priori. Weitere wichtige Begriffe sind metaphysische und transzendentale Erörterung, innere und äußere Sinne, Einheitlichkeit von Raum und Zeit, sowie empirische und apriorische Erkenntnis.
- Arbeit zitieren
- Sigrid Eckold (Autor:in), 1997, Kants transzendentale Ästhetik: Ihre metaphysische und transzendentale Erörterung und die Konsequenzen für die Möglichkeit synthetischer Urteile apriori, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177748