Die traditionellen Menschenrechtserklärungen, ihre Begründungen und Inhalte werden angesichts der erschütternden Erfahrungen totalitärer Politik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als gescheitert bezeichnet oder sind zumindest grundlegend zu hinterfragen. Angesichts des moralisch-politischen Gattungsbruchs bedurften traditionelle Begründungen und klassische Verknüpfungen der Menschenrechte einer grundlegenden Revision und Neuverortung.
Die Radikalisierung des Prinzips der Volkssouveränität durch die Nationalsozialisten, die demokratische Selbstregierung als Freiheit des Volkes zu Ausgrenzung und physischer Vernichtung von Andersartigem verstanden, erfordert eine Aufarbeitung; ob der Schutz der Menschenrechte in demokratisch organisierten, politischen Ordnungen grundsätzlich als gewährleistet gelten kann, bedarf einer genaueren Untersuchung.
Kritiker des demokratischen Verfahrens unterstellen der Herrschaft des Volkes eine inhärente Tendenz zur Bevorteilung der Macht des Volkes gegenüber den Rechten des Einzelnen. Verteidiger des demokratischen Prinzips verstehen Totalitarismus und Demokratie als voneinander unabhängig und verneinen einen inneren Zusammenhang; sie behaupten eine wechselseitige Bedingtheit von Demokratie und Menschenrechten. Kritiker fordern eine Begrenzung der Volkssouveränität durch die Menschenrechte, also einen menschenrechtlichen Rahmen für die Volkssouveränität, während Verteidiger die Menschenrechte demokratisch begründen und die Verwirklichung von Menschenrechten und Volkssouveränität nur durch deren Verquickung für möglich halten.
Der Gegenstand dieser Hausarbeit wird ein Ausschnitt des Diskurses um Volkssouveränität und Freiheitsrechte des Einzelnen sein. Die Hausarbeit beschäftigt sich mit der liberal-menschenrechtlichen Kritik der Demokratie und ihrer Widerlegung. Anhand des Demokratietheoretikers John Stuart Mill soll die Position der liberal-menschenrechtlichen Kritik erläutert werden. Ein kurzer Einblick in Alexis de Tocquevilles Analyse der Demokratie in Amerika und insbesondere in seine Befürchtung der Tyrannei der Mehrheit ist dabei sinnvoll, da Mill seine Thesen auf Tocqueville stützt. Die These der demokratischen Begründung der Menschenrechte wird mithilfe von Jürgen Habermas´ Argumenten dargelegt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Position liberal-menschenrechtlicher Kritik an der Demokratie
- Alexis de Tocqueville: Das Gefahrenpotenzial der Tyrannei der Mehrheit
- John Stuart Mill: Kritik an der Demokratie und liberal-utilitaristische Lösungen
- Habermas' Position der demokratischen Begründung der Menschenrechte
- Habermas: Der interne Zusammenhang von liberalen Freiheitsrechten und Volkssouveränität
- Habermas' Modell der deliberativen Demokratie
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die Kontroverse um die Beziehung zwischen Volkssouveränität und individuellen Freiheitsrechten, insbesondere im Kontext der liberalen Kritik an der Demokratie. Sie untersucht, ob die Herrschaft des Volkes eine Bedrohung für liberale Freiheitsrechte darstellt, indem sie sich auf die Argumente von Alexis de Tocqueville, John Stuart Mill und Jürgen Habermas konzentriert.
- Die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit in demokratischen Gesellschaften
- Die Rolle von liberalen Freiheitsrechten in der Begrenzung der Macht des Volkes
- Die demokratische Begründung der Menschenrechte
- Das Verhältnis von Volkssouveränität und Rechtsstaat
- Das Modell der deliberativen Demokratie
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Hausarbeit ein und erläutert die Relevanz der Fragestellung im Kontext der Geschichte der Menschenrechte und der Erfahrungen des 20. Jahrhunderts. Sie stellt die Problemfrage und skizziert den methodischen Ansatz der Arbeit.
- Die Position liberal-menschenrechtlicher Kritik an der Demokratie: Dieses Kapitel widmet sich der liberalen Kritik an der Demokratie. Anhand der Werke von Alexis de Tocqueville und John Stuart Mill wird die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit und die Notwendigkeit einer Begrenzung der Volkssouveränität durch Freiheitsrechte erörtert.
- Habermas' Position der demokratischen Begründung der Menschenrechte: Dieses Kapitel stellt die Gegenposition von Jürgen Habermas dar. Habermas argumentiert, dass die Menschenrechte nicht als externe Einschränkung der Volkssouveränität zu betrachten sind, sondern aus der demokratischen Selbstbestimmung des Volkes hervorgehen. Seine Konzeption der deliberativen Demokratie und das Konzept des internen Zusammenhangs zwischen Rechtsstaat und Demokratie werden näher beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit zentralen Begriffen wie Volkssouveränität, Freiheitsrechte, Tyrannei der Mehrheit, liberale Kritik, Demokratie, Menschenrechte, deliberative Demokratie, Rechtsstaat und interner Zusammenhang. Sie untersucht verschiedene theoretische Konzepte zur Begründung von Menschenrechten und zur Gestaltung demokratischer Systeme.
- Arbeit zitieren
- Jonas Markgraf (Autor:in), 2010, Spannungsverhältnis: Herrschaft des Volkes – Rechte des Einzelnen? Die liberal-menschenrechtliche Kritik der Demokratie und ihre Widerlegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177768