Das Management von Innovationen beschäftigt Theorie und Praxis bereits seit vielen Jahren. Insbesondere bei großen Unternehmen wird immer wieder auf die Notwendigkeit eines Innovationsportfolios hingewiesen, was oft jedoch nicht umgesetzt wird. Dieser Beitrag gibt einen Überblick zum Hintergrund des Innovationsportolio-Managements, stelle einige wissenschaftliche Erkenntnisse hierzu dar, und gibt abschließend Hinweise zur Umsetzung in der Praxis.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Die Bedeutung von Forschung und Entwicklung für Unternehmen
1.2 Zielsetzung der Arbeit
2. Begriffliche Grundlagen
2.1 Innovationen in Technologieunternehmen
2.2 Innovationsportfolio-Management und dessen Einordnung in den New Product Development Process
3. Innovationsportfolio-Management in Theorie und Praxis
3.1 Überblick über theoretische Modelle und Methoden des Innovationsportfolio-Managements
3.2 Empirische Erkenntnisse zum Innovationsportfolio-Management
3.3 Evaluation der Studien – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
3.4 Anwendung des Innovationsportfolio-Managements in der Praxis
4. Implikationen für Forschung und Praxis
4.1 Handlungsempfehlungen für Unternehmen
4.2 Forschungsimplikationen
5. Diskussion und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ansätze des Portfoliomanagements
Abbildung 2: Betrachtete Themenfelder der untersuchten Studie
1. Einführung
1.1 Die Bedeutung von Forschung und Entwicklung für Unternehmen
Trotz der Wirtschaftskrise stiegen die Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Deutschland im Jahr 2008 auf einen neuen Höchststand. Sie betrugen knapp 57 Milliarden Euro, wobei circa 80% der unternehmensinternen Forschung und Entwicklung (FuE) zuzuschreiben sind.[1] Zusätzlich zu diesen Zahlen zeigt die „Hightech Strategie 2020“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die enorme Bedeutung von Innovationen für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland. Auch deshalb wurde im Jahr 2008 im Rahmen der Lissabon-Strategie das Ziel festgelegt, spätestens im Jahre 2015 mindestens 3% des Bruttoinlandsprodukts für FuE aufzubringen.[2]
Um diese Zielsetzung zu erreichen und mit den gegebenen Mitteln möglichst effizient umzugehen, benötigen Unternehmen klar strukturierte Innovationsprozesse mit einem strategischen Bezug.[3] Besonders vor dem Hintergrund steigenden Wettbewerbsdrucks, zunehmender Technologiekomplexität, wachsendem Kostendruck und immer kürzeren Produktlebenszyklen ist dies von entscheidender Bedeutung. Cooper und Edgett (2010) stellen jedoch fest, dass es den meisten Unternehmen nach wie vor an einer klar definierten Technologie- und Innovationsstrategie mangelt. Besonders die Anwendung des Portfoliomanagements auf Innovationen findet in der Praxis nur vereinzelt statt.[4] Dies ist insofern überraschend, als das gezielte Management von vielen parallelen Innovationsaktivitäten als ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Innovationsmanagement zu sehen ist.
Es wurde schon in den 1980er Jahren festgestellt, dass auch immaterielle Ressourcen, wie beispielsweise transferierbares Wissen, Humankapital oder Innovationsprozesse nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren können.[5] Besonders aufgrund der aktuell vermehrt aufkommenden Diskussion über dynamic capabilities[6] sollten Innovationsprozesse und ihre Steuerung, sowie die dynamische Anpassung des Innovationsportfolios, wieder stärker in den Fokus der Unternehmenspraxis aber auch der Forschung rücken.[7]
1.2 Zielsetzung der Arbeit
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Überblick über das Thema Innovationsportfolio-Management zu geben: sowohl aus Sicht der Wissenschaft als auch aus dem Blickwinkel der unternehmerischen Praxis.
Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst erfolgt in Kapitel 2.1 eine Definition des Begriffs Innovation und in Kapitel 2.2 eine Darstellung des Begriffs Innovationsportfolio-Management. Da in der Literatur noch keine eindeutige begriffliche Abgrenzung stattgefunden hat, ist es nötig, die unterschiedlichen Auffassungen des Begriffs darzustellen und anschließend eine für diese Arbeit passende Definition abzuleiten.
In Kapitel 3.1 werden verschiedene theoretische Werkzeuge und Methoden des Innovationsportfolio-Managements beschrieben. Anschließend werden in Kapitel 3.2 empirische Studien vorgestellt, welche unter anderem die Verbreitung der beschriebenen Methoden, beziehungsweise die allgemeine Verbreitung eines Innovationsportfolio-Managements in der Unternehmenspraxis untersuchen. Um Forschungslücken im Bereich der empirischen Forschung aufzudecken, werden die Studien in Kapitel 3.3 evaluiert. Die Handlungsempfehlungen aus den Studien werden zusätzlich in Kapitel 3.4 durch Best Practice Beispiele gestützt.
Kapitel 4 leitet Implikationen für die Wissenschaft und die Unternehmenspraxis ab und Kapitel 5 schließt die Arbeit mit einem Ausblick ab.
2. Begriffliche Grundlagen
2.1 Innovationen in Technologieunternehmen
Der Innovationsbegriff wird in der Literatur als unscharf beschrieben.[8] Es mangelt an einer klaren interdisziplinären Definition.[9] Erschwerend kommt hinzu, dass Innovationen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln, von verschiedenen Forschungsdisziplinen und für diverse Branchen betrachtet werden.[10] Dennoch soll an dieser Stelle der Begriff Innovation definiert, zur Invention abgegrenzt und in den Kontext der vorliegenden Arbeit eingebettet werden.
Innovation definiert sich nach dem UK Department of Trade and Industry (1998) und nach Baumol (2002) wie folgt:
Innovation is “the successful exploitation of new ideas“. [11]
Innovation is “the recognition of opportunities for profitable change and the pursuit of those opportunities all the way through to their adoption in practice”. [12]
Im Zuge dieser Arbeit soll auf eine aktuelle Definition von Baregheh et al. (2009) zurückgegriffen werden. Diese versteht Innovation eher als mehrstufigen Kernprozess, mit dem Ziel der Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb und lautet wie folgt:
“Innovation is the multi-stage process whereby organizations transform ideas into new / improved products, service or processes, in order to advance, compete and differentiate themselves successfully in their marketplace.” [13]
Die Definitionen zeigen, dass Innovationen immer mit Markterfolg verbunden sind. Tritt der Erfolg – zum Beispiel einer technischen Neuheit – am Markt nicht ein, so handelt es sich um eine Invention. Man unterscheidet Produkt-, Prozess- und Serviceinnovationen sowie Geschäftsprozessinnovationen.[14]
In der vorliegenden Arbeit soll besonders die Anwendung des Innovationsportfolio-Managements auf die ersten drei Typen im Kontext eines produzierenden Technologieunternehmens betrachtet werden.
2.2 Innovationsportfolio-Management und dessen Einordnung in den New Product Development Process
Viele traditionelle Märkte durchlaufen radikale Veränderungsprozesse. Daher ist es notwendig, ein System zu finden, welches die zahlreichen Innovationsideen eines Unternehmens besser zu strukturieren und zu bewerten vermag. Ziel mss es sein, die bestehen Produktentwicklungsprozesse mit möglichst aussichtsreichen Projekten zu speisen.[15]
Zahlreiche Unternehmen praktizieren erfolgreich einen Ansatz zur Neuproduktentwicklung, wie beispielsweise den Stage-Gate-Prozess.[16] Innerhalb dieses Prozesses werden die einzelnen Projekte regelmäßig und unabhängig voneinander auf die Einhaltung ihres zeitlichen und finanziellen Rahmens sowie auf ihre Performance hin überprüft. Beim Stage-Gate-Prozess handelt es sich jedoch mehr um ein operatives Entscheidungsinstrument und weniger um ein Strategieinstrument.[17] Daher versuchen Unternehmen vermehrt diesen Prozess effektiver zu gestalten und Abhängigkeiten zwischen den Projekten besser zu erkennen. Eine immer häufiger genutzte Möglichkeit ist es, das Portfoliomanagement in den Produktentwicklungsprozess zu integrieren.[18] Daher fassen die betreffenden Unternehmen Innovationsprojekte zu einem Projektportfolio zusammen.[19]
Es existieren zahlreiche Definitionen zum Thema Projektportfolio-Management. Allen gemein ist, dass es sich beim Projektportfolio-Management um einen dynamischen Entscheidungsprozess handelt, in welchem andauernd aktuelle und zukünftige Projekte nach verschieden Kriterien bewertet, ausgewählt und priorisiert werden.[20] Auf Grundlage des Portfolios werden in der Regel Ressourcen um- und neuverteilt, sowie einzelne Projekte beschleunigt, „depriorisiert“ oder sogar aus dem Portfolio herausgenommen.[21]
Der Entscheidungsprozess ist durch folgende Charakteristika geprägt: Unsicherheit, wechselnde (zum Teil asymmetrische) Informationen, dynamische Entwicklung von Chancen und Risiken und einer Vielzahl von konkurrierenden Zielen.
Zusätzlich ist zu beachten, dass alle Projekte sich gegenseitig beeinflussen und somit ein Innovationsportfolio vorliegt.[22] Die Zusammenhänge innerhalb dieses Portfolios sind häufig nicht auf den ersten Blick ersichtlich und schwierig, beispielsweis in der IT oder in der Buchhaltung, abzubilden. Eines der Hauptziele des Projektportfolio-Managements ist daher die Analyse dieser Interdependenzen.[23]
Beim Innovationsportfolio-Management[24] handelt es sich um die Anwendung der Theorie und Praxis des Portfolio-Managements auf den Prozess der Neuproduktentwicklung.[25]
Bei der Literaturrecherche zum Thema zeichnen sich zwei Strömungen zur Einordnung des Innovationsportfolio-Managements in den Innovationsprozess ab. Die erste, durch die Autoren Cooper, Edgett und Kleinschmidt angeführte, Strömung setzt Innovationsportfolio-Management mit Portfolio-Management innerhalb des Produktentwicklungsprozesses gleich.[26] Ziel des Projektportfolios ist es hier, Projekte zu bewerten und im Einklang mit der Unternehmensstrategie zu priorisieren.[27] Nach Cooper (2002a) stellt Innovationsportfolio-Management damit ein wichtiges Entscheidungs- und Kontrollwerkzeug an den jeweiligen Toren des Stage-Gate-Prozesses dar.[28]
Die zweite bekannte Strömung ordnet Innovations-Portfolio vor, beziehungsweise über, den Prozess zur Neuproduktentwicklung ein. Innovationsportfolio-Management ist die Fokussierung der Innovationsaktivitäten auf bestimmte vordefinierte Innovationsfelder.[29] Dabei werden verwandte Innovationsprojekte zusammengefasst um Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Im Gegensatz zum Projektportfolio-Management, werden hier Innovationsprojekte bestimmten Innovationsfeldern zugeordnet, welche sich um eine noch eher lose formulierte Strategie bilden. Ziel des Innovations-portfolio-Managements nach Mathews (2010) ist daher mehr die Strategieentwicklung und Evaluation des Potenzials eines Innovationsprojekts und weniger die Überwachung und Steuerung seiner Umsetzung.[30] Salomo et al. (2008) stellen hierbei einen positiven Zusammenhang zwischen der Zusammenfassung von Innovationsaktivitäten zu Innovationsfeldern und der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens her.[31]
Insgesamt kann unter Innovationsportfolio-Management die Erfassung, Bewertung und Steuerung der Interdependenzen zwischen einzelnen Innovationsprojekten in einem strukturierten und transparenten Evaluationsprozess unter Beachtung zuvor definierter Innovationsfelder und der Unternehmensstrategie verstanden werden.
3. Innovationsportfolio-Management in Theorie und Praxis
3.1 Überblick über theoretische Modelle und Methoden des Innovationsportfolio-Managements
Bereits in den 1960er Jahren entwickelten Unternehmen erste Geschäfts-/ Produktportfolio-Konzepte, woraus strategische Optionen abgeleitet werden können, um diese wiederrum zu optimieren.[32] Diese Konzepte wurden im darauffolgenden Jahrzehnt in vielen Unternehmen etabliert.[33]
Doch auch im FuE-Bereich wurden erste betriebswirtschaftliche Modelle zur Unterstützung von Entscheidungsträgern in Unternehmen eingesetzt. Mittels betriebswirtschaftlicher Kennzahlen sollten die in der Regel auf individuellen Erfahrungen beruhenden Entscheidungen gestützt werden.[34] Roussel et al. (1991) stellten in ihrem Buch Third Generation R&D: Managing the link to corporate strategy fest, dass „R&D portfolio analysis and planning will grow in the 1990s. “[35]
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[1] Vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (2011), S. 1.
[2] Vgl. BMBF (2010), S. 5f.
[3] Vgl. Mikkola (2001), S. 423.
[4] Vgl. Cooper/Edgett (2010), S. 33.
[5] Vgl. Amit/Schoemaker (1993), S. 35; Wernerfeldt (1984), S. 171; Barney (1991), S. 106ff.
[6] Vgl. grundlegend zum Konzept der dynamic capabilities : Teece et al. (1997).
[7] Vgl. Salomo et al. (2008), S. 562.
[8] Vgl. Adams et al. (2006), S. 22.
[9] Vgl. Baregheh et al. (2009), S. 1323f.
[10] Vgl. Baregheh et al. (2009), S. 1330; Damanpourm/Schneider (2006), S. 216.
[11] Department of Trade and Industry (1998), zitiert nach Adams et al. (2006), S. 22.
[12] Baumol (2002), S. 10.
[13] Baregheh et al. (2009), S. 1334.
[14] Vgl. Francis/Bessant (2005), S. 172; Oke et al. (2007), S. 738.
[15] Vgl. Mathews (2010), S. 30.
[16] Vgl. Cooper et al. (2002), S. 21; Cooper et al. (2004), S. 43.
[17] Vgl. Blau et al. (2004), S. 231.
[18] Vgl. Cooper et al. (2002a), S. 47.
[19] Vgl. Mathews (2010), S. 30.
[20] Vgl. Cooper et al. (1999), S. 2; LaBrosse (2010), S. 75.
[21] Vgl. Cooper et al. (1999), S. 2.
[22] Vgl. Ahsen/Heesen (2009), S. 608.
[23] Vgl. Kunz (2006), S. 368.
[24] In der Literatur werden die Begriffe New Product Portfolio Management (Cooper et. al. 1999), Innovation fields (Salomo et al. 2008) oder R&D Portfolio Management (Kirchhoff et al. 2001; Linton et al. 2002) synonym verwendet.
[25] Vgl. Copper/Edgett (2010), S. 33.
[26] Vgl. Cooper et al. (2002a), S. 43.
[27] Vgl. Mathews (2010), S. 31.
[28] Vgl. Cooper et al. (2002a), S. 47.
[29] Vgl. Laurie et al. (2006), S. 2.
[30] Vgl. Mathews (2010), S. 30f.
[31] Vgl. Salomo et al. (2008), S. 569.
[32] Vgl. Roussel et al. (1991), S.93.
[33] Ebenda.
[34] Vgl. Stummer/Günther (2002), S. 289f.
[35] Roussel et al. (1991), S. 93.
- Arbeit zitieren
- Dr. Alexander Brem (Autor:in), Maximilian Maier (Autor:in), Veronika Storch (Autor:in), 2011, Innovationsportfolio-Management, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178078