Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Terminologie
Zigeuner
Roma
Antiziganismus
3. Herkunft der „Zigeuner“
4. Stereotypen, Vorurteile und Klischees
5. „Zigeuner“ – politisch korrekt?
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Arbeit soll vor allem auf die gängigen Vorurteile und Stereotypen über „Zigeuner“[1] und deren Ursprung eingegangen werden, da alte Vorurteile und Klischees auch heute noch Bestand haben und so Stereotypen herausgebildet werden, welche zum Großteil negativ belegt sind. Darauf aufbauend soll dann die Fragestellung behandelt werden, ob die Bezeichnung „Zigeuner“ heute noch zeitgemäß, ob sie politisch korrekt, ist.
Inhaltlich werden im zweiten Kapitel grundlegende Begrifflichkeiten erläutert, da diese im Verlauf der Arbeit häufig benutzt werden. Hierauf folgt eine Beschreibung der Herkunft der „Zigeuner“ Europas. Danach wird im vierten Teil auf die gängigen Vorurteile, Stereotypen und Klischees von „Zigeunern“ eingegangen. Im fünften Kapitel soll dann eine Forschungsmeinung vorgestellt und anschließend diskutiert werden.
Der Begriff „Zigeuner“ erfolgt in dieser Arbeit in Anführungsstrichen, da er, wie ich zeigen werde, eindeutig negativ belegt ist und er hier nur verwendet wird, da sich dies auf Grund des häufigen Gebrauchs des Begriffes in der Forschungsliteratur nicht vermeiden ließ, obwohl ein adäquater alternativ verwendbarer Begriff existiert („Rom/a“), wird dieser in der wissenschaftlichen Literatur nicht verwendet. In einem Großteil der von mir verwendeten Literatur wird nach wie vor von „Zigeunern“ gesprochen. Dies ist natürlich nicht immer der Fall, beispielsweise in den Schriftreihen des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma ist nicht von „Zigeunern“, sondern von „Sinti und Roma“ die Rede. Häufig ist die Verwendung des Terminus „Zigeuner“ auch auf das Erscheinungsjahr und den zeitlichen Kontext zurückzuführen.
2. Terminologie
2.1 „Zigeuner“
1907 definierte die amerikanische Anthropologin Cotton die „Zigeuner“ als
„kulturelle Gruppe, die Nomadismus als angemessene Lebensweise ansieht, Wahrsagen, Musik, Schaustellerei, Handel mit Tieren, Metallverarbeitung, Betteln und Hausieren, Wildern und Kurpfuschen betreibt und gewöhnlich die Romanisprache spricht.“ (Cotton 1954: 33 (23): 107).
Eine spätere Definition aus dem Jahre 1980 von Wissenschaftlern der Universität Erlangen lautet:
„Wir verstehen unter ‚Zigeunern’ jene Bevölkerungsgruppen, die sich durch das Bewusstsein der Abstammung von einem Zigeunervater, durch die besondere Sprache des Romanes und durch spezifische zigeunerische Werte, Sitten und Tabus auszeichnet. Die bei ihnen in der Regel sehr stark auftretende Reiseaktivität steht im engen Zusammenhang mit ihrem Besuchs- und Kommunikationsbedürfnis innerhalb der Sippe“ (Freese, Murko &Wurzbacher 1980:10).
Diese Definitionen verdeutlichen, wie vorurteilsbehaftet der Begriff „Zigeuner“ damals war. „Zigeuner“ werden auch heute als fremde herumreisende Gruppe angesehen, welche ihre eigenen „zigeunerische[n] Werte, Sitten“ (Freese, Murko & Wurzbacher 1980: 10, Zusatz von J.I.) hat, eine eigene Sprache spricht und somit nicht zur deutschen Gesellschaft gehört. Die aktuellste Definition aus dem Wörterbuch für Völkerkunde lautet:
„Zigeuner [sind eine…] ab dem 6. Jh. aus NW-Indien emigrierte, heute fast global anzutreffende Bevölkerungsgruppe mit indoiranischer Sprache. Obwohl sie in den jeweiligen Aufnahmeländern ökonomische Nischen fanden, die ihnen durchaus akzeptierte, komplementäre Tätigkeiten (Kleinhandel, Schaustellerei, Wandergewerbe, Wahrsagerei u.ä.) erlaubten, waren die Zigeuner als nicht Sesshafte […] mit eigener ethnisch-kultureller Identität […] stets Zielscheibe xenophober Reaktionen: Vorwurf der Hexerei, Stigmatisierung als Kindsräuber und Diebe. Repressionen reich(t)en von vergleichsweise „milden“ Beeinträchtigungen ihrer Lebensweise (begrenzte Aufenthaltsdauer, Meldepflicht) bis zu Zwangsassimilierung, Deportationen und Genozid in den Massenvernichtungslagern der NS-Diktatur […]“ (Müller 1999: 425-426, Zusatz von J.I.).
Diese Definition ist sehr viel umfassender als die beiden vorherigen. Und doch bestätigt auch sie das vorherrschende Bild von den „Zigeunern“: Sie hätten eine „eigene ethnisch-kulturelle Identität“ (Müller 1999: 425-426), würden eine eigene „Bevölkerungsgruppe“ (Müller 1999: 425-426) darstellen und eine eigene Sprache sprechen. Somit wird den „Zigeunern“ das Fremde wie beispielsweise eine andere Sprache und eine eigene Identität oder Gruppenzugehörigkeit auch in dieser Definition zugeordnet. Zudem wird nicht berücksichtigt, dass „Zigeuner“ oft nicht mehr als eigene „Bevölkerungsgruppe“ (Müller 1999: 425-426) gelten möchten, sondern als normale Staatsbürger des jeweiligen Landes.
Mit den oben aufgeführten Definitionen von „Zigeunern“ soll aufgezeigt werden, dass der Begriff „Zigeuner“ schon seit langem vorurteilsbehaftet ist und es gewiss auch in Zukunft bleiben wird, da es sich hierbei um sehr alte tradierte Vorurteile, Stereotypen und Klischees handelt und diese auch heute noch fortbestehen. Dem ist hinzuzufügen, dass die Benennung „Zigeuner“ eine Außenbezeichnung und nicht die korrekte Eigenbezeichnung für die als „Zigeuner“ bezeichnete Gruppe ist. „Sinti und Roma“ ist die „Selbstbezeichnung der in Deutschland lebenden Sinti und Roma“ (Wippermann 2001: 9), also ebenfalls nicht der Terminus für alle mit dem Begriff „Zigeuner“ benannten Gruppen.
2.2 Roma
„Roma“ (Singular „Rom“) ist die Eigenbezeichnung der als „Zigeuner“ betitelten Gruppe und stammt von „Me som Rom“ ab, was übersetzt „Ich bin Mensch“ bedeutet (Schenk 1994: 8). Die im Allgemeinen als „Zigeuner“ betitelten Gruppen nennen sich selbst also „Menschen“, somit wäre Rom/a eine wertfreie Benennung der „Zigeuner“. Es existiert demnach ein zu „Zigeuner“ alternativ verwendbarer Begriff, dieser wird jedoch selbst in der wissenschaftlichen Literatur kaum verwendet.
Die drei großen Hauptgruppen der Roma sind die Roma, welche vorwiegend in Osteuropa leben, die Sinti, welche in Mitteleuropa ansässig sind und die Gitanos, welche vorwiegend in Nordafrika und Südwesteuropa beheimatet sind. Die Gruppierungen gliedern sich nach den Kriterien der Sprache, der Berufsausübung und der geographischen Verteilung in viele weitere Untergruppen auf (Schenk 1994: 8-10). Schenk bezeichnet ebendiese Zuordnung jedoch selbst als unvollständig, da es auch im skandinavischen Raum, in England, Amerika und Asien, sowie im Nahen Osten „Zigeuner“ gäbe (Schenk 1994: 10). Jene dort beheimateten Gruppen müsse man Schenk zu Folge also ebenso zu den Roma zählen.
2.3 Antiziganismus
Mit dem Begriff „Antiziganismus“ wird die Feindschaft, genauer gesagt der Rassismus, gegenüber Sinti und Roma bezeichnet. Grundlage dieser Feindschaft ist ein aus Klischees, Stereotypen und Vorurteilen zusammengesetztes „Zigeuner“-Bild. Aggressionen richten sich jedoch nicht gegen dieses abstrakte Bild, sondern konkret gegen Menschen - die Sinti und Roma (Winckel 2002: 10) . Maciejewski fügt dieser Definition noch hinzu, dass man Antiziganismus nur mit dem Völkermord an Sinti und Roma im nationalsozialistischen Deutschland erklären könne (Maciejewski 1996: 9). Schenk schreibt bezüglich der Anzahl der Opfer, dass sich genaue Zahlen nicht ermitteln ließen, es gäbe Schätzungen, die von einer viertel bis einer halben Millionen Opfer ausgehen, eine geschätzte Zahl von 500.000 Toten gelte als realistisch (Schenk 1994: 171).
[...]
[1] In der gesamten Arbeit schließt die männliche Form die weibliche mit ein.