Mit dem Begriff der Anarchie wird verschiedenstes, oft auch fremdes, ideologisches Gepäck transportiert. Anarchie wird in der Alltagssprache mit Chaos und Regellosigkeit gleichgesetzt. Anarchie gilt als ein System ohne Ordnung und Regulierung in allen Bereichen der Gesellschaft. Doch dies entspricht nicht der wirklichen Bedeutung des Begriffes. Aber woher rührt die Faszination für die Anarchie, für anarchische Systeme? Auffällig in der Tradition der Herrschaftstheorien ist, dass die Erklärung und die damit verbundene Rechtfertigung einer bestimmten Herrschaftsordnung, häufig den „Ursprung“ von Herrschaft sucht. Der Ursprung, welcher mit der Setzung gesellschaftlicher Ordnung überhaupt identifiziert wird, wird häufig in einem herrschafts- und gesellschaftslosen Zustand, der „Anarchie“, gesehen.
So schrieb bereits der französische Soziologe und Rechtswissenschaftler Tarde vor über hundert Jahren: „Jede neue Form der Zivilisation beginnt mit egalitären und uniformen Gemeinschaften ... dann (entsteht) Schritt für Schritt, eine grundlegende Ungleichheit, Vorbedingung einer soliden Organisation“ (Tarde 1890:80f, zitiert nach Stagl 1974:11). Ist die egalitäre Gesellschaftsform tatsächlich die erste Stufe der sozialen, der staatlichen Organisation einer Gesellschaft? Oder ist dieses Theorem ein überholtes? Was charakterisiert diese angeblich uniformen Gesellschaften am Anfang der „Entwicklung“? Wieso fasziniert die Vorstellung einer herrschaftslosen Gesellschaft bis heute? Diese Fragen sollen im Verlauf der Arbeit aufgegriffen und diskutiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Terminologie
- Herrschaft
- Anarchie
- Segmentation
- Segmentäre Gesellschaften
- Kritik am Konzept der segmentären Gesellschaft
- Zusammenhang von egalitären mit segmentären Gesellschaften
- Matriarchale Gesellschaften
- Schlusswort
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Konzept der „herrschaftsfreien Gesellschaften" und untersucht, ob solche Gesellschaften tatsächlich existieren. Sie analysiert verschiedene Typen von Gesellschaften, die als „herrschaftsfrei" bezeichnet werden, insbesondere die segmentäre Gesellschaft. Die Arbeit beleuchtet den Ursprung von Herrschaft und die Schwierigkeiten, diesen Ursprung eindeutig zu bestimmen. Sie untersucht die verschiedenen Definitionen von Herrschaft und die Frage, ob es Gesellschaften ohne ein regulierendes Element gibt.
- Der Ursprung von Herrschaft und seine Verbindung zur Anarchie
- Die Definition von Herrschaft und die verschiedenen Typen von „herrschaftsfreien Gesellschaften"
- Die segmentäre Gesellschaft als Beispiel für eine Gesellschaft ohne Zentralinstanz
- Die Frage nach der Existenz von perfekter Egalität und die Rolle von Regeln und Normen in Gesellschaften
- Die Verbindung zwischen Matriarchat und „herrschaftsfreien Gesellschaften"
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und erläutert den Begriff der Anarchie im Kontext von Herrschaftstheorien. Sie stellt die Frage nach dem Ursprung von Herrschaft und dem Charakter von egalitären Gesellschaften.
Das zweite Kapitel behandelt grundlegende Begrifflichkeiten wie „Herrschaft", „Anarchie" und „Segmentation". Es werden verschiedene Definitionen von Herrschaft diskutiert und die Unterscheidung zwischen Anarchie und Anarchismus herausgestellt. Der Begriff der „ordered anarchy" wird eingeführt und der Zusammenhang zwischen dem Naturzustand und Anarchie betrachtet.
Das dritte Kapitel erläutert das Konzept der segmentären Gesellschaft. Es werden die Definitionen von Emile Durkheim, Edward Evan Evans-Pritchard, Meyer Fortes, Niklas Luhmann und Christian Sigrist vorgestellt. Die Arbeit beleuchtet die Struktur von segmentären Gesellschaften, die Gleichheit der Segmente und das Fehlen einer Zentralinstanz.
Das vierte Kapitel befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen egalitären und segmentären Gesellschaften. Es wird die Frage diskutiert, ob segmentäre Gesellschaften tatsächlich egalitär sind und welche Bedeutung die Verwandtschaft für die politische Organisation segmentärer Gesellschaften hat.
Das fünfte Kapitel behandelt den Ansatz der matriarchalen Gesellschaft als weitere Möglichkeit, herrschaftsfreie Gesellschaften zu bezeichnen. Es werden die verschiedenen Definitionen von Matriarchat diskutiert und die Frage nach der tatsächlichen Existenz von Matriarchaten im Sinne einer Frauenherrschaft gestellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Herrschaft, Anarchie, segmentäre Gesellschaft, egalitäre Gesellschaft, Matriarchat, Staatslosigkeit, politische Organisation, soziale Ordnung, Regeln und Normen, Selbstregulierung, Zentralinstanz.
- Quote paper
- Hannah Illgner (Author), 2008, Herrschaftsfreie Gesellschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178204