Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Pedro Calderón de la Barca
Zum Inhalt von "El médico de su honra"
Ehrbegriff und Adel
Spiegel der Wirklichkeit oder poetisierte Welt?
Schlusswort
Bibliographie
Vorwort
Seit Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich die Rivalität zwischen der Weltmacht Spanien und der Handelsnation England immer weiter verschärft. Englische Freibeuterschiffe bedrohten ständig die zwischen der Neuen Welt und Spanien verkehrenden Schiffsverbände, die Edelmetalle, und somit die Geldmittel für den riesige Summen verschlingenden Staatsapparat, nach Spanien brachten.
Um sich zu rächen und den guten Ruf der spanischen Flotte wiederherzustellen, zog Philipp II. 1588 die gesamten Kräfte im Hafen von Lissabon zusammen. Zwar fehlte an allen Ecken und Enden das dafür nötige Geld und Essensrationen, doch der spanische König ließ sich davon nicht beirren.
Er war fest davon überzeugt, dass es Spanien von Gott aufgetragen war, den Katholizismus in aller Herren Länder zu tragen und eine Weltmacht zu sein.
Als dann nur die Hälfte der spanische Flotte, von den wendigeren englischen Schiffen und widrigen Winden stark dezimiert, in den Hafen von Viscaya zurückkehrte, stärkte diese Niederlage noch den Glauben an den "göttlichen Heilsplan":
Alles war göttliche Fügung: Hungersnöte, Niederlagen und Siege. Gott wolle seine auserwählte Nation auf die Probe stellen, doch der letztendliche Sieg sei ihnen garantiert.
Dass die Realität natürlich vollkommen anders aussah und das spanische Weltreich zusehends ins Wanken geriet - um dreihundert Jahre später völlig zusammenzubrechen -, wurde verleugnet. Die spanischen Könige schickten immer neue Soldaten in immer hoffnungslosere Kriege, Soldaten, die stolz waren auf ihre Heimat und fest davon überzeugt, dass Spaniens Weltmachtstellung unumstößlich sei.
Das spanische Theater bot seinem Publikum die besten Möglichkeiten, den Alltag mit all seinen Problemen zu verdrängen, und sich stattdessen in die Welt der glorreichen Vergangenheit Spaniens zu versetzen, in eine Welt, wo die mittelalterlichen Ideale noch etwas wert waren, wo es galt, ein tugendhaftes, ehrenvolles Leben zu führen.
Die Protagonisten fanden in den vielen Stücken, die während dieser Zeit geschrieben wurden, trotz noch so vieler Verirrungen immer wieder auf den rechten Pfad der Tugend zurück, allzu große Vergehen wurden hingegen hart bestraft. Somit belehrten sie den Zuschauer gleichzeitig, er allein sei verantwortlich, dafür zu sorgen, dass sein Leben ein tugendhaftes und sündenfreies bleibe[1]. Nur dann werde Gott im Jenseits Gnade walten lassen und alle Mühen würden belohnt.
Pedro Calderón de la Barca
Pedro Calderón de la Barca wurde am 7. Januar 1600 in Madrid geboren. Dort besuchte er als Kind eine Jesuitenschule und studierte später an der Universität zu Salamanca Theologie und Jura. Im Alter von 23 Jahren schrieb er sein erstes Theaterstück und nahm damit an einem Dichterwettbewerb teil.
Calderón wurde durch seine Stücke schnell berühmt und galt nach dem Tode Lope de Vegas im Jahre 1635 als bedeutendster Dramatiker jener Zeit. Im selben Jahr ernannte König Philipp IV. ihn zu seinem Hofdramatiker und schlug ihn 1636 sogar zum Ritter des Orden de Santiago de la Espada. Nachdem Calderón 1651 die Priesterweihe erhalten hatte, stieg er zwei Jahre später zum Domherrn der Kathedrale von Toledo auf und wurde 1666 zum königlichen Hofgeistlichen ernannt. Calderón blieb bis zu seinem Tode im Jahre 1681 schöpferisch tätig.
Während seiner gesamten Schaffenszeit schrieb er um die 120 comedias[2]: Comedias de capa y espada[3] wie "La dama duende" (1629), Ehrendramen wie "El médico de su honra" (um 1629), philosophische Stücke wie "La vida es sueño" (1635) und mythologische Stücke wie "La hija del aire" (1653) oder "La estatua de Prometeo" (1669).
Außerdem verfasste Calderón etwa 80 autos sacramentales[4] - z.B. " La cena del rey Baltasar" (1634) oder "El gran teatro del mundo" (1649) - und dazu kommen noch ungefähr 30 kleinere Stücke.
Zum Inhalt von "El médico de su honra"
Auf dem Weg nach Sevilla stürzt der infante[5] Enrique vom Pferd. Um sich zu erholen wird er in ein Landhaus gebracht und trifft dort seine alte Liebe Doña Mencía wieder. Auch in ihr erwachen bei dem Wiedersehen die alten Gefühle wieder, doch da sie mit Don Gutierre verheiratet ist, versucht sie, diese zu unterdrücken. Als Enrique davon erfährt, ist er schwer enttäuscht und will sofort aufbrechen.
Also reisen Enrique und Gutierre nach Sevilla. Dort muss dieser dem König erklären, warum er Doña Leonor ein Eheversprechen gegeben, es aber nicht eingehalten habe, weshalb Leonor sich nun bei ihm beschwere. Gutierre erwidert, er habe einen Rivalen beim Sprung von ihrem Balkon ertappt. Don Arias verteidigt Leonor und sagt, dass er es gewesen sei, als er bei ihr seine Geliebte, eine Magd, besucht habe. Es kommt zum Handgemenge zwischen Arias und Gutierre und der König lässt sie ins Verlies sperren.
Diese Gelegenheit nutzt Enrique um Mencía wiederzusehen. Doch Don Gutierre ist durch seine guten Beziehungen zum Kerkermeister freigekommen und als er nach Hause zurückkehrt, versteckt Mencía Enrique aus Angst, weil sie sich bei etwas Unerlaubtem ertappt fühlt. Mencía löscht das Licht und so kann der Infante unerkannt fliehen.
Auf der Suche nach dem vermeintlichen Einbrecher, für den Mencía den Infanten ausgibt, findet Don Gutierre dessen Dolch und schöpft Verdacht, dass Enrique bei ihr war.
Am folgenden Tag hält Don Arias um Leonors Hand an um ihre Ehre wiederherzustellen, doch sie lehnt ab. Das würde nur den Verdacht ihrer Untreue bestätigen, den Gutierre ihr gegenüber hege, erklärt sie.
Gutierre, inzwischen vom Infanten aus dem Gefängnis geholt, besucht seine Frau in der folgenden Nacht wieder. Diese hält ihn für Enrique, und Gutierre fühlt sich nochmals in seinem Verdacht bestätigt. Am folgenden Tag berichtet er dem König von seinen Sorgen und dieser versteckt ihn, als der Infant kommt, um ihm seine Liebe zu Mencía zu gestehen.
Durch das belauschte Gespräch verhärtet sich Gutierres Verdacht und er sieht seine Ehre in Gefahr, die er nur durch Mencías Tod glaubt retten zu können. Wieder zu Hause ertappt er Mencía, wie sie Enrique, der aus Liebeskummer ihretwegen das Land verlassen will, einen Brief schreibt, um ihn zurückzuhalten.
Da sie in Ohnmacht fällt, als Gutierre eintritt, kann sie ihm nichts erklären und Gutierre, der auch den Brief als Liebesbrief für den Infanten deutet, gibt ihr noch zwei Stunden zum Leben.
Um seinen Plan, Mencía zu töten, in die Tat umzusetzen, holt Gutierre einen Arzt herbei, der sie zur Ader lassen soll bis sie verblutet. Als er nach der Tat ihn als Mitwisser beseitigen will, treffen sie auf den König, und Gutierre flüchtet.
Der Arzt beichtet dem König die Greueltat, zu der Gutierre ihn gezwungen hat, und weist ihm den Weg zu dessen Haus. Der König erkennt, dass Gutierre fürchterliche Rache an seiner Frau geübt hat, und als Gutierre ihm alles erklären will, lehnt er jegliche Entschuldigungen ab, ordnet stattdessen sogar an, dass er Leonor heiraten solle. Somit lässt er Gutierre seine nicht eingehaltene Verpflichtung einlösen.
Ehrbegriff und Adel
Gutierre folgt dem Ehrenkodex. Doch was bedeutet das? Hans Joachim Müller spaltet die Standesehre der Adligen in zwei Arten von Ehre: honor und honra. Honor ist die von Gott gegebene Ehre, die einem Edelmanne angeboren ist. Sie wird bestimmt durch die Reinheit des Blutes und die Abstammung. "Die einzige Aufgabe, die dem Individuum [...] zukommt, ist die Bewahrung seiner Ehre."[6]
[...]
[1] Ein Weg dorthin war die regelmäßige Beichte, die von der katholischen Kirche im Jahre 1215 zur Pflicht eines jeden guten Christen erklärt worden war.
[2] comedia obra dramática en cuya acción predominan los aspectos amables o humorísticos y que tiene un final feliz (aus: Diccionario Salamanca de la lengua española)
[3] comedia de capa y espada obra dramática de costumbres caballerescas del teatro español en el siglo de Oro (aus: Dicc. Salam.)
[4] auto
[5] antigua composición dramática breve en la que suelen intervenir personajes bíblicos o alegóricos (aus: Dicc. Salam.) infante (en este contexto) título que se daba antiguamente a los parientes del rey (Dicc. Salam.)
[6] Hans-Joachim Müller, S. 38