In Deutschland besteht nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag grundsätzlich eine Gebührenpflicht für jedes zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkgerät unabhängig davon, ob und von welchem Sender tatsächlich (öffentlich-rechtliche) Rundfunksendungen empfangen werden. Es fragt sich, ob das deutsche System der Rundfunkfinanzierung mit den Art. 87 ff EGV vereinbar ist. Diese Frage ist bisher noch nicht vor den EuGH gelangt. Die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkfinanzierung, wie sie in Deutschland und in ähnlicher Form auch in den meisten anderen europäischen Mitgliedstaaten erfolgt, ist jedoch seit Jahren umstritten. In der Literatur finden sich dazu zahlreiche Aufsätze aus den vergangenen Jahren, jedoch keiner jüngeren Datums, der das Stromeinspeisungs-Urteil des EuGH vom 13.3.2001 und das SIC- Urteil des EuG vom 10.5.2000 in die Überlegungen mit einbezieht. Durch diese beiden Urteile, auf die in der Arbeit genauer eingegangen wird, ist Bewegung gekommen in die Frage der Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkfinanzierung. Darum wird in dieser Arbeit unter besonderer Beachtung dieser beiden Urteile geprüft, ob die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie sie zurzeit in Deutschland erfolgt, mit dem Europäischen Beihilferecht vereinbar ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Bedeutung und Aktualität der Fragestellung
- Bisherige Entscheidungspraxis der Kommission
- „Telecinco"
- „TFI"
- „RTP"
- „Phoenix und Kinderkanal"
- „BBC News 24"
- Prüfung, ob die deutschen Rundfunkgebühren unzulässige staatliche Beihilfen i.S.d. Art 87ff EGV sind
- Tatbestand des Art 87 1 EG-Vertrag
- Anwendbarkeit des EGV
- Wirtschaftliche Tätigkeit
- Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten
- Keine Bagatellsummen
- Begünstigung von Unternehmen
- Unternehmen
- Begünstigung
- Berücksichtigung der Gegenleistung (Ausgleichsansatz)
- Rein ökonomischer Vergleich (Beihilfenansatz)
- Diskussion
- Staatliche Mittel
- Selektivität
- Wettbewerbsverzerrung
- Ergebnis
- Anwendbarkeit des EGV
- Rechtfertigung nach Art. 86 11 EGV?
- Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
- „Betraut"
- Unmöglichkeit der Erfüllung der besonderen Aufgabe bei Anwendung des EGV
- Verhältnismäßigkeit
- Ergebnis
- Rechtfertigung nach Art. 87 11 a), 111 d) EGV?
- Gesamtergebnis
- Ausblick und Bewertung
- Tatbestand des Art 87 1 EG-Vertrag
- Literaturverzeichnis:
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob die deutschen Rundfunkgebühren, die zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben werden, unzulässige staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 87ff EGV darstellen. Die Arbeit untersucht die Anwendbarkeit des EU-Beihilferechts auf die Rundfunkgebühren und analysiert die Tatbestandsmerkmale des Art. 87 1 EGV. Dabei wird insbesondere auf die Frage eingegangen, ob die Rundfunkgebühren einen Wettbewerbsvorteil für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegenüber privaten Sendern schaffen.
- Anwendbarkeit des EU-Beihilferechts auf die Rundfunkgebühren
- Tatbestandsmerkmale des Art. 87 1 EGV
- Wettbewerbsvorteil durch die Rundfunkgebühren
- Rechtfertigungsmöglichkeiten nach Art. 86 11 EGV und Art. 87 11 a), 111 d) EGV
- Verhältnismäßigkeit der Rundfunkgebühren
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Bedeutung und Aktualität der Fragestellung dar und beleuchtet die bisherige Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission im Hinblick auf die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Mitgliedstaaten. Es werden verschiedene Fälle vorgestellt, in denen private Rundfunkanstalten Beschwerden gegen die staatliche Finanzierung öffentlich-rechtlicher Sender eingereicht haben. Die Kommission hat sich in diesen Fällen jedoch meist zurückhaltend verhalten und erst nach gerichtlichen Interventionen Entscheidungen getroffen.
Im Hauptteil der Arbeit wird geprüft, ob die deutschen Rundfunkgebühren unzulässige staatliche Beihilfen i.S.d. Art. 87ff EGV sind. Zunächst wird die Anwendbarkeit des EGV auf die Rundfunkgebühren untersucht. Es wird festgestellt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten durch die Rundfunkgebühren beeinträchtigt wird. Die Rundfunkgebühren sind auch keine Bagatellsummen, so dass Art. 87 1 EGV anwendbar ist. Anschließend wird geprüft, ob die Rundfunkgebühren eine Begünstigung von Unternehmen im Sinne des Art. 87 1 EGV darstellen. Es wird dabei auf die unterschiedlichen Ansätze der Kommission und des EuG eingegangen. Die Kommission argumentiert, dass die Rundfunkgebühren eine angemessene Gegenleistung für die besonderen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellen und daher keine Begünstigung vorliegt. Der EuG hingegen vertritt die Auffassung, dass die Rundfunkgebühren einen finanziellen Vorteil für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten darstellen und daher als Beihilfe im Sinne des Art. 87 1 EGV qualifiziert werden müssen. Die Arbeit stellt sich auf den Standpunkt des EuG und argumentiert, dass die Gegenleistung erst im Rahmen der Rechtfertigung nach Art. 86 11 EGV zu berücksichtigen ist. Anschließend wird geprüft, ob die Rundfunkgebühren staatliche Mittel im Sinne des Art. 87 1 EGV darstellen. Es wird dabei auf das Stromeinspeisungs-Urteil des EuGH vom 13.3.2001 eingegangen, in dem der EuGH den Beihilfecharakter einer staatlichen Regelung verneinte, obwohl diese auf einem Gesetz beruhte und bestimmten Unternehmen Vorteile gewährte. Die Arbeit argumentiert, dass die Rundfunkgebühren, die auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und von einer quasi-staatlichen Stelle wie der GEZ eingezogen werden, auch nach dem Stromeinspeisungs-Urteil als staatliche Mittel anzusehen sind. Weiterhin wird geprüft, ob die Rundfunkgebühren selektiv nur für bestimmte Unternehmen gelten und ob sie zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. Es wird festgestellt, dass die Rundfunkgebühren nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugute kommen und dass sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Sendern schaffen. Es wird daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die deutschen Rundfunkgebühren staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 87 1 EGV darstellen.
Im nächsten Kapitel wird geprüft, ob die Rundfunkgebühren nach Art. 86 11 EGV gerechtfertigt werden können. Es wird festgestellt, dass die Rundfunkgebühren zur Finanzierung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, der medialen Grundversorgung der Bevölkerung, dienen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wurden mit der Erbringung dieser Dienstleistung betraut. Die Anwendung der Wettbewerbsregeln würde die Erfüllung der besonderen Aufgabe der Grundversorgung rechtlich oder tatsächlich gefährden. Die Arbeit argumentiert, dass die Rundfunkgebühren in ihrer heutigen Form verhältnismäßig sind, da sie zur Verfolgung eines geeigneten Ziels erforderlich und angemessen sind. Es wird festgestellt, dass die Rundfunkgebühren zur Sicherstellung der medialen Grundversorgung der Bevölkerung erforderlich sind und dass die Höhe der Gebühren nicht über das Erforderliche hinausgeht. Die Arbeit argumentiert, dass das deutsche System der Rundfunkgebührenfinanzierung in seiner heutigen Form angemessen ist im Hinblick auf den Zweck der Sicherung der medialen Grundversorgung der Bevölkerung. Die Verhältnismäßigkeit zwischen der Leistung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (mediale Grundversorgung der Bevölkerung unter teilweisem Werbeverzicht) und der Gegenleistung der Allgemeinheit (Rundfunkgebührenzahlung) ist daher zu bejahen.
Abschließend wird geprüft, ob die Rundfunkgebühren nach Art. 87 11 a), 111 d) EGV gerechtfertigt werden können. Es wird festgestellt, dass die Rundfunkgebühren nicht als Kulturbeihilfe im Sinne des Art. 87 111 d) EGV gerechtfertigt werden können, da der Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht nur auf die Förderung der Kultur beschränkt ist.
Im Gesamtergebnis wird festgehalten, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland durch die Rundfunkgebühr den Tatbestand des Art. 87 1 EGV erfüllt. Die Rundfunkgebühr stellt damit eine Beihilfe im Sinne des Art. 87ff EGV dar. Durch Art. 86 11 EGV wird jedoch die Anwendbarkeit der Beihilferegelungen ausgeschlossen, da die Sicherung der Grundversorgung eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist, deren Erfüllung ohne die Rundfunkgebühren nicht in der bisherigen Form möglich wäre. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühren ist zurzeit auch noch verhältnismäßig und darum europarechtlich zurzeit nicht zu beanstanden.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das EU-Beihilferecht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Rundfunkgebühren, die Grundversorgung der Bevölkerung, die Wettbewerbsverzerrung, die Rechtfertigungsmöglichkeiten nach Art. 86 11 EGV und Art. 87 11 a), 111 d) EGV sowie die Verhältnismäßigkeit der Rundfunkgebühren. Der Text analysiert die Anwendbarkeit des EU-Beihilferechts auf die Rundfunkgebühren und untersucht die Tatbestandsmerkmale des Art. 87 1 EGV. Dabei wird insbesondere auf die Frage eingegangen, ob die Rundfunkgebühren einen Wettbewerbsvorteil für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegenüber privaten Sendern schaffen. Der Text diskutiert verschiedene Rechtsprechungsfälle des EuGH und des EuG und kommt zu dem Schluss, dass die deutschen Rundfunkgebühren staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 87 1 EGV darstellen, die jedoch durch Art. 86 11 EGV gerechtfertigt werden können.
- Quote paper
- Anna Keller (Author), 2002, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und das EU-Beihilferecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178274