Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU1
2.1 Definition
2.2 Bedeutung von KMU in Deutschland
2.3 Unterschiede zu Großunternehmen
2.4 Stärken und Schwächen
3 Management und seine Aufgaben
4 Prozessmanagement
4.1 Bestimmung von Prozess und Prozessmanagement
4.2 Geschichte und Entwicklung des Prozessmanagement
4.3 Bedeutung des Prozessmanagementfür KMU
4.4 Prozessarten
4.5 Prozessidentifikation und -abgrenzung
4.6 Einführung einer Prozessorganisation
4.7 Bedeutung der IT-Landschaft für Prozessmanagement
4.8 Prozessmodellierung
4.8.1 Vorgehensweise zur Prozessmodellierung
4.8.2 Festlegung eines Ordnungsrahmens
4.8.3 Grundsätze der Prozessmodellierung
4.8.4 Ausgewählte Sprachen zur Modellierung von Geschäftsprozessen
4.8.4.1 Grundsätzliche Einteilung der Methoden
4.8.4.2 EPK: Ereignisgesteuerte Prozesskette
4.8.4.3 UML: Unified Modeling Language
4.8.4.4 BPMN: Business Process Modeling Notation
4.9 Prozesscontrolling..
4.9.1 Grundsätze des Prozesscontrollings
4.9.2 Erhebung von Prozesskennzahlen
4.9.3 Strategische Prozessplanung mit der Balanced Scorecard
4.9.4 Operative Prozessplanung am Beispiel der Kundenzufriedenheit
5 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse
6 Methoden zur Prozessverbesserung und -optimierung.
6.1 Steigerung der Prozessleistung durch Total Cvcle Time (TCT1
6.2 Steigerung der Prozessleistung durch KAIZEN.
6.3 Steigerung der Prozessleistung durch Six Sigma
6.4 Bewertung der Methoden zur Prozessverbesserung
7 Abschließende Betrachtung
8 Fazit
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anteile kleiner und mittlerer Unternehmen an ausgewählten Merkmalen 2007
Abbildung 2: Prozesseinteilung
Abbildung 3: Prozessabgrenzung
Abbildung 4: Komplexitätssteigerung in wachsenden Unternehmen.
Abbildung 5: Beispiel für einen Organisationsrahmen: Das Handels-H-Modell
Abbildung 6: Basiselemente einer EPK
Abbildung 7: Beispiel einer einfachen EPK
Abbildung 8: UML-Diagrammtypen
Abbildung 9: Symbole des BPMN
Abbildung 10: Prozesscontrolling im Führungssystem eines Unternehmens
Abbildung 11: Aufgaben und Komponenten des operativen Prozesscontrolling
Abbildung 12: Konzept der Prozess-Balanced Scorecard
Abbildung 13: Kundenzufriedenheitsprofil
Abbildung 14: Hebelwirkung von Barrieren in Geschäftsprozessen
Abbildung 15: Der KAIZEN Schirm
Abbildung 16: Six Sigma Werkzeuge
Abbildung 17: Kreislauf der Prozessverbesserung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: KMU und Mittelstand: Definitionen im Vergleich
Tabelle 2: Phasenmodelle zur Einführung einer Prozessorganisation
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Prozessmanagement (PM) wird in der Literatur vorwiegend abstrakt betrachtet und analysiert. Zum besseren Verständnis der dargestellten Zusammenhänge werden in der Literatur weitestgehend Beispiele von Großunternehmen gewählt. Diese treiben die Umsetzung von PM in der Praxis stark voran und genießen daher eine besondere Beachtung durch die Wirtschaftswissenschaft. Da jedoch der überwiegende Teil der Unternehmen in Deutschland kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind1, wird diese Positionierung dem Bedarf möglicherweise nicht gerecht. In der vorliegenden Ausarbeitung soll, vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Stands der Entwicklung, der Fokus besonders auf die Anwendung von PM in KMU gelegt werden. Da sich die Organisationsstruktur von Großunternehmen und KMU unterscheidet, bestehen auch für das PM unterschiedliche Parameter. In diesem Zusammenhang kann man davon ausgehen, dass sowohl die Anforderungen als auch die Umsetzungen von PM in KMU anders positioniert sind als in Großunternehmen. PM ist ein Schlüssel zur Steigerung der Effizienz in Unternehmen. Die Entwicklung zur zunehmenden Vergleichbarkeit von Produkten, sowie sinkender Margen für Hersteller als auch den Handel durch ein immer transparenteres Angebot, fordert die stetige Optimierung und Weiterentwicklung der innerbetrieblichen Prozesse um im Wettbewerb bestehen zu können. Besonders die Landschaft der KMU ist in Deutschland durch einen zunehmenden Verdrängungswettbewerb mit Großunternehmen sowie die Konsolidierung geprägt2.
Angesichts der zunehmenden Bedeutung von PM in deutschen Unternehmen wird sich die vorliegende Arbeit speziell mit der Bedeutung sowie der Chancen und Risiken bei der Umsetzung von PM in KMU beschäftigen. Dabei werden insbesondere die Unterschiede zum PM in Großunternehmen untersucht, um Schlussfolgerungen für die Anwendung in KMU ziehen zu können. Mit dieser Ausarbeitung wir das Ziel verfolgt die Chancen und Risiken von PM für KMU zu erarbeiten, sowie dem Leser Handlungsempfehlungen zur Einführung sowie Weiterentwicklung von PM zur Verfügung zu stellen.
Die vorliegende Arbeit lässt sich in drei Teile untergliedern. Im ersten Teil werden die Ausprägungen von KMU untersucht. Diese werden mit den Charakteristika von Großunternehmen verglichen, um eine Abgrenzung zu ermöglichen sowie Überschneidungen als auch grundlegende Unterschiede zu erkennen. Dabei werden auch die wirtschaftliche Bedeutung sowie die Kultur der jeweiligen Unternehmenskategorie untersucht. Durch die Darstellung der Grundlagen des PMs wird im zweiten Teil ein Einstieg in das Untersuchungsfeld realisiert. Neben der begrifflichen Bestimmung von Management allgemein, sowie Prozess und PM im Speziellen, erfolgt ein Überblick über die Geschichte des PMs sowie seinen Aufgaben. In einem ersten Schritt werden in dieser Ausarbeitung die Tools des PM dargestellt und eine Bewertung zur Anwendbarkeit in KMU vorgenommen. Davon ausgehend können Rückschlüsse auf die Chancen und Risiken gezogen werden, welche den Ausgangspunkt für daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen bilden. Im dritten Teil der Arbeit werden die herausgearbeiteten Eckpunkte zu Ergebnissen zusammengefasst. Ferner werden Handlungsempfehlungen erarbeitet. Mit einem Ausblick endet diese Arbeit.
2 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
2.1 Definition
Eine allgemein anerkannte Definition für kleine und mittlere Unternehmen existiert nicht.3 Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn definiert ein Unternehmen als kleines Unternehmen, wenn es unabhängig ist und zum einen bis zu neun Mitarbeiter hat, zum anderen weniger als 1 Mio. € Jahresumsatz erwirtschaftet. Ein Unternehmen ist ein mittleres Unternehmen, wenn es unabhängig und kein kleines Unternehmen ist. Zudem darf es bis zu 499 Mitarbeiter beschäftigen und weniger als 50 Mio. € Jahresumsatz erwirtschaften4.
Die Europäische Union (EU) legt eine andere Skala bei der Definition zu Grunde. Es wird zusätzlich zwischen kleinen und Kleinstunternehmen unterschieden, ferner wird ein Unternehmen mit mehr als 50 Mio. Euro Jahresumsatz und mehr als 250 Mitarbeitern bereits als Großunternehmen bewertet. Im Umkehrschluss sind daher abhängige Unternehmen mit, je nach Definition, mehr als 250 oder 500 Mitarbeitern große Unternehmen.
In dieser Arbeit wird die KMU-Definition nach der Empfehlung der Europäischen Union zugrunde gelegt, da diese auch vom statistischen Bundesamt publiziert wird5. In der folgenden Übersicht sind beide Definitionen gegenüber gestellt6:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 : KMU und Mittelstand: Definitionen im Vergleich
Quelle: Philipp, S., KMU 2010
Ein Unternehmen wird nur dann der Gruppe der KMU zugerechnet, wenn es in die genannte Größenordnung eingeordnet werden kann und die Unternehmensführung sowohl juristisch als auch wirtschaftlich eigene Interessen durchsetzen kann. Folglich muss es unabhängig von einem Konzern sein7.
2.2 Bedeutung von KMU in Deutschland
Der Anteil der KMU stellt in Deutschland mit 99,7% den mit Abstand größten Teil der Unternehmen dar. Diese beanspruchen auch den überwiegenden Teil der Beschäftigten in Deutschland, erwirtschaften jedoch aus einem Drittel des Gesamtumsatzes in Deutschland fast die Hälfte der Wertschöpfung. Zudem stellen KMU in Deutschland fast die Hälfte der Bruttoanlageinvestitionen. Mittelständische Unternehmen sind überwiegend auf Nischenmärkte ausgerichtet, Großunternehmen erbringen zumeist standardisierte Massendienstleistungen. KMU sorgen für ausgesprochenen Wettbewerb sowie stetige Innovationsfähigkeit. Somit bilden KMU das Rückgrat der deutschen Wirtschaft8. Durch den hohen Identifikationsgrad der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber und die, i]m Vergleich zum Großunternehmen, höhere Arbeitsautonomie prägen KMU die gesellschaftliche Entwicklung. Je mehr Eigenverantwortung in einer Gesellschaft besteht, desto stärker sind Kreativität, Risikobereitschaft und Leistungswille ausgeprägt9.
In der nachfolgenden Grafik vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden sind einige ausgewählte Kennzahlen dargestellt10:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anteile kleiner und mittlerer Unternehmen an ausgewählten Merkmalen 2007
Quelle: Statistisches Bundesamt 2010
2.3 Unterschiede zu Großunternehmen
Ein besonderes Merkmal im Unterschied zu Großunternehmen besteht in der Führung von KMU. Diese sind zumeist Inhabergeführt und damit sehr personenbezogen. Daher liegt mehrheitlich eine Einheit von Eigentum, Führung und Haftung vor, was auch in der Wahl der Rechtsform erkennbar ist. Die meisten KMU sind Personengesellschaften, woraus eine Beziehung aus wirtschaftlicher Existenz des Unternehmens und des Unternehmers resultiert.11 Es besteht ein enges, direktes und informelles Verhältnis zwischen dem Unternehmer und den Mitarbeitern. Innerhalb des Unternehmens existieren nur wenige Hierarchieebenen, die Mitarbeiter sind oft wenig spezialisiert. Der Mitarbeiter in KMU identifiziert sich oft stark mit dem Unternehmen, man kann in diesem Fall von einem loyalen Verhältnis zum Unternehmen sprechen. Die Unternehmensführung fällt strategische Entscheidungen häufig auf Grundlage weniger Informationen und somit eher intuitiv. Eine weitere Besonderheit ist die Einbettung der Familie. KMU sind überwiegend in Besitz und Kontrolle des Inhabers oder Gründers, oft arbeiten Familienmitglieder im Unternehmen mit. Die Führung hat zumeist einen handwerklichen oder technischen Ausbildungshintergrund. Betriebswirtschaftliche Fähigkeiten werden als wenig relevant betrachtet und sind des Öfteren autodidaktisch angeeignet. Diese Merkmale gelten nicht für alle KMU, werden aber für diese Betriebsgröße von Fueglistaller und Müller als typisch erachtet. Die Struktur der Betriebe in verschiedenen Branchen unterscheidet sich sehr voneinander. Gemeinsam hat dennoch die Gesamtheit der Unternehmen, dass sich die beschriebene Struktur ab einer Grenze von 250 Mitarbeitern zu verändern beginnt. Die Mitarbeiter sind spezialisiert, es entwickelt sich eine deutliche betriebswirtschaftliche Verwaltungsstruktur. Jedoch sind auch hier die Grenzen in unterschiedlichen Branchen und zwischen einzelnen Unternehmen fließend. Grundsätzlich sind Großunternehmen im Gegensatz zu KMU durch eine personelle Trennung von Unternehmensbesitz und Unternehmensleitung gekennzeichnet. Große Unternehmen werden somit nicht von Unternehmern im eigentlichen Sinn geleitet, sondern obliegen der Führung angestellter Manager.12
2.4 Stärken und Schwächen
ln der wirtschaftlichen Betrachtung sind Stärken Wettbewerbsvorteile, welche von der Konkurrenz nicht unmittelbar imitiert werden können. Schwächen sind analog dazu Wettbewerbsnachteile. Grundsätzlich sollte die Unternehmensstrategie den Ausbau der Stärken vorantreiben und Schwächen abbauen um im Wettbewerb bestehen zu können.13
Aus den im Kapitel 2.3 beschriebenen charakteristischen Merkmalen von KMU ergeben sich bezeichnende Stärken und Schwächen. Durch die Konzentration der Entscheidungsbefugnisse sowie kurze Informationswege ergibt sich eine flexible Reaktionsfähigkeit auf Marktchancen sowie veränderte Bedürfnisse. Eine bürokratische Struktur wie in Großunternehmen, die eine kurzfristige Reaktion hemmt, ist nicht vorhanden.14 Besonders hervorzuheben als Stärke von KMU ist die Kundenorientierung aller Mitarbeiter. Durch die überschaubare Unternehmensgröße kommen nahezu alle Mitarbeiter entlang der Wertschöpfungskette in Kontakt mit den Kunden. Daraus resultiert ein tiefes Verständnis aller Mitarbeiter für die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden. Durch die flexible Organisation und Anpassungsfähigkeit kann schnell auf veränderte Bedürfnisse der Kunden reagiert werden.15
Als signifikante Schwäche kann die Ressourcenknappheit von KMU im Vergleich mit Großunternehmen angeführt werden. Die Faktoren Personal, Kapital und Informationen schränken die Handlungsmöglichkeiten erheblich ein. Neben der geringen Mitarbeiterzahl ist die Kapitalbeschaffung ein besonders limitierender Faktor. Aufgrund der im Vergleich zu Großunternehmen schlechten Ratings, geringen Bedarfsvolumina, marginalen Marktmacht und wenig Sicherheiten ist die Beschaffung von Fremdkapital schwieriger und kann nur in geringerem Umfang sowie teilweise zu schlechteren Konditionen realisiert werden.16 Der Unternehmer kann in der Regel nicht auf beratende Stabsstellen zurückgreifen und erfüllt viele Funktionen in einer Person. Daher ist der Erfolg des Unternehmens in besonderem Maße von seinem Engagement, des Geschicks die beschriebenen Stärken effektiv einzusetzen sowie seiner Qualifikation abhängig. Ein weiterer Schwachpunkt bei KMU ist das Absatzvolumen. Da zumeist Nischenmärkte mit kleinen Stückzahlen bedient werden, kann das Unternehmen nicht von Kosteneinsparungen durch Economies of Scale (Massenproduktion) profitieren. KMU können zudem nicht immer die Distributionskanäle frei wählen, der Aufbau einer Marke sowie der Markenführung erweist sich mit den beschriebenen Kriterien ebenfalls als große Herausforderung. Dieses wirkt sich auf der Beschaffungsseite durch schlechtere Konditionen aufgrund der geringeren Abnahmemengen aus. Bei Lieferengpässen werden teilweise Großabnehmer bevorzugt, sodass Kleinunternehmen in diesen Fällen das Material ausgeht.17
3 Management und seine Aufgaben
Management ist ein Phänomen das auftritt, wenn Menschen zusammenkommen um arbeitsteilig eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen, unabhängig davon, ob es in einem Unternehmen oder in einer anderen Art von Zusammenschluss ist. Die Rolle des Managements besteht immer in der Koordination der beteiligten Menschen um die Aufgabe bestmöglich zu erfüllen. Management bezeichnet also die Einflussnahme, im Rahmen von Unternehmen bezieht es die materiellen und immateriellen Güter mit ein. Damit überlagert es die Leistungserbringung durch Beschaffung, Produktion und Absatz und steht zu dieser in einer komplementären Beziehung. Da Management die Aufgaben hat Menschen zu koordinieren und auf ihr Verhalten Einfluss zu nehmen um bestimmte Handlungen zu erwirken, besitzt es sowohl eine personelle als auch eine sachliche Dimension. Die personelle Dimension des Management besteht in der Einflussnahme auf das Verhalten der Mitarbeiter, diese sollen so beeinflusst und koordiniert werden, dass die Unternehmensziele bestmöglich erreicht werden. Der sachlichen Dimension werden die inhaltlichen Funktionen des Managements, also Planung, Steuerung, Koordination und Kontrolle zugeordnet. Den Ausgangspunkt bildet das strategische Management, und damit die Planung mit der Definition von Zielen und Maßnahmen zur Zielerreichung. Unter der Steuerung wird das operative Management subsumiert, es bildet die Verknüpfung von Planung und Realisation. Inhaltlich werden Pläne in Aufgaben umgewandelt. Diese werden in einem darauf folgenden Schritt Mitarbeitern zugeordnet, die diese Aufgaben erfüllen. Durch die Kontrolle der vergebenen Aufgaben können Abweichungen vom strategischen Plan identifiziert und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.18 Diese beschriebenen Aufgaben und Funktionen finden sich natürlich im PM wieder und werden zu einem späteren Zeitpunkt weiter erläutert.
4 Prozessmanagement
4.1 Bestimmung von Prozess und Prozessmanagement
Das Projektmanagement, wie auch das in dieser Ausarbeitung untersuchte Prozessmanagement, bilden das Bindeglied zwischen der Aufbauorganisation der ersten Ebene und den detaillierten Aufgaben des Mitarbeiters. Ein Prozess besteht aus den Bestandteilen Anstoß, Input, Aktivität, Output, Lieferant und Kunde.19 Der Prozess wird als abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Abfolge von Aktivitäten definiert, die zur Bearbeitung eines prozessprägenden betriebswirtschaftlichen Objektes dient.20 Abgrenzen lassen sich Prozesse innerhalb eines Unternehmens von Geschäftsprozessen durch die Kundenorientierung. Ein Prozess wird als Geschäftsprozess bezeichnet, wenn er sich mit der Leistungserbringung für einen externen Kunden beschäftigt und somit zur Sicherung der Einnahmen und zum Fortbestand des Unternehmens beiträgt. Pirntke führt als Beispiel für einen Geschäftsprozess die Bestellung eines Buches in einem Online Shop an. Nach der Bestellung durch den Kunden, die für den Mitarbeiter des Unternehmens den Anstoß darstellt, wird die Bestellung verarbeitet (hier: Aktivität) und das Buch verpackt und versendet (hier: Output). Grundsätzlich lassen sich alle Aktivitäten eines Unternehmens als Prozess darstellen.21 Geschäftsprozessmanagement (GPM) ist eine Vorgehensweise zur prozessorientierten Unternehmensgestaltung, bei der im Gegensatz zur Aufbauorganisation nach Funktionsbereichen, die Ablauforganisation betrachtet wird. GPM wendet sich der Untersuchung „wer macht was wann und wie“ zu und versucht dieses zu optimieren. Im Fokus steht die Dokumentation, Gestaltung und Verbesserung von Geschäftsprozessen und deren IT Unterstützung. Die Prozessgestaltung bedient sich standardisierter Modellierungssprachen wie etwa der Ereignisgesteuerten Prozesskette (EPK) oder Business Process Modeling Notation (BPMN).22 Die strikte Orientierung aller Mitarbeiter und Führungskräfte an den Geschäftsprozessen und damit einer Verbesserung des Unternehmens führt für den Kunden zu einem höheren Nutzen und damit zu einer größeren Zufriedenheit und Bindung.23 Zu den Aufgaben des PM zählen Prozessanalyse, Prozessgestaltung und Prozesssteuerung.24 PM hat damit einen hohen Einfluss bei der Erreichung von strategischen und operativen Zielen eines Unternehmens. Es beginnt mit der Ausrichtung der Prozesse auf die Unternehmensstrategie. Die Steigerung von Effektivität und Effizienz des Unternehmens durch erfolgreiches PM bedingt somit auch eine Steigerung des Unternehmenswertes durch verbesserte Kundenorientierung.25 Im Methodenbaukasten von PM findet sich ein umfangreiches Repertoire unterschiedlicher Vorgehensweisen. Die Tools sind in sechs Gruppen aufgeteilt: Project planning and implementing tools, idea creating tools, process analysis tools, data collection and analysis tools, cause analysis tools sowie evaluation and decisionmaking tools. Zu den verbreitetsten zählen die Balanced Scorecard, das Mind Map, das Workflow Diagramm und das Pareto Diagramm.26 Der Baukasten ist mit mehr als 70 Methoden so umfangreich, dass die Auswahl eines geeigneten Tools schwer fällt. Zudem besteht auch die Gefahr der unangemessenen Anwendung, weil die Wirkung der einzelnen Tools überschätzt wird.27 Im weiteren Verlauf der Untersuchung werden ausgewählte Tools detailliert auf die Anwendung in KMU analysiert.
4.2 Geschichte und Entwicklung des Prozessmanagement
In der Vergangenheit wandten sich Unternehmen der Verbesserung einzelner Funktionsbereiche zu. Dieses hatte zur Folge, dass sich lokale Optima herausbildeten, das Gesamtergebnis jedoch nur bedingt optimiert werden konnte. Zudem entstanden erhebliche Koordinationskosten zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen. Der technologische Fortschritt erlaubte durch den Einsatz neuer Kommunikationstechnologien, wie etwa dem Internet, organisatorische Veränderungen sowie die Auslagerung ganzer Unternehmensbereiche mit einer erheblichen Steigerung von Qualität und Produktivität. Abstimmungsprozesse innerhalb der Funktionsbereiche werden mit dem Einsatz neuer Technologie beschleunigt, strukturelle Probleme jedoch nicht beseitigt. Globalisierte Abläufe, zunehmender internationaler Kostendruck sowie der verstärkte Einsatz von unternehmensweiter Standardsoftware bedingen den heutigen ganzheitlichen Blick auf Prozesse. Seit Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wird die prozessorientierte Unternehmensführung zunehmend forciert.28
Innerhalb einer Organisation wird die Entwicklung zum PM zumeist durch den aufkommenden Dokumentationsbedarf für eine Zertifizierung angestoßen. Um den Anforderungen der meisten Zertifizierungen zu genügen, müssen in einem ersten Schritt Prozesse definiert und Verantwortliche benannt werden. Die Prozessdefinition orientiert sich dabei zu Beginn an den vorhandenen Funktionen und Abteilungen. Das Qualitätsmanagement (QM) kann die erschaffenen Strukturen anwenden um das Unternehmen oder eine Geschäftseinheit zertifizieren zu lassen. Darauf folgt ein erstes PM, das sich innerhalb der Funktionsgrenzen bewegt und für einzelne Abteilungen Kennzahlen definiert um Verbesserungen messbar zu machen. Prozessteams eruieren Möglichkeiten um vorhandene Barrieren zu beseitigen. In einem weiteren Schritt werden erste Prozessverbesserungsmethoden (PVM) angewendet und das funktionsübergreifende PM eingesetzt. Da die Optimierung der nach dem ursprünglichen Schema aufgestellten Abteilungen begrenzt ist, erfolgt zwangsläufig ein Reengineering der Prozesse und die vollständige Ausrichtung des Unternehmens am Kunden. Im finalen Schema existiert eine vollständige Prozessorganisation, in dem Prozesse den Kern des Geschäfts darstellen und ein integraler Bestandteil der Organisation sind. Im Gegensatz zur Ausgangssituation existieren nicht einzelne Abteilungen nebeneinander sondern sind über integrierte Prozesse mit einander verknüpft. Die unterschiedlichen Managementsysteme bedienen sich gemeinsamer Standards und Tools und fokussieren eine durchgängige Prozessorganisation.29 Diese verallgemeinerte Entwicklung stellt zum einen die allgemeine historische, wie auch die unternehmensindividuelle Entwicklung zum GPM dar. Besonders beispielhaft ist dieses für KMU, da mit zunehmendem Wachstum die Erschließung neuer Märkte oft nur über ein höheres Qualitätsniveau und damit über eine Zertifizierung beispielsweise nach ISO möglich ist.
4.3 Bedeutung des Prozessmanagement für KMU
Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass PM zum einen eine evolutionäre Komponente in der Entwicklung von Unternehmen darstellt, da mit zunehmender Unternehmensgröße die effiziente Koordination der Funktionsbereiche erschwert wird. Ebenso ist es häufig eine Voraussetzung für die Zertifizierung, beispielsweise nach ISO, wodurch Absatzkanäle nur mit höheren Qualitätsanforderungen erschlossen werden können. Andererseits ist PM ein Weg um Kostenpotentiale innerhalb des Unternehmens aufzudecken und die Produktivität sowie Profitabilität z.B. durch verringerte Durchlaufzeiten zu steigern.
Ein weiterer Aspekt bezieht sich auf die veränderten Rahmenbedingungen auf dem Absatzmarkt. Dieser ist zunehmend heterogen geprägt, die Produktlebenszeit verkürzt sich immer weiter. Die ursprüngliche Idee der Massenproduktion verschiebt sich durch die Kundenanforderung nach individuelleren Produkten vermehrt in Richtung MassCustomizing. Die Produktdiversifikation ist stark ausgeprägt und setzt schon in einer sehr frühen Phase des Produktlebenszyklus ein. Durch die Anwendung von PM können Abläufe effizienter gestaltet, sowie Schnittstellen, die Fehlerquellen sein können, beseitigt werden. Das Unternehmen kann schneller auf Veränderungen am Markt reagieren.30 Bei großen Unternehmen ist mit der Einführung von GPM eine Beeinflussung von Aufbau, Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsvorteile zu beobachten.31 Da sich jedoch Großunternehmen und KMU wie schon beschrieben grundlegend im strukturellen Aufbau als auch der strategischen Ausrichtung unterscheiden32, kann man GPM und die damit verbunden Vorteile nicht unmittelbar übertragen.33 Darüber hinaus kollidiert die durchgängige Prozessorganisation mit der Personenbezogenheit von KMU.
Daher ist im weiteren Verlauf der Ausarbeitung zu prüfen, wie KMU Wettbewerbsvorteile durch PM von Großunternehmen übernehmen können und wie GPM für die individuellen Bedürfnisse modifiziert werden muss.
4.4 Prozessarten
Für Binner tragen die Kernprozesse das größte Optimierungspotential innerhalb einer Organisation. Er unterscheidet sie detailliert zum ersten nach der Art der Leistung in Produktions- und Dienstleistungsprozesse, wobei aus einer Produktion ein materielles Produkt und aus einer Dienstleistung ein immaterielles Produkt resultiert. Weiterhin unterscheidet er nach der Art der Ausführung zwischen operativen, also unmittelbar an der Herstellung des Produktes beteiligten, sowie dispositiven Prozessen, die zur Planung und Steuerung notwendig sind. In einem dritten Schritt untergliedert Binner die Kernprozesse weiter in direkte Prozesse, also mit unmittelbarem Bezug auf die Erstellung des Produktes oder die Dienstleistung und indirekte Prozesse, also vorbereitende oder ergänzend durchzuführende Prozesse um die Leistung zu erbringen. In einem vierten und letzten Schritt unterscheidet Binner nach Art der Komplexität zwischen Makro- und Mikroprozessen. Der Gesamtprozess wird als Makroprozess bezeichnet. Dieser Hauptprozess kann in weitere Teilprozesse, die Mikroprozesse, zerlegt werden. Mikroprozesse sind einzelne Aufgaben oder Teilprozesse, die auf dieser Ebene sehr detailliert beschrieben werden.
Die Bedeutung der Prozesse für den Geschäftserfolg veranlasst Binner zur Klassifizierung in Primär- und Sekundärprozesse. Zur Gattung der Primärprozesse, auch Schlüsselprozesse genannt, zählen die kritischen Prozesse, die nachhaltig und langfristig zum Erreichen der unternehmerischen Leistung von Bedeutung sind. Diese tragen maßgeblich zur Kundenzufriedenheit bei. Sekundärprozesse unterstützen die Primärprozesse und tragen zu deren Erfüllung durch Bereitstellung der benötigten Infrastruktur bei. Als Beispiele für diese Infrastruktur nennt Binner Qualifikationen, Informationen und Investitionen.
Zunehmend an Bedeutung gewinnen neben den Prozessen zur Produkt- und Dienstleistungserstellung auch weitere Prozesse wie Veränderungs- und Innovationsprozesse. Diese werden angestoßen durch Veränderungen auf dem Markt und bedingen einen internen Struktur- und Unternehmenskulturwandel wie etwa den Aufbau eines Erfahrungsspeichers und damit den Wandel zu einer lernenden Organisation. Daraus resultiert eine verbesserte Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen des Marktes sowie ein Wissenstransfer zwischen den Mitarbeitern der zu weiteren Innovationen führt.34
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Prozesseinteilung
Quelle: Binner, H. F., Organisationsmanagement 1997, Kap. 1, S. 12
Bei der Prozessgestaltung von KMU ist es wiederum individuell abzuwägen, welche Prozesse in welcher Tiefe identifikations- und gestaltungswürdig sind um einen angemessenen Kosten-Nutzen-Effekt zu erzielen. Neben dieser funktionsorientierten Sichtweise von Binner existieren noch weitere Unterscheidungen der Prozessarten. Einen guten Ansatz dazu liefert Schmidt, er klassifiziert Prozesse nach Objekt, Wiederholungsgrad, Struktur und Synchronisationsvorschrift. In der Sichtweise der Objektorientierung wird nach Waren- und Informationsprozessen unterschieden. Bei der Durchführung von Warenprozessen werden Materialien zu materiellen Gütern transformiert, man bezeichnet diesen Vorgang als Fertigung. Informationsprozesse transformieren Daten zu Informationen, dieses wird Verarbeitung genannt. Die Fertigung wird in der Verarbeitung der Daten zu Informationen widergespiegelt. Ein genereller Umkehrschluss existiert nicht, da nicht zu jedem Informationsprozess auch ein Warenprozess zugeordnet werden kann. In Unternehmen treten häufig gemischte Leistungsprozesse auf, Schmidt nennt dazu allgemein die Abfolge Warenbestellung, Wareneingang, Lieferprüfung, Warenannahme/Rückgabe.
Der Wiederholungsgrad eines Prozesses ist ein weiteres Charakteristikum von Schmidt. Ein einmaliger Durchlauf wird gelegentlich auch als Projekt bezeichnet, und stellt hohe Anforderungen an die Prozessplanung und Flexibilität der Produktionsfaktoren.
[...]
1 Vgl. Salditt, T., Anforderungen 2010, S. 31.
2 Vgl. Belliger, A., Krieger, D., Wissensmanagement 2007, S. 167.
3 Vgl. IfM Bonn, Mittelstandsdefinition 2010, http://www.ifm-bonn.org/index.php?id=3. Aufruf vom 02.05.2011.
4 Vgl. IfM Bonn, KMU-Definition 2010, http://www.ifm-bonn.org/index.php?id=89· Aufruf vom 02.05.2011.
5 Vgl. Statistisches Bundesamt, KMU-Definition 2010, http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/ UnternehmenGewerbeInsolvenzen/KMUMittelstand/KMU Begrif.psml, Aufrufvom 02.05.2011.
6 Quelle: Philipp, S., KMU 2010, http://www.mittelstandswiki.de/KMU· Aufrufvom 02.05.2011.
7 Vgl. Greschuchna, L., Vertrauen 2006, S. 47.
8 Vgl. Salditt, T., Anforderungen 2010, S. 31 f.
9 Vgl. Enke, M., Vertrauen 2006, S.49.
10 Quelle: Statistisches Bundesamt2010 http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Grafiken/ UnternehmenGewerbeInsolvenzen/Diagramme/KMUMerkmale.templateId=renderPrint.psml. Aufrufvom 14.02.2011.
11 Vgl. Greschuchna, L., Vertrauen 2006, S. 46.
12 Vgl. Fueglistaller, U. / Müller, C. /Volerey, T., Entrepreneurship 2004,S. 96.
13 Vgl. Knop, R., Erfolgsfaktoren 2009, S. 13.
14 Vgl. Fueglistaller, U. / Müller, C. / Volerey, T., Entrepreneurship 2004, S.96.
15 Vgl. Knop, R., Erfolgsfaktoren 2009,S. 13f.
16 Vgl. Greschuchna, L., Vertrauen 2006, S. 46f.
17 Vgl. Fueglistaller, U. / Müller, C. /Volerey, T., Entrepreneurship 2004, S.96f.
18 Vgl. Hungenberg, H., Management 2004, S.20f.
19 Vgl. Pirntke, G., Organisationslehre 2007, S. 122.
20 Vgl. Becker, J., Mathas, C., Winkelmann, A., Geschäftsprozessmanagement 2009, S. 2f.
21 Vgl. Pirntke, G., Organisationslehre 2007, S. 123.
22 Vgl. Becker, J., Mathas, C., Winkelmann, A., Geschäftsprozessmanagement 2009, S. 2f.
23 Vgl. Pirntke, G., Organisationslehre 2007, S. 122 f.
24 Vgl. Richter, C., Handelscontrolling 2005, S. 37f.
25 Vgl. Jochem, R., Mertens, K., Knothe, T., Prozessmanagement2010, S. 14f.
26 Vgl. Tague, N.R., Quality 2005, S. 8f.
27 Vgl. Walter, J., Geschäftsprozessmanagement 2009, S. 178.
28 Vgl. Becker, J., Mathas, C., Winkelmann, A., Geschäftsprozessmanagement 2009, S. 2f.
29 Vgl. Walter, J., Geschäftsprozessmanagement 2009, S. 177.
30 Vgl. Kaschny, M., Kaul, M., Reinemann, H., Geschäftsprozessmanagement2010, S. 5f.
31 Vgl. Schmelzer, H. J., Sesselmann, W., Geschäftsprozessmanagement 2008, S.96.
32 Vgl. Kapitel 2.3 dieserAusarbeitung.
33 Vgl. Kaschny, M., Kaul, M., Reinemann, H., Geschäftsprozessmanagement2010, S. 19.
34 Vgl. Binner, H. F., Organisationsmanagement 1997, Kap. 1, S. 13f.